Auch Öko-Bauern müssen von Zuchtfortschritten profitieren
Kleegras- und Grünlandsaaten mit ökologisch vermehrten Sorten
Auf ökologisch wirtschaftende Betriebe kommt zunehmend die ausnahmslose Verpflichtung zum Einsatz von ökologisch produziertem Saat- und Pflanzgut zu, schrittweise nach Kulturarten. Grundsätzlich ist das kein Problem. Problematisch wird es jedoch, wenn Betriebe dadurch vom Einsatz leistungsstarker beziehungsweise vom Markt geforderter Sorten ausgeschlossen werden, weil ausgerechnet diese Sorten nicht ökologisch vermehrt werden. Bei Dauergrünland oder mehrjährigem Ackerfutterbau wäre dieser Ausschluss noch fataler, da Sortenentscheidungen Auswirkungen für mehrere Jahre haben beziehungsweise das Herzstück des Ökolandbaus, den mehrjährigen Kleegrasanbau, im Mark treffen. Hermann Böcker vom Kompetenzzentrum für ökologischen Landbau (KÖL) Rheinland-Pfalz am DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück berichtet über das zähe Ringen auf LänderÂebene von zuständigen Behörden, Saatgutanbietern und Beratung um eine tragfähige Lösung des verpflichtenden Saat- und Pflanzguteinsatzes.

Foto: Böcker
Vermehrung vermehrt im Ausland zu finden
Bei genauerer Betrachtung ist jedoch zu vermuten, dass besonders im Bereich der Feinleguminosen und Gräser die Vermehrung eher aus Deutschland abwandern wird. Zum einen ist das Risiko der ökologischen Futterpflanzenvermehrung ungleich höher als im konventionellen Anbau. Das Fehlen von Stickstoff und Herbiziden sind hier ursächlich anzuführen. Zum anderen findet die konventionelle wie auch ökologische Saatgutvermehrung von Gräsern und Feinleguminosen aufgrund besserer Standortbedingungen bereits schon jetzt vor allem außerhalb von Deutschland statt. Somit ist bei den meisten Gräser- und Kleearten Deutschland Nettoimporteur. Bei den Feinleguminosen kann von einem Selbstversorgungsanteil von rund 15 Prozent ausgegangen werden. Rotklee, Luzerne und auch späte Sorten des Deutschen Weidelgrases werden vor allem in Frankreich produziert. Die Vermehrungsflächen des Deutschen Weidelgrases liegen vor allem in Dänemark. Die Hauptvermehrungsflächen von Weißklee sind in Neuseeland zu finden. Die Wiesenrispe wird vor allem in den USA produziert. Die Vermehrung von Lieschgras ist nach Kanada abgewandert.
Öko-Saatgutvermehrer für Gräser und Feinleguminosen gesucht
Dass jedoch eine erfolgreiche Gräser- und Feinleguminosenvermehrung auch unter ökologischen Anbaubedingungen in Rheinland-Pfalz und angrenzenden Bundesländern möglich ist, zeigen Beispiele aus der Praxis. Dennoch suchen Saatgutfirmen schon jetzt händeringend nach zusätzlichen Vermehrern für Öko-Saatgut. Und die Notwendigkeit einer ausreichenden Versorgung mit ökologisch vermehrten Sorten steigt noch mehr mit den Bestrebungen der EU, zukünftig bei immer mehr Arten keine Ausnahmen bei der Verpflichtung zum Einsatz von Öko-Saatgut zu erlauben. Auch von nationaler Seite wird es immer enger mit den Ausnahmemöglichkeiten. Im Rahmen der BMEL-Zukunftsstrategie Ökologischer Landbau werden in Arbeitsgruppen Handlungsempfehlungen erarbeitet, die Mitte 2017 vorliegen sollen. Eine vorgeschlagene Handlungsempfehlung zur Durchsetzung von mehr Öko-Saatgut ist der Vorschlag der Erhebung einer Lenkungsabgabe auf konventionelles Saatgut. Dieses wird von Bund Deutscher Pflanzenzüchter (BDP) und der Fachberatung als Eingriff in den Markt abgelehnt. Alternativ wird vorgeschlagen, zur Förderung der heimischen Öko-Saatgutvermehrung von Gräsern und Feinleguminosen Beihilfen einzuführen, wie es sie in der Vergangenheit bereits schon einmal gegeben hat. Inwieweit sich eine solche Förderung durchsetzen lässt, ist derzeit unklar. Aber auch bei solchen Förderungen bleibt es unstrittig, dass eine Öko-Vermehrung nicht bei allen Arten in Deutschland möglich sein wird.
„Kategorie I“ bei Rotklee und Dt. Weidelgras?
Zurzeit sieht die Situation für den Landwirt noch bei Rot- und Weißklee und bei allen Gräsern, außer Welschem Weidelgras, wie folgt aus: Ist eine gewünschte Sorte einer Art nicht in ökologischer Qualität verfügbar, so kann er nach Vorlage einer Einzelgenehmigung auf die konventionelle Sorte zurückgreifen. Dieses darf jedoch weder mit chemisch-synthetischen Beizmitteln behandelt worden sein, noch darf es unter Einsatz von gentechnischen Methoden erzeugt worden sein. Die ökologische Verfügbarkeit der Sorte ist über die Internetdatenbank organicXseeds dokumentiert. Für das Deutsche Weidelgras und für Rotklee wurde den zuständigen Behörden die Einführung der ausschließlichen Verpflichtung von Öko-Saatgut, einer sogenannten Kategorie I, für 2016 empfohlen. Vor allem Rheinland-Pfalz hat einer solchen unqualifizierten Einführung widersprochen. Vergleicht man die derzeit in Deutschland empfohlenen Sorten mit den ökologisch verfügbaren Sorten, so stellt man ein zunehmendes Auseinanderklaffen der Schere fest. Nur 17 Prozent aller amtlich empfohlenen Sorten des Deutschen Weidelgrases wurden im letzten Jahr auch in ökologischer Qualität angeboten. Beim Rotklee sind es aktuell 33 Prozent. Daneben werden etliche Sorten, die ökologisch vermehrt werden, nicht beziehungsweise in Einzelfällen auch ausdrücklich nicht empfohlen. So ist die Hälfte aller öko-vermehrten Rotkleesorten in keiner offiziellen Empfehlung zu finden. Da es im Ökolandbau bundesweit kein eigenes Grünland- und Ackerfutterbauversuchswesen gibt, greift auch der ökologische Landbau auf die Ergebnisse des konventionellen Sortenversuchswesens zurück.
Öko-Sortenempfehlung für Grünland und Ackerfutter
In Rheinland-Pfalz gilt daher als vereinbart, dass die Sortenempfehlung für Grünland und Ackerfutterbau, dargestellt in der QSM-Broschüre des DLR Eifel (siehe auch Beitrag Fisch, Steilen in dieser Ausgabe), auch für den ökologischen Landbau gilt. Immerhin werden in Rheinland-Pfalz, wie auch in den anderen Bundesländern, auch Ausdauerversuche auf ökologisch bewirtschafteten Flächen als Bestandteil der Sortenprüfung durchgeführt. Bei den Mischungsempfehlungen gibt es jedoch Abweichungen zu den konventionellen Empfehlungen. Dieses gilt vor allem bei den mehrjährigen Öko-Kleegrasgemenge (Tabelle). Bei der Grünlandnachsaat mit Deutschem Weidelgras unter ökologischer Wirtschaftsweise werden nur mittlere und späte Sorten empfohlen. Der Zusatz von Weißklee ist Standard.

Foto: Böcker
Sorten mit allgemeiner Standorteignung
Wird die ausnahmslose Verpflichtung zum Einsatz ökologischer Sorten einer Kulturart eingeführt (Kategorie I), gilt sie bundesweit. Aus Sicht der zuständigen Behörden wird als Voraussetzung für die Einführung einer Kategorie I bei einer Kulturart zunächst geprüft, ob eine ausreichende Versorgung mit ökologisch vermehrten Sorten gegeben ist. Ist dieses der Fall, so müssen zur Aufrechterhaltung der Kategorie I in der Regel mindestens zwei Öko-Sorten und zwei Anbieter am Markt sein. Einer solchen „unqualifizierten“ Kategorie I stehen die oben erwähnten fachlichen Bedenken entgegen. Um hier den Landwirten gerecht zu werden, ist eine Orientierung an der Verfügbarkeit empfohlener Sorten unerlässlich. Da die Kategorie I jedoch bundesweit Gültigkeit hat, sind die unterschiedlichen Sorten-Empfehlungen der Bundesländer/überregionalen Anbaugebiete zur berücksichtigen
Auffällig ist, dass die zwei aufgrund ihrer agronomischen Eigenschaften wichtigsten Ackerfutterrotkleesorten nicht in ökologischer Qualität vorliegen. Andere Sorten, die aus Sicht der Stängelbrenneranfälligkeit problematisch angesehen werden, wie zum Beispiel Taifun und Titus, sind dagegen Standardsorten in der Öko-Vermehrung. Beim Deutschen Weidelgras sind in den Höhengebieten von Rheinland-Pfalz neben den Ertragseigenschaften ebenfalls Ausdauer beziehungsweise Winterhärte und Rostresistenz wichtige Sorteneigenschaften. Im Vergleich der Ländersortenempfehlungen kristallisieren sich Sorten heraus, die sehr häufig in den Empfehlungen auftreten. Diese Eigenschaft bildet einen geeigneten Indikator, um bundesweit eine Öko-Verfügbarkeit von Spitzensorten sicherzustellen. Sind ausreichend dieser Sorten auch in ökologischer Qualität vorhanden, so ist davon auszugehen, dass auch Öko-Landwirte unter den Empfehlungssorten ausreichend wählen können. Länderspezifische Regelungen können dann entfallen.
Arbeitskreis Ökologischer Landbau fordert mehr Praxisnähe
Der Arbeitskreis Ökologischer Landbau des Verbandes der Landwirtschaftskammern (VLK) spricht sich aufgrund der dargelegten Zusammenhänge daher für eine „qualitative“ Einführung der Kategorie bei den Kulturarten Deutsches Weidelgras und Rotklee aus. Diese sieht beim Deutschen Weidelgras vor, dass mindestens vier empfohlene Sorten je Reifegruppe und Verwendungszweck in Öko-Qualität verfügbar sein müssen, mit einem Wiederfindungsanteil von mindestens 75 Prozent in den Sortenempfehlungen der Bundesländer/Anbaugebiete. Für die Einführung einer Kategorie I beim Rotklee erhält man folgende fachliche Voraussetzung für notwendig: mindestens zwei Sorten mit mindestens 75 Prozent Übereinstimmung in den Sortenempfehlungen der Bundesländer/Anbaugebiete und eine Anfälligkeit für Stängelbrenner und Kleekrebs von jeweils 4 oder besser (BSA-Liste, beziehungsweise vergleichbare Bewertungen).
Zwei weitere Tabellen zur Länderempfehlung Rotklee und zu allen empfohlenen Sorten sind im Internet unter www.lw-heute.de (Service, Download) zu finden beziehungsweise in der Redaktion erhältlich.
– LW 12/2016