Ein neuer Schlachthof soll in Bayern entstehen
Bauernstammtisch diskutiert Möglichkeiten
Die Einladung zum Bauernstammtisch in Reichelsheim im Odenwald des Regionalbauernverbandes (RBV) Starkenburg diente nicht nur dazu, sich als Verband wieder stärker bei den Berufskollegen zu zeigen. Viele Landwirte – vor allem Rinderhalter – waren zugegen, um sich die durch die Einladung angekündigten Neuigkeiten nicht entgehen zu lassen: Es soll ein neuer Schlachthof für die Region entstehen.

Foto: Schön
Die Idee zum neuen Schlachthof hatte Dr. Guido Steinel. Der Tierarzt und Rinderhalter aus Johannesberg an der hessisch-bayrischen Grenze hat die „MainLand Fleisch eG“ bereits gegründet. Entstanden ist die Genossenschaft im Zuge des gleichnamigen Projektes in Zusammenarbeit von Grünland-Spessart e.V., der Metzgerinnung Aschaffenburg und dem Bayrischen Bauernverband. Die eingetragene Genossenschaft soll Träger des neuen Schlachthofes sein. Entstehen soll dieser ebenfalls in der Gegend um Aschaffenburg, allerdings nicht auf dem alten Schlachthof-Areal. „Wir suchen einen Standort mit möglichst vielen Synergien, was die energetische Versorgung angeht, möchten aber nicht in ein großes Gewerbegebiet gehen.“ Das kann laut Steinel Probleme mit den anderen Betrieben vor Ort verursachen und die Akzeptanz des Schlachtbetriebes gefährden.
Landwirte und Verarbeiter werden Anteilseigner
Noch ist der Schlachthof in der Planungsphase. Ein Geschäftsplan wurde mit Fördermitteln des Bundeslandwirtschaftsministeriums erstellt. Er kann auf Anfrage von Steinel digital bereitgestellt werden (info@grünland-spessart.de). Das benötigte Eigenkapital liegt laut Steinel bei 1,4 Mio. Euro, die gesamte Investitionssumme beläuft sich auf 11,5 Mio. Euro. Das Eigenkapital soll erreicht werden durch Anteilskäufe ordentlicher Mitglieder. Fällig werden für die ordentliche Mitgliedschaft in der Genossenschaft 5 000 Euro für mindestens 20 Anteile. Der Geschäftsanteil beträgt 250 Euro, Interessierte können auch lediglich eine Fördermitgliedschaft mit 100 Euro erwerben. Ordentliche Mitglieder können zum Beispiel Landwirte, Metzger, Gastronomen oder Fleischverarbeiter sein. Die Mitarbeiter des Schlachthofes sollen in allen Bereichen (Geschäftsführung, Verwaltung, Schlachtung und Reinigung) in Festanstellung beschäftigt werden.
Transport und Vermarktung in Eigenregie organisieren
Für einen wirtschaftlichen Betrieb lohnt sich nach den Kalkulationen von Steinel nur eine gewisse Schlachtkapazität. Für den genossenschaftlichen Schlachthof wären das bei voller Auslastung etwa 110 000 Schweine und etwa 5 000 Rinder bei 200 Schlachttagen pro Jahr. Die Kosten pro Schwein beziffert Steinel auf 35 Euro, pro Rind seien es 150 Euro. Am geplanten Kombischlachtband könnten perspektivisch auch Schafe geschlachtet werden. Durch den Betrieb übernommen würden laut Steinel die Schlachtung der Tiere sowie die Kühlung und grobe Zerteilung. Eine gänzliche Zerteilung und Weiterverarbeitung sind bisher nicht vorgesehen. Auch der Transport der Tiere zur Schlachtstätte muss von den Landwirten selbst organisiert werden. „Nach unserem Geschäftsplan handeln die Landwirte eigene Verträge mit den Vermarktern aus“, sagte Steinel.
Landwirtschaft im Odenwaldkreis
Der Odenwald ist eine viehstarke Region mit viel Grünland. Das bestätigen die offiziellen Zahlen des Odenwaldkreises. Von den 17 328 ha landwirtschaftlicher Fläche sind ganze 67 Prozent Grünlandflächen, gefolgt von 32 Prozent Ackerland und einem Prozent Dauerkulturen. Ökologisch bewirtschaftet werden nach Angaben des Odenwaldkreises 1 540 ha.
Schweinehaltung im
Odenwaldkreis
Was die Schweine betrifft, sind es seit dem Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest deutlich weniger Schweinemastbetriebe. Von 35 Betrieben halten nur noch sechs über 10 Tiere. Insgesamt gibt es im Kreis noch zirka 3 500 Schweine – inklusive der Ferkel aus zwei Ferkelerzeugerbetrieben. Diese Zahlen markieren nahezu eine Halbierung der Betriebe und Bestände im Vergleich zum Jahr 2016. Hier waren es laut dem Landwirtschaftsamt des Odenwaldkreises noch 66 Betriebe mit 6 571 Tieren.
Die Tierhaltung im Odenwaldkreis ist klar auf die Grünlandbewirtschaftung ausgerichtet: 2025 wurden 16 872 Rinder – davon 5 205 Milchrinder – gehalten. Noch vor 10 Jahren waren es etwa 4 000 Rinder mehr. Die Zahl der Milchviehbetriebe beläuft sich auf 66. Der Odenwaldkreis zählt zudem 146 Mutterkuhbetriebe mit 1 434 Mutterkühen.
Demgegenüber ist die Anzahl der Schafe seit 2016 um gut 500 Tiere von 3 897 auf 4 411 gestiegen. Hinzu kommen 541 Ziegen. Derzeit verzeichnet der Landkreis 166 Schafhalter. Davon halten 56 Betriebe über 10 Tiere. Zusätzlich werden im Odenwaldkreis 2 862 Pferde gehalten.
LWNeubau soll möglichst CO2-neutral arbeiten
Was für Steinel besonders wichtig ist: Der Schlachthof soll nicht als „Schmuddelbetrieb“ gelten. Angestrebt wird ein gläserner Betrieb, der es Landwirten erlaubt die Produktion ihrer Fleischwaren nachvollziehbar zu machen. Beim Neubau der Schlachtstrukturen soll alles möglichst tier- und tierschutzgerecht, modern sowie digital gestaltet werden. Auch die Energieeffizienz des Betriebes ist wichtig. Steinel erklärte, dass ein Standort des neuen Betriebes in der Nähe einer Biogasanlage ideal wäre. Auch erneuerbare Energien sollen zur geplanten CO2-Neutralität des Betriebes beitragen. „Alle diese Maßnahmen können beim Verbraucher zu mehr Akzeptanz für unser Fleisch führen“, sagte Steinel hoffnungsvoll.
Kurze Transportwege sollen erreicht werden, indem Betriebe – vorzugsweise Genossenschaftsmitglieder – aus einem Radius von etwa 50 km Luftlinie um den alten Schlachthofstandort in Aschaffenburg beliefern. Dabei denkt Steinel nicht nur an bayrische Betriebe, auch hessische Schweinehalter seien aufgrund der Grenznähe willkommen. Er erzählte, dass bei Versammlungen in Bayern bereits 50 bis 60 Landwirte ihre Unterstützung für den Schlachthof zugesagt hätten. „Insgesamt brauchen wir aber 100 ordentliche Mitglieder in der Genossenschaft, um auf die benötigte Summe an Eigenkapital zu kommen. Aus Hessen braucht es daher noch 40 bis 50 Landwirte, vor allem Schweinehalter.“
In Hessen umfasst der Radius um den Altstandort Aschaffenburg die Landkreise Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau, den Landkreis Offenbach und den Odenwaldkreis, den Main-Kinzig-Kreis und auch Teile des Wetteraukreises. Die Städte Offenbach, Darmstadt und Frankfurt liegen zwar im gewählten Einzugsgebiet, dort findet laut Businessplan jedoch keine nennenswerte Tierhaltung statt. Die Städte werden im Geschäftsplan im Gegenteil als potenzielle Absatzmärkte angesehen.
Skepsis überwinden und Chancen nutzen
Für Peter Seeger, Landwirt und Schweinehalter aus Otzberg, stellt der Schlachthof eine große Chance dar. Wie er in der an die Konzept-Vorstellung anschließenden Diskussionsrunde anmerkte, sei der Schlachthof „eine gute Möglichkeit nicht nur auf Veränderungen durch die Politik zu hoffen, sondern selbst unternehmerisch zu handeln“. Seine Frau Kathrin fügte dem aufgrund der eher verhaltenen Interessensbekundungen aus dem Publikum hinzu: „Wir sind hier alle verunsichert durch den Schlachthof in Brensbach. Da haben viele schon einmal Geld verloren als Anteilseigner und vielleicht Angst vor dem erneuten Flop.“
Steinel erklärte darauf, dass Genossenschaften was die Absicherung des Unternehmens angeht, die sicherste Geschäftsform seien. Zudem bringe eine Genossenschaft auch Sicherheit für die Zukunft. Auch die Metzgereien hätten mit Personalmangel zu kämpfen. Mit der Beteiligung in der Genossenschaft könnten sich Landwirte selbst ein Stückweit die gewünschte Planungssicherheit schaffen.
Zukunftsaussichten für Schweinehalter
Zur Veranstaltung war auch Karsten Schmal, Präsident des Hessischen Bauernverbandes, gekommen. Er gab einen Überblick über die politische Arbeit des Bauernverbandes und resümierte die Entwicklungen in der deutschen Tierhaltung in den vergangenen Jahren und mögliche Zukunftsaussichten. Für die Schweinehalter gelten derzeit noch die bisher bekannten Fristen zum Um- oder Neubau von Deckzentren und Abferkelställen. Der Wegfall des Bundesprogrammes „Umbau der Tierhaltung“ entäusche Schmal und bereite ihm Sorgen. Betriebe, welche noch nicht neu oder umgebaut haben, werden die Schweinehaltung zum Stichtag einstellen. Hier brauche es Verlässlichkeit und kürzere Genehmigungsverfahren. Zudem seien die Kosten für Stallbauten im Allgemeinen in den vergangenen Jahren stark gestiegen.
Den Trend sinkender Tierzahlen gelte es auch im Bereich der Rinderhaltung aufzuhalten. Besonders die Milchviehhaltung gehe kontinuierlich zurück. Dabei sind laut Schmal gerade die Rinder in Landschaften wie dem Odenwald unabdinglich zur Landschaftspflege. Das bekräftigte ein Rinderhalter aus dem Publikum, der bemerkte, dass immer mehr Flächeninhaber ihre Flächen verbuschen ließen. Besonders Ausgleichsflächen oder Flächen in der HALM-Förderungen seien oft in schlechtem Zustand.
Verbandsarbeit wieder intensivieren
Hans Trumpfheller, Vorsitzender des RBV Starkenburg, kündigte beim Bauernstammtisch an, der RBV Starkenburg wolle seine Verbandsarbeit intensivieren und wieder präsenter in Odenwald, Ried und dem Landkreis Darmstadt-Dieburg sein. RBV-Geschäftsführerin Selina Müller sagte den Landwirten zu, dass sich der Verband um die Anliegen und Probleme der Mitglieder kümmere. Neben der Vernetzung mit Akteuren aus Politik und Wirtschaft im Verbandsgebiet hilft das Team des RBV Starkenburg laut Müller auch bei Hofübergaben und steht den landwirtschaftlichen Betrieben als Mediator zur Seite. Wichtig ist ihr das Feedback der Mitglieder. „Wir brauchen ihre Rückmeldungen für unsere Arbeit“, sagt sie. „Sonst wissen wir nicht, was Sie beschäftigt.“ Zudem stehe den Mitgliedern tageweise ein Anwalt für rechtliche Fragen zur Verfügung.
AS – LW 40/2025