Alle müssten an einen Tisch, um den Vertrag zu erneuern

Fortbildung für Buchführungs-Testbetriebe

Für Inhaber land- und weinbaulicher Betriebe des rheinland-pfälzischen Buchführungs-Testbetriebsnetzes wurden auch in diesem Jahr wieder Schulungen durchgeführt. Die vom Bund bezuschussten Veranstaltungen für die Betriebsleiter der Testbetriebe fanden Ende Januar in Kaiserslautern-Hohenecken und Mitte Februar in Koblenz statt.

Prof. Dr. Thore Toews sieht einen neuen Gesellschaftsvertrag als Ausweg aus der derzeitigen Spirale.

Foto: Müller

Die Veranstaltung in Hohenecken eröffnete und leitete der Präsident der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz, Ökonomierat Norbert Schindler. Die Veranstaltung in Koblenz wurde vom Vizepräsidenten, Ökonomierat Heribert Metternich, geleitet. Beide bedankten sich ausdrücklich bei den Betriebsleitern für deren Teilnahme am Testbetriebsnetz des Bundes und der Länder. Die daraus ermittelten Daten und Kennwerte seien bundesweit das wichtigste Datenmaterial für Analysen und Aussagen zur Wirtschaftlichkeit in der Landwirtschaft. Politik, Wirtschaft, Justiz, Sachverständige, landwirtschaftliche Schulen, die staatliche Beratung und auch die Landwirtschaftskammern verwendeten diese Daten in den verschiedensten Bereichen.

Drittes Jahr in Folge unterdurchschnittlich für Ackerbau

Auf beiden Veranstaltungen stellte zunächst Günter Müller von der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz die Buchführungsergebnisse identischer Haupterwerbsbetriebe der Landwirtschaft und des Weinbaus des Wirtschaftsjahres 2016/2017 vor. Das dritte Jahr in Folge erreichten Betriebe des Acker- und Futterbaus und Verbundbetriebe nicht das langjährige Mittel. Der Ackerbau verzeichnete ein weiteres Minus, Futterbau und die Gruppe der Verbundbetriebe eine leichte Steigerung der Unternehmensergebnisse gegenüber dem Vorjahr. Von einem Unternehmergewinn oder einer Nettorentabilität von 100 Prozent waren diese Betriebe erneut „meilenweit entfernt“.

Schweinehaltende Betriebe erzielten dagegen – dringend benötigt – ein „Spitzenergebnis“. Die Eigenkapitalbildung war in allen Gruppen positiv. Weinbaubetriebe konnten im WJ 2016/2017 ihr Ergebnis – auf hohem Niveau – wieder steigern.

Die Ergebnisse der Vorausschätzungen für das Wirtschaftsjahr 2017/18 zeigen leider keine allgemeine Tendenz zum Besseren. „Die Liquidität der Betriebe wird auf eine sehr harte Probe gestellt und der Strukturwandel in der Landwirtschaft wird weiter beschleunigt werden“, analysierte Müller die zu erwartenden Ergebnisse des laufenden Wirtschaftsjahres. Im Ackerbau und den Verbundbetrieben wird eine Stabilisierung der Ergebnisse auf niedrigem Niveau erwartet.

Viehhaltende Betriebe schneiden besser ab. Milchviehhalter können nach derzeitigem Stand ein deutliches Plus erwarten. Schweinehalter „fallen“ zwar, aber bleiben über dem langjährigen Schnitt. Auch im Weinbau muss aller Voraussicht nach mit einem Rückgang der Unternehmensergebnisse gerechnet werden. Wieder gestiegene Kosten sind neben geringeren Erträgen hierfür verantwortlich.

Als weitere Referenten berichteten auf den Veranstaltungen Rudi Werner vom Bauern- und Winzerverband Rheinland-Pfalz Süd (in Hohenecken) und Walter Sesterhenn vom Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau (in Koblenz) über Aktuelles, Wissenswertes und Neuerungen aus dem Bereich des Steuerrechts.

Hauptredner auf allen Fortbildungstagungen war Prof. Dr. Thore Toews, TH Bingen. Sein interessanter Vortrag lautete „Anpassungsdruck für landwirtschaftliche Betriebe. Wachstum, Spezialisierung, Diversifizierung oder Biolandbau? Welche Strategie passt zu meinem Betrieb?“.

In seinen Ausführungen ging er auf die zukünftigen Anforderungen an und auf die Herausforderungen für landwirtschaftliche Betriebe ein sowie für deren Betriebsleiter.

Im Folgenden Prof. Toews Kurzzusammenfassung:

Von allen Seiten spüre die Landwirtschaft wachsenden Anpassungsdruck. Martin Riechenhagen (Präsident Agco) schreibt im November 2017 hierzu: „Die gerade gescheiterten Sondierungsgespräche zur Regierungsbildung auf Bundesebene haben durchblicken lassen, dass es der Politik besonders leicht fällt, moderne Landwirtschaft als Problem darzustellen, als Ärgernis und Feindbild, das man mit spätromantischer Biorhetorik und rückwärtsgewandten Verordnungen und Verboten bekämpfen und mit dem man Unternehmer diskreditieren will. Das mag dem Hipster, der Möhren auf der Dachterrasse im Prenzlauer Berg züchtet, gefallen. Dem Hunger in der Welt hilft es nicht.“

Wieder Respekt in der Gesellschaft gewinnen

Es ist eine breite Zusammenarbeit von Landwirtschaft, Lebensmitteleinzelhandel und der Politik notwendig, um Entwicklungen wie bei der Käfighaltung zu verhindern.

Foto: nature-picture/pixelio

Die Landwirtschaft sollte daran arbeiten wieder so viel Rückhalt in der Gesellschaft zu gewinnen, dass sie nicht mehr austauschbar sei, sagte Toews. Sie sollte passende Angebote für die sich ändernden Bedürfnisse der Kundschaft entwickeln, die sich vom Wettbewerb – wie von Produkten aus den USA, die im Tierschutz weit hinter uns stehen – unterscheiden. Leider handele es sich hierbei aber nicht unbedingt um das, worauf sich die Landwirtschaft in den letzten Jahrzenten konzentriert habe. Die ausgeprägte Arbeitsteilung in modernen Wertschöpfungsketten der Agrar- und Ernährungswirtschaft und die Marktmacht, die von den Verarbeitungsunternehmen zu übermächtigen Lebensmitteleinzelhändlern wachse, haben die Distanz zu den Kunden vergrößert. „Wenn wir die Agrar- und Ernährungswirtschaft zum Positiven weiterentwickeln wollen, dann brauchen wir einen breiten Schulterschluss innerhalb der Wertschöpfungskette und zwischen den Interessenvertretungen, um ein differenziertes und wettbewerbsfähiges Angebot anbieten zu können“, fasst Toews seine Ausführungen zusammen.

Woher kommt der Anpassungsdruck?

Ein besonders wichtiger und schneller Treiber für den Anpassungsdruck in der Landwirtschaft seien unterschiedliche Formen des technischen Fortschritts. Sobald verbesserte Techniken wie Futtermischwagen, leistungsfähigere Genetik wie die Milchleistung pro Kuh, eine kostengünstigere Organisation wie Arbeitserledigung durch Dienstleister, oder die Digitalisierung mit Brunsterkennung durch Bewegungssensoren zur Verfügung stehen, verbreiten sie sich. Sie lassen sich nicht aufhalten. Die Folgen seien Strukturwandel und das Freisetzen von Arbeit.

Auf der anderen Seite seien Unternehmen darauf angewiesen, dass die Gesellschaft ihre Produkte und Dienstleistungen kaufe und dass sie die notwendige Akzeptanz für ihre Produktion bekommen, fuhr Toews fort. Gerade im Letzteren, der gesellschaftlichen Akzeptanz, klaffen gegenwärtig die Erwartungen weit auseinander. In der Diskussion hierüber fehle es nicht an Genörgel und lautem Geschrei über objektive und subjektive Missstände. Mangeln tue es an einem konstruktiven, fachlich fundierten und lösungsorientierten Dialog zwischen den Beteiligten aus den Bereichen: Landwirtschaft, Natur- und Tierschutz, Lebensmittelverarbeitung, Lebensmitteleinzelhandel und Politik, mit dem Ziel am Ende Lebensmittel im Regal anzubieten, die die höheren Erwartungen in die Prozess- und Produktqualität im Preis widerspiegeln und die auch gekauft werden. Und zwar deshalb, weil der neue Gesellschaftsvertrag gar keine Alternativen mehr zulässt, meinte Toews.

Höhere Preise im Regal dank neuem Vertrag

Im Lebensmitteleinzelhandel würden dann nur noch die Produkte angeboten, die mindestens nach diesem neuen Standard erzeugt werden. Dies zu erreichen sei ein weiter und schwieriger Weg. Die deutsche Agrarpolitik sollte diesen Weg, soweit sie kann, unterstützen, indem sie möglichst alle Freiheiten der EU-Agrarpolitik nach 2020 nutze und die Mittel der ersten Säule zugunsten von zielgerichteten Maßnahmen umschichtet. Denn die erste Säule löse die gegenwärtigen und zukünftigen Probleme in keiner Weise.

Die Nachteile dieser „Gießkannenförderung“ seien offensichtlich:

  • Die Landwirtschaft degradiert zum Subventionsempfänger.
  • Begehrlichkeiten werden geweckt. So fordert der NaBu, dass die Landwirte als Gegenleistung für die Subventionen mehr Naturschutz leisten müssen.
  • Durch einen hohen Durchreichungseffekt (steigende Pachten) bleibt das Geld nicht bei den Landwirten, sondern landet bei Landeigentümern.
  • Kostennachteile durch höhere Produktionsstandards (Mindestlohn, DüV, Verbot von PSM) werden durch die Subventionen nicht ausgeglichen, weil alle Landwirte sie bekommen. Auch diejenigen, die gar keine Nachteile haben, weil sie ihre Flächen nur pflegen (mulchen).

Um die notwendigen zukünftigen Anpassungen zu unterstützen wären Subventionen für den Bau von Güllelagern, Futtersilos, tiergerechten Ställen oder die Entschädigung für die Nichtbewirtschaftung von Randstreifen zu Gewässern sinnvoll.

Wirtschaftliche Ausgangsbedingungen

Die wirtschaftlichen Ausgangsbedingungen sind alles andere als beruhigend. Ackerbaubetriebe haben immerhin in den letzten fünf Wirtschaftsjahren in Deutschland (20 000 Euro) und RLP (2 000 Euro) ein positives Vollkostenergebnis erwirtschaftet. Dies haben Milchviehbetriebe im selben Zeitraum nicht geschafft. Der Mittelwert des Unternehmergewinns lag hier bei -7 000 Euro in Deutschland und -8 000 Euro in Rheinland-Pfalz. Und der Anteil der Subventionen am Gewinn ist in allen betrachteten Betrieben extrem hoch. Er lag zwischen 61 und 64 Prozent. Wer soll in einer solchen Situation den Mut aufbringen und freiwillig die Flächenprämien in Frage stellen. Die Alternative: Es nicht zu tun und auf Ein-weiter-so zu hoffen, ist dagegen nicht beruhigend.

Einzelbetrieblich gesehen bietet der ökologische Landbau gegenwärtig eindeutig Potenzial. Deutsche Bioware sei in allen Produktgruppen gesucht. Aber um eine ökologisch verträglichere, tiergerechtere und gesellschaftlich akzeptierte Ernährungswirtschaft in Deutschland zurückzuerlangen, wäre es wahrscheinlich viel wichtiger die konventionelle Landwirtschaft weiterzuentwickeln. Denn obwohl die ökologische Agrarwirtschaft dynamisch wachse, stelle sie „ernährungstechnisch“ immer noch eine kleine Nische dar, erläuterte Toews. Die Verkaufserlöse der ökologischen Landwirtschaft betrugen in 2015 lediglich 4,2 Prozent der gesamten Erlöse der deutschen Landwirtschaft. Gehe man grob vom doppelten Erzeugerpreis aus, dann betrug der Beitrag der ökologischen Agrarwirtschaft zur Ernährung also lediglich 2,1 Prozent. Angesichts dessen, dass Deutschland nicht in der Lage sei, sich selbst zu ernähren, sondern Nettoimporteur von Agrarrohstoffen ist, die auf 5 Millionen Hektar außerhalb Deutschlands angebaut werden (Destatis, 2010, Flächenbelegung von Ernährungsgütern), können diese Zahlen nicht beruhigen und zeigen den Handlungsbedarf auf.

Landwirtschaft weiterentwickeln

Auch wenn die ökologische Agrarwirtschaft für einige Betriebe die richtige Entwicklungsstrategie darstelle – immerhin strebt auch das BMEL in seinem Nachhaltigkeitsbericht einen Bioanteil in der Flächen von 20 Prozent an – wird ein Großteil der landwirtschaftlichen Betriebe und ein noch größerer Anteil der Ernährung in Deutschland auch zukünftig auf konventioneller Rohstoffbasis stattfinden. Damit dies gelinge und nicht wie bei den Käfigeiern ein Produktionsverbot in Deutschland, aber kein Importverbot eingeführt werde, sei eine breite Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten erforderlich. Dabei müssten alle kompromissbereit sein und die Lasten müssten auf alle verteilt werden. Nicht Pyrrhussiege, sondern nachhaltig tragfähige Konzepte seien gefragt. Den Strukturwandel werde all dies allerdings nicht aufhalten. Dafür seien und bleiben die technischen Fortschritte zu groß. Die Betriebe werden größer und professioneller werden. Aber die Produktion werde sich wandeln. Sie müsse ökologisch verträglicher werden und mehr Tierschutz bieten. Und diese Veränderungen müssen beim Verbraucher beworben werden, schloss Toews.

Den Ausführungen von Professor Toews folgte eine lebhafte Diskussion. An deren Ende fragten sich viele der Teilnehmer nicht, ob Professor Toews Recht habe, sondern eher, wie seine Thesen „in die Tat umgesetzt werden könnten“.

Günter Müller – LW 10/2018