Mit LW-Lesern Dresden und Umgebung erkundet
Erste Leserreise nach dem Corona-Lockdown
Die erste LW-Leserreise nach dem Corona-Lockdown führte nach Dresden, neben Sehenswürdigkeiten und touristischen Zielen der Stadt und Umgebung ging es inhaltlich natürlich schwerpunktmäßig um Landwirtschaft.
Wie Dr. Kerstin Jäkel, Referentin für Nachwachsende Rohstoffe der sächsischen Landesanstalt für Landwirtschaft beÂrichtete, gehören 60 Prozent der Ackerfläche des Landes Sachsen von etwa 900 000 ha juristischen Personen (AG oder GmbH und Co KG), mit Betrieben von mehr als 3 000 ha. Sachsen bestehe im Süden aus Gebirgs- und Vorgebirgslagen, im Norden herrschten sandige, trockene Standorte mit maximal 400 mm Niederschlag/Jahr vor. Dazwischen ziehen sich Lößstreifen durchs Land mit bis zu 80 Bodenpunkten, wo vorwiegend Getreide und Gemüse angebaut wird. 60 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche seien erosionsgefährdete Standorte.Den landwirtschaftlichen Schwerpunkt der Reise bildete der Besuch der Agrargenossenschaft „Bergland“ in Claußnitz, ein Betrieb mit Milchproduktion, Ackerfutterbau, Marktfrucht- und Saatgutproduktion sowie der Erzeugung erneuerbarer Energien. Der Betrieb ist nach 1991 aus einer ehemaligen LPG entstanden und umfasst eine Fläche von 2 000 ha, 600 ha sind Eigenland, der Rest ist gepachtet, 800 ha sind Dauergrünland, 1 200 ha Ackerland. Die Betriebsflächen liegen im Schnitt 600 bis 800 m über NN, was besondere Witterungsverhältnisse bedeutet, die durchschnittliche Niederschlagsmenge liegt bei 900 mm/Jahr. Aufgrund der besonderen Lage ist eine hohe Differenzierung erforderlich, die durchschnittliche Bodenqualität liegt bei 30 Bodenpunkten, der Betrieb hat 45 Mitarbeiter.
Herde besteht aus eigener Nachzucht
Der Gesamtbetrieb unterteilt sich in eine Agrargenossenschaft mit Milchproduktion mit 650 Milchkühen, 230 Mutterkühe als Weidetiere werden als eigenständige GmbH geführt, erklärte Betriebsleiter Christoph Hänel. Derzeit werden 550 Kühe gemolken, die Herde besteht ausschließlich aus eigener Nachzucht. Die durchschnittliche Milchleistung liegt bei 11 200 kg pro Kuh, wichtiger ist für Hänel aber die Lebenstagsleistung, die bei 19 kg liegt. Im Innen-Melkstand mit 32 Plätzen werden stündlich 150 Kühe gemolken. Um möglichst viel des selbsterzeugten Stroms im Betrieb nutzen zu können, wurde die Milchkühlung kürzlich auf Eiswasser umgestellt. Die Tierhaltung ist im Betrieb rückläufig, dennoch werden alte LPG- Gebäude umgebaut, um mit mehr Licht und Luft mehr Tierwohl zu schaffen.
Die Ackerflächen werden vielfältig in weit gestellten Fruchtfolgen genutzt. Bereits seit 1994 habe man die Vorteile der konservierenden Bodenbearbeitung erkannt, die gesamte Ackerfläche wird ausschließlich pfluglos bearbeitet. Angebaut wird derzeit: Mais und Gras für Silagen der Tierproduktion, Getreide, Raps, Körnerleguminosen und Öllein.
2007 wurde eine eigene Ölmühle gebaut, die jährlich 1 000 t Raps verarbeiten kann, derzeit werden 500 t gepresst. Der Rapskuchen wird verfüttert, das Öl zum Teil im eigenen Fuhrpark genutzt. So werden fünf Schlepper und ein Häcksler mit selbsterzeugtem Biotreibstoff gefahren. Bei einer Ausbeute von 1 000 l/ha, 32 Prozent Pressquote, reichen 12 Prozent des Rapsanbaues, um den Kraftstoffbedarf des Betriebes zu decken. „Die THG-Quote macht die Rapsölproduktion derzeit immer interessanter,“ freute sich Hänel.
Wichtige Grundlage des Betriebes ist die Erzeugung und Nutzung erneuerbarer Energien. So wurde 2002 die erste Biogasanlage mit einer Leistung von 705 kWel errichtet, die durch zwei Hofbiogasanlagen mit je 75 kWel an den MilchviehÂanlagen erweitert wurde. Bereits 1994 wurde eine eigene Windkraftanlagen (3 x 600 kW) errichtet, auf den zahlreichen Betriebsgebäuden wurden ab 2007 PV-Anlagen installiert, die eine Leistung von 5,5 MW ausmachen.
„Unser Ziel ist, die Elektrifizierung des Betriebes aus selbst erzeugtem Strom zu erreichen. Weiterhin ist uns wichtig, regionale Kreisläufe auszubilden und die Bevölkerung einzubinden. So haben wir frei gewordene Betriebsgebäude von Mitgliedern in umliegenden Dörfern aufgekauft, umgebaut und über 40 Mietwohnungen geschaffen. Die Wärmeversorgung erfolgt über die Abwärme unserer Biogasanlagen sowie acht Holzhackschnitzelfeuerungen. So ersetzen wir damit allein jährlich etwa 60 000 l Heizöl,“ erklärte Hänel.
Interessantes Rahmenprogramm
Von besonderem Interesse war der Besuch im Sächsischen Landesgestüt Moritzburg, das bereits von August dem Starken eingerichtet wurde, um Jagdpferde für das Königshaus zu züchten. Der Betrieb ist mit dem Hauptgestüt Graditz Deckstation für Thüringen und Sachsen, hält 120 Pferde, davon 80 Deckhengste der Rassen Warm- und Kaltblut, Schweres Kaltblut, Haflinger und Reitpony.
Ein weiteres Ziel war Schloss Wackerbath, seit 1999 Staatsbetrieb, Erlebnisweingut sowie Wein- und Sektmaufaktur. In Sachsen wird auf etwa 500 ha Wein angebaut, in Wackerbath werden auf 92 ha jährlich 300 000 Flaschen Wein und Sekt produziert. Die Cool-Climate- Weine „schmecken gar nicht so schlecht,“ war die einhellige Meinung nach der Weinprobe.
Eine Stadtführung durch die im Zweiten Weltkrieg zerstörte und beeindruckend restaurierte historische Dresdner Altstadt, sowie ein Besuch des Spielzeugmuseums und der Holzschnitzereien in Seiffen im Erzgebirge, rundeten das Programm ab.
Brüggemann – LW 39/2021