Der richtige Preis für den richtigen Markt
22. Wein-Marketingtag: Wertschätzung durch Positionierung
Vor einem Plenum mit rund 300 Teilnehmern diskutierten Experten aus der Weinwirtschaft beim 22. Wein-Marketingtag Rheinland-Pfalz am Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Rheinpfalz (DLR) in Neustadt über die Kostenrechnung im Weingut. Wie kann es gelingen, den richtigen Preis für den richtigen Markt zu finden und welche Rolle spielt dabei die Positionierung des Weinguts als Marke?
In seinem Grußwort rief Dr. Günter Hoos, Dienststellenleiter des DLR Rheinpfalz die Weingüter dazu auf sich, in Zeiten eines stabilen Weinmarktes und einer bemerkenswerten Marktakzeptanz für rheinland-pfälzische Weine, noch besser am Markt zu positionieren und Innovationen zu entwickeln. Mit dem Beratungs- und Weiterbildungsangebot der DLR bietet das Land dabei eine gute Unterstützung.Dr. Jürgen Oberhofer, Gruppenleiter Weinbau am DLR Rheinpfalz und Experte für Kostenrechnung, warf einen kritischen Blick auf die Wertschöpfung im Weingut: „Eine kostenorientierte Preisbildung ist so gut wie nicht möglich, da nicht alle Kosten so einfach einer Flasche Wein zugeordnet werden können.“ Oberhofer rät zu einer Mischform aus kosten- und wettbewerbsorienÂtierter Preisbildung. Durch die EtablieÂrung einer Marke könne es Weingütern gelingen höhere Preise durchzusetzen: „Der Kunde ist bereit für Markenprodukte mehr zu zahlen als die reinen Produktionskosten.“
Das bestätigte auch Prof. Dr. Marc Dressler, Leiter des Dualen Studiengangs am Weincampus Neustadt: „Wer Wertschöpfung generieren möchte, der muss sich durch einen Mehrwert differenzieren.“ Dieser Mehrwert kann durch Genuss, Regionalität, Qualität, besondere Vertriebswege und vor allem Emotionen geboten werden. Diese Attribute leisten einen wichtigen Beitrag zum Aufbau und zur Positionierung einer Marke. „Besonders bei Premium- und Luxusprodukten tritt der funktionale Nutzen des Produktes in den Hintergrund und der emotionale Nutzen steigt“, so Dressler.
Auf die Zielgruppe abgestimmte Angebote
Für eine durchdachte Preisfindung raten Dressler und Oberhofer Erträge und Kostenvorteile auszuschöpfen, die Bereiche Marketing und Vertrieb als eine wichtige Säule im Betrieb zu festigen. Attraktive und auf die Zielgruppe abgestimmte Angebote sollten über unterschiedliche Absatzkanäle vertrieben werden, um die bestmögliche Wertschöpfung zu erreichen. Die Bedürfnisse des Handels und der Gastronomie rückte Jürgen Hartmann von der Weinagentur Hartmann aus Guntersblum in den Mittelpunkt seines Vortrages, der unter dem Titel „Wiederverkäufer im Fokus“ stand. Bei der Zusammenarbeit mit Fachhändlern rät Hartmann exklusive Produkte anzubieten, die über keine weiteren Kanäle vertrieben werden. „Ebenso wichtig wie die regionale Exklusivität (nur ein Fachhändler pro Region) ist ein einheitliches Preis- und Kondititionssystem für den Fachhandel. Dabei spielt der direkte Kontakt zwischen Händler und Winzer eine bedeutende Rolle“, weiß der Vertriebler.
Preispolitik im Weingut online abgefragt

Foto: Andrea Kerth
Jochen Dreißigacker aus Bechtheim gelang das Kunststück innerhalb kürzester Zeit in die nationale Weinspitze Deutschlands vorzustoßen. Sein Wein mit dem Namen „Wunderwerk“ schaffte es auf die Weinkarte des Staatsbanketts für US-Präsident Barack Obama. Seit seinem Einstieg in das Weingut 2001 ist er konsequent seinen Weg gegangen: Dreißigacker hat den Betrieb auf ökologischen Weinbau umgestellt, den Anbau intensiviert, Erträge reduziert und schließlich die Stilistik der Weine Schritt für Schritt verfeinert. Er setzt auf kompromisslose Qualität, bei der er die Eigenständigkeit seiner Lagen in den Wein bringt. „Herkunft zeigen und charakterstark sein, das ist für mich oberste Prämisse“, so der Jungwinzer. Für den Vertrieb seiner Weine ist es ihm wichtig, starke Partner zu suchen und diese zu unterstützen. 70 Prozent seiner Weine vermarktet Dreißigacker über die Gastronomie, die für ihn ein wichtiges Bindeglied zum Markt und zum Kunden darstellt.
Prof. Dr. Ulrich Orth von der Universität Kiel machte deutlich, dass „mehr Wert“ nur mit „mehr Marke“ möglich ist. „Ein durchsetzbarer Preis muss aus Markenkonzept, Produkt und Zielgruppe abgeleitet werden“, rät der Experte für Markenmanagement. „Eine Marke verleiht dem Produkt einen Mehrwert und löst eine Zahlungsbereitschaft aus, die über dem Wert des Produktes steht“, so Orth. Für prämierte Weine ist der Kunde bereit, Preisaufschläge zu akzeptieren.
Bei der Erstellung eines Markenkonzeptes sollten sich Winzer auf ihre Stärken besinnen und klar aufzeigen, welchen Nutzen ihre Marke bietet, welche Werte sie kommunizieren möchten. „Wählen Sie Eigenschaften, die überzeugen und glaubhaft sind.“ Stories zum Produkt und das Verpackungsdesign sind weitere Stellschrauben, die die Werte einer Marke widerspiegeln. Orth unterstrich den direkten Kontakt zum Winzer oder den Besuch einer WeinreÂgion als Erlebnis in der Umgebung der Marke: „So entsteht eine stärkere Bindung an die Marke. Es wird ein Markenwert generiert, der nachhaltig wirkt.“
Seinen eigenen Weg gehen und Blick über Tellerrand wagen
Thomas Pfaffmann baut das Pfälzer Weingut Wageck-Pfaffmann zur Marke „Wageck“ um, nicht nur durch ein neues Design und schlankeres Sortiment. „Es ist wichtig seinen eigenen Weg zu gehen und dabei den Blick über den Tellerrand zu wagen“, rät der Jungwinzer. Seit seinem Einstieg in das Weingut 2005 hat sich Pfaffmann klar mit seinen Stärken positioniert. Die Marke Wageck steht für mineralische, individuelle Chardonnay und Spätburgunder von Kalkböden der Nordpfalz.
Durch konsequente Qualitätsstrategie ist es gelungen vom Image eines Massenweinproduzenten eine „hochwertigen Art der neuen Positionierung“ umzusetzen. Entsprechend der Devise „Ein Wein der nichts kostet, ist nichts wert“, hat Pfaffmann die Preise erhöht. Was zunächst zum Wegfall bestehender Kunden geführt hat, ermöglicht heute den erfolgreichen Vertrieb von 70 Prozent über Fachhandel, Gastronomie und Export. Im Anschluss an die Veranstaltung konnten sich die Teilnehmer von der Individualität und Qualität der DreißigÂacker- und Wageck-Weine überÂzeugen.
Kathrin Saaler – LW 46/2015