Wer soll das noch nachvollziehen?

Alle in der Weinbranche sprechen derzeit von der Notwendigkeit, dem deutschen Wein ein stärkeres Profil zu verleihen. Die Absicht dabei ist, mit klaren Qualitätsanforderungen, die sowohl vom Verbraucher nachvollziehbar als auch beim Produzenten kontrollierbar sein müssen, die Wertschöpfung zu erhöhen. Der Gedanke dabei ist nicht neu.

Schon in den 80iger Jahren des letzten Jahrhunderts wurde mit sogenannten Ursprungsweinen versucht, dem Konsumenten klare Weinkonzepte vorzugeben. Das hat ebenso wenig funktioniert, wie die Einführung der Classic- und Selectionsweine um die Jahrhundertwende. Die Fehler waren die gleichen wie in den 80iger Jahren. Um möglichst viele Produzenten zum Mitmachen zu animieren, wurde das Konzept zu breit angelegt und damit eine klare Wiedererkennung verhindert. Aus der angepeilten Marktdurchdringung wurde nichts:

Classicweine dümpeln in Rheinland-Pfalz bei 1,4 Prozent der Qualitätsweinmenge, und Selectionsweine werden gar in homöopathischen Dosen verkauft. Wer jetzt der Einzellagenprofilierung das Wort redet, sollte dies wissen. Zumal die von einigen Zeitgenossen angedachte deutliche Absenkung der Einzellagenweinmenge pro Hektar ein Griff in den Geldbeutel vieler Winzer darstellt. Der geringere Hektarertrag müsste mit Preiserhöhungen bei diesen Einzellagenweinen einhergehen. Bei einer Absenkung von 10 500 Liter pro Hektar auf 8 000 Liter pro Hektar heißt dies 30 Prozent Preiserhöhung. Ob dies der Verbraucher bereit ist zu akzeptieren, darf bezweifelt werden. Und ob dieser Wein dann wirklich 30 Prozent besser schmeckt, ist eine offene Frage. Ein Marketingexperte brachte es kürzlich treffend auf den Punkt: Noch nie ist durch neue bezeichnungsrechtliche Begriffe ein Liter Wein mehr verkauft worden.

Henning Seibert