Mit dem Mindestlohn in der Landwirtschaft kalkulieren

HLBS-Landesverband Hessen tagte in Baunatal

Der Hauptverband der landwirtschaftlichen Buchstellen und Sachver­stän­digen (HLBS) veranstaltete bei der Landwirtschaftlichen Woche Nordhessen eine Informationsveranstaltung zum Thema Mindestlohn.

Dr. Volker Wolfram ist Vorsitzender des HLBS-Landesverbandes Hessen.

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Dr. Volker Wolfram, Vorsitzender der HLBS-Fachgruppe Landwirtschaft Hessen, eröffnete die Tagung vor rund 80 Teilnehmern. Flächeninanspruch nehmende Großprojekte im Raum Nordhessen sowie der Leitungsbau würden die Tätigkeiten der Sachverständigen derzeit bestimmen, so Dr. Wolfram.

In seiner Funktion als Vorsitzender des Land-und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbandes Hessen informierte er über den aktuellen Stand der Umsetzung des Mindestlohns und stellte die von der Agrargewerkschaft IG Bau-Agrar-Umwelt und dem Gesamtverband der Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände (GLFA) verhandelten Tariflöhne vor. Diese liegen über dem vereinbarten Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stun­de. Eine zeitgemäße und leistungsgerechte Entlohnung von landwirtschaftlichen Facharbeitern sei damit gegeben, unterstrich Wolfram. Der Mindestlohn sei besonders für Betriebe mit arbeitsintensiven Anbaufrüchten, beispielsweise bei Saisonarbeitskräften, relevant. Kritische Anmerkungen machte er zur fehlenden Flexibilität und dem hohen Bürokratieaufwand, der das Mindestlohngesetz vorgibt. Im Hinblick auf gesetzlich festgelegte Erhöhungen des Mindestlohnes sei mit einem Anstieg der Lohnkosten zu rechnen. Darauf müssten sich die landwirtschaftlichen Betriebsleiter früh einstellen, mahnte Wolfram.

Welche Steuer-Aspekte zu berücksichtigen sind

Brigitte Barkhaus, Steuerberaterin und Geschäftsführerin der LBH-Steuerberatungsgesellschaft mbH, informierte zum Thema Mindestlohn in Bezug auf steueroptimale Gestaltungen bei Saison-, Familien- und Fremdarbeitskräften. Sie wies auf die Anwendbarkeit, Probleme und Grenzen im Bereich des Mindestlohngesetzes hin und erläuterte die Beschäftigung von Saisonarbeitskräften. Mindestlohn bedeutet „Anspruch auf Bares“ und damit kein Anspruch auf Sachleistungen. Kost und Logis sind bei der Unterbringung von Arbeitskräften zusätzlich zu gewähren. Mindestlohn darf nicht durch Sachleistungen gekürzt werden. Eine Aufrechnung sei dann möglich, wenn Entgelte für Unterkunft und gegebenenfalls Verpflegung in einem separaten Vertrag geregelt werden. Dann würde es sich um wechselseitige Forderungen durch den Arbeitsvertrag einerseits und den Mietvertrag andererseits handeln, so Barkhaus. Die Vergütung selbst ist spätestens am letzten Arbeitstag des Folgemonats zu zahlen.

Steuerberaterin Brigitte Barkhaus, LBH Friedrichsdorf.

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Der Tarifvertrag Mindestentgelt vom 29. August 2014 findet auch Anwendung für Jugendliche unter 18 Jahren, sofern sie keine Schüler sind und für Arbeitnehmer, die zuvor länger arbeitslos waren, auch in den ersten sechs Beschäftigungsmonaten. Die Überprüfung werde wie bisher die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) der Bundeszollverwaltung durchführen. Um die Einhaltung des gesetzlichen Mindestlohns wirksam kontrollieren zu können, sollen bei der FKS 1 600 neue Stellen geschaffen werden.

Nach § 2 des Tarifvertrages entwickelt sich das Mindestentgelt wie folgt:

Eine Auswertung hessischer Buchführungsergebnisse unter dem Aspekt der Gewinnentwicklung und der Entlohnung der landwirtschaftlichen Familienarbeitskräfte stellte Dipl.-Ing. agr. Anne Mawick, vom Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH) vor. Derzeit bewirtschaften in Hessen circa 17 000 Betriebe etwa 770 000 ha, davon 478 000 ha Ackerfläche. Der Anteil an Haupterwerbsbetrieben liegt bei 6 300 Betrieben beziehungsweise bei 37 Prozent.

Die Wachstumsschwelle bei Ackerbaubetrieben liegt inzwischen bei 120 ha, in der Milchviehhaltung bei über 100 Kühen und in der Sauenhaltung bei 200 Sauen pro Betrieb. Die Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe nähme stetig ab, dafür würden sie größer, der Strukturwandel setze sich also fort.

Größere Betriebe erfordern mehr Fremd-Arbeitskräfte

Anne Mawick, LLH-Fachgebietsleiterin Ökonomie.

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Dies ziehe einen höheren Bedarf an Fremd-Arbeitskräften nach sich, so Mawick. Hessens Landwirtschaftsbetriebe erwirtschafteten im Mittel der letzten zehn Jahre einen Gewinn von 57 830 Euro/Unternehmen. Pro nicht entlohnter Familienarbeitskraft (nFAK) entspricht das einem Gewinn von 37 259 Euro sowie einem Lohnansatz von 22 556 Euro pro nFAK. Bei einem Einsatz von 700 Stunden (Ackerbaubetriebe) bis zu 2 700 Arbeitsstunden (Milchviehbetriebe) pro Jahr ergäbe sich eine Entlohnung zwischen 8 Euro und 32 Euro pro Akh. Bezieht man die Mittelwerte auf die Betriebsformen sowie auf erfolgreiche und weniger erfolgreiche Betriebe, so falle die Bandbreite von -1,30 Eu­ro bis 44,20 Euro pro Arbeitsstunde auf. Die Empfehlung der Beraterin lautet daher, dass die landwirtschaftlichen Betriebe gerade vor dem Hintergrund zunehmender Volatilität der Märkte ein dauerhaftes Kosten-Controlling pflegen sollten. Betriebe mit negativer Arbeitsrentabilität lebten von der Substanz und würden Eigenkapital abbauen. Hier sei dringender Beratungsbedarf und eine Anpassung im Betrieb angezeigt.

Dipl.-Ing. agr. Corinna Grebing – LW 3/2016