Was kann man rechtlich gegen Cyber-Mobbing tun?

Nachgefragt bei Rechtsanwalt Rainer Seimetz

Wenn jemand über das Internet derart gequält wird, dass er dies selbst nicht mehr verhindern beziehungsweise unterbinden kann, dann macht es gegebenenfalls Sinn, rechtliche Schritte zu ergreifen. Rechtsanwalt Rainer Seimetz von der GenoRecht Rechtsanwaltsgesellschaft in Friedrichsdorf informiert im Interview darüber, was Mobbingopfer tun können.

Rainer Seimetz ist Rechtsanwalt bei der GenoRecht Rechts-anwaltsgesellschaft mbH, Niederlassung Friedrichsdorf, die vorrangig Landwirte in allen Rechtsgebieten vor Gericht vertritt.

Foto: Mohr

LW: Welche rechtlichen Maßnahmen können Opfer, die über das Internet gemobbt werden, ergreifen?
Rainer Seimetz:
Grundsätzlich gelten auch im Internet die allgemeinen Persönlichkeitsrechte, die zum einen strafrechtlich geschützt sind, in gewissem Umfang auch durch das Zivilrecht. Je besser man einen möglichen Täter kennt, beziehungsweise je mehr Spuren ein Täter hinterlässt, umso besser ist er natürlich habhaft zu machen und gegen ihn wegen der Verletzung von Persönlichkeitsrechten vorzugehen. Das ist in einem relativ anonymen Medium wie dem Internet allerdings schwierig, allenfalls über sie sogenannte IP-Adressen der PCs. Und das ist nicht ganz so einfach. Wenn dann auch noch von ausländischen Internetseiten auf ausländischen Servern die Attacken passieren, ist es schier aussichtslos, einen Verantwortlichen zu greifen. Kurz gefasst: Die rechtlichen Möglichkeiten sind ziemlich bescheiden.

LW: Es gibt Fälle, bei denen Bilder eine Person im Netz bloßstellen. Hat das Opfer ein Recht am eigenen Bild?
Seimetz:
Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes ist auch grundsätzlich das Recht zu bestimmen, ob und wenn ja welche Fotos von einem selbst veröffentlicht werden. Eingeschränkt ist dieses Recht unter anderem zum Beispiel bei Personen der Zeitgeschichte. Wenn Bilder, die jemand selbst, sozusagen als Jugendsünde ins Netz gestellt hat, benutzt werden, könnte ja darin eine Einwilligung in die weitere Veröffentlichung dieses Bildes gesehen werden. Daher wird ja auch allenthalben gerade vor dem Einstellen dieser „Jugendsünden-Bilder“ ins Netz gewarnt. Verunstaltungen, wie sie im Zusammenhang mit Schulen und Schülern immer wieder auftreten, sind sicherlich nicht von einer Einwilligung gedeckt. Aber auch hier gilt: Wie wollen Sie einen anonymen Täter stellen?

LW: Kann man das Löschen von Daten verlangen? Wie geht man vor?
Seimetz:
Mit dem Löschen von Daten haben ja gerade die Bauern im vergangenen Jahr so ihre Erfahrungen gemacht. Höchstrichterlich ist festgestellt worden, dass die Betriebsprämien nicht mehr auf einer Seite im Internet veröffentlicht werden dürfen. Die offiziellen Seiten sind dann zwar abgeschaltet worden. Es sind aber dennoch mehrfach diese Internetseiten und einmal eingestellten Daten in völlig anderen Kontexten wieder aufgetaucht. Soll heißen: Eine Datei, ein Bild, das einmal ins Internet gestellt worden ist, ob von einem selbst oder von anderen, ist im Ergebnis nicht rückholbar und damit auch nicht löschbar. Daher heißt es auch hier: höchste Vorsicht bei den Jugendsünden-Bildern wie bei allen Bildern und Dateien mit privatem Inhalt.

LW: Kann das Opfer gegebenenfalls Schmerzensgeld geltend machen?
Seimetz:
Auch hier gilt: Ansprüche kann ich nur gegen den geltend machen, den man habhaft machen kann, also wenn ich einen Täter kenne, oder, wie beschrieben, bestenfalls über eine IP-Adresse oder „de“-Domain. Letzteres ist aber nicht so ganz einfach. Dass es nicht unmöglich ist, zeigt der Fall einer Frau, deren Kopf digital auf eine Nacktaufnahme gesetzt worden ist und die einen Schadensersatzanspruch von 9 000 Euro im Jahr 2008 erstritten hat. Neben dem beschwerlichen zivilrechtlichen Weg bleibt, wie beschrieben, der strafrechtliche Weg. Aber auch da spielen viele Faktoren mit, bis es zu einer Verurteilung eines Täters kommt.

LW: Wer zahlt den Rechtsstreit?
Seimetz:
Es gilt der alte Grundsatz „wer verliert, bezahlt“. Dringt ein Opfer mit seinen Ansprüchen nicht durch, hat es natürlich alle die Kosten zum Beispiel eines zivilrechtlichen Verfahrens zu zahlen. Anders mag es im strafrechtli­chen Verfahren aussehen, das ge­ge­be­nenfalls durch eine Anzeige bei der Polizei in die Wege geleitet werden kann. Aber auch hier besteht das Risiko, dass ein unschuldig Angezeigter im Strafverfahren Rechte, auch finanzieller Art, zugesprochen erhält. Dann bleibt man selbst dort als „gefühltes“ Opfer auf Kosten sitzen.

LW: Für diejenigen, die eine Rechtsschutzversicherung haben: Übernimmt diese die Kos­ten?
Seimetz:
Eine Rechtsschutzversicherung mag sicherlich Kosten übernehmen. Aber vor jedem Verfahren empfiehlt es sich, eine Deckungszusage bei der Versicherung zu holen. Gegebenenfalls scheiden bei dieser Prüfung schon Deckungszusagen aus, denn die Versicherungen wissen natürlich auch um die Schwierigkeiten der Durchsetzung der Ansprüche.

LW: Inwieweit sind Landwirte von dem Problem Cyber-Mobbing betroffen?
Seimetz:
Landwirte sind erst einmal wie alle anderen Menschen von diesem Problem betroffen. Ich weiß, dass es gerade zum Thema der Veröffentlichungen der Direktbeihilfen im Internet eine Menge an grenzwertigen Kommentierungen auf irgendwelchen Internet-Plattformen gegeben hat, die aber wegen der Anonymität des Internets nicht weiter verfolgt werden konnten. Ein aktuelles Beispiel hat sich im Bereich Hanau abgespielt. Dort musste sich ein Landwirt vor Gericht dafür verantworten, ein Rehkitz bei der Mahd einer Wiese getötet zu haben; ein Vorgang, der immer wieder vorkommt und sich wegen der Verhaltenseigenarten von Rehen und ihren Kitzen oftmals nicht vermeiden lässt. Das Amtsgericht hat das Verfahren eingestellt, aber das Internet war voll von Schmähungen und Beleidigungen gegen den „tierquälenden“ Landwirt, selbst mit Angabe seines Namens. Andererseits blieben die Kommentierenden im Internet allesamt anonym. Der Vorwurf, als Tierquäler bezeichnet zu werden, dürfte durchaus einen Straftatbestand erfüllen, aber auch hier die Frage: Wie habhaft werden?

Die Fragen stellte Stephanie Lehmkühler