„Die Rübe hat uns gerettet“
Wetterauer Zuckerrübenanbauer tagten
Von einem herausfordernden Jahr für den Zuckerrübenanbau war am Wetterauer Rübentag die Rede. Die Witterung sei schwierig gewesen, aber durch hohes Engagement aller Beteiligten sei eine gute Zuckerernte eingefahren worden.
Foto: Becker
Er dankte allen Rode- und Abfuhrgemeinschaften sowie Fahrern für das große Engagement in der Ernte, die durch den immer wieder einsetzenden Regen äußerst herausfordernd gewesen sei. Hier sei auch große Umsicht nötig gewesen, um die auf die Rüben folgenden Aussaaten nicht zu gefährden.
Im Durchschnitt liegenden Zuckerertrag
Dr. Rainer Schechter, CEO der Zucker Division bei der Südzucker AG, konnte trotz der beschriebenen Widrigkeiten einen guten, im Durchschnitt liegenden Zuckerertrag vermelden – allerdings mit großer Variation und niedrigen Zuckergehalten von um die 16 Prozent. „Ein Extrem-Beispiel ist Belgien, wo wegen der Nässe im Frühjahr die Rüben erst Mitte Mai gedrillt werden konnten, dann aber ein sehr guter Zuckerertrag von 14,6 t/ha eingefahren wurde. Das war das beste Ergebnis der Südzuckergruppe von Frankreich bis Rumänien.“ In Deutschland werden für 2023 13 t/ha erwartet.
Außer der Zuckerertrag (-3 Prozent) liegen alle Zahlen der Südzuckergruppe, die Dr. Schechter für 2023 vorstellte, im Plus: Anbaufläche plus 9 Prozent, Rübenertrag plus 7 Prozent, Theoretischer Zuckerertrag (Tonnen Zucker pro HekÂtar) plus 4 Prozent, Zuckerertrag aus Rüben plus 14 Prozent und auch die Kampagnetage sind von 107 auf 122 gestiegen. Den geringen Zuckergehalt führte der CEO auf die teilweise problematische Rübenqualität zurück, die wiederum durch Krankheiten hervorgerufen worden sei.
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Wegen der zunehmenden Krankheits-Problematik habe man eine SBR-Taskforce ins Leben gerufen, die in Zusammenarbeit mit verschiedenen Institutionen und Verbänden alle diesbezüglichen Aktivitäten Bündeln und Koordinieren soll. „Wir müssen den zu erwartenden deutlichen Zuckerertragssenkungen entgegenwirken“, so Schechter.
Positive Unternehmensergebnisse
Das operative Ergebnis der Südzucker bezifferte der Geschäftsführer auf 860 Mio. und den Umsatz auf 7,8 Mrd. Euro, wobei der Bereich Zucker, neben Spezialitäten (Pizza) und Frucht (Fruchtzubereitungen, Fruchtsaftkonzentrate), diesmal deutlich zum positiven Ergebnis beigetragen habe. Rückläufig waren die Geschäftsbereiche Stärke (deutlich weniger Nachfrage nach zum Beispiel Kartonagen) und CropEnergies (Ethanol).
Der Zuckermarkt zeige sich derzeit vom Preisniveau her sehr positiv, was sich aber wegen sinkenden Verbrauchs und steigenden Beständen bald ändern dürfte, so Schechter. Insgesamt habe sich die Diversifizierung des Unternehmens deutlich positiv auf die Ergebnisse ausgewirkt.
Moritz Vorholzer von der Rübenabteilung Wabern/Offstein blickte auf die nun fast abgeschlossene Kampagne zurück. „Trotz des schwierigen Jahres sind die Erträge sehr gut, allerdings bei schwachen Zuckergehalten. Die Rübe kann halt doch nicht alles kompensieren“, resümierte er. Und es könne schon sein, dass hier ein unterschwelliger SBR-Befall zu diesem Ergebnis beigetragen habe.
Verglichen mit Rheinhessen, 76,1 t/ha, und Hessen-Pfalz, 72,4 t/ha, habe die Wetterau mit einem Ertrag von 82,6 t/ha sehr gut abgeschnitten. Aus der schwierigen Ernte im Herbst 2023, die zum Teil keine Winterweizen-Aussaat erlaubte, weil die „Äcker schlimm aussahen“, sollten die Landwirte folgende Lehre ziehen: „Nicht warten, wenn der Roder da ist!“ In diesem Zusammenhang wies er auf die Ausgestaltung der Frühlieferprämie hin, die bei erhöhtem Zuwachs entsprechend angehoben werde.
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SBR und Stolbur, Lösung dringend gesucht
Über die Ausbreitung und mögliche Gegenmaßnahmen hinsichlich der Rübenkrankheiten SBR (Syndrome Basses Richesses) und Stolbur informierte Michael Lenz vom Pflanzenschutzdienst Hessen. Er zeigte anhand von Monitoring-Ergebnissen, wie sich SBR zuletzt in den südhessischen Regionen bis in die Wetterau weiter ausgebreitet hat. „SBR verringert den Zuckergehalt um bis zu 25 Prozent und wird durch die Schilf-Glasflügelzikade übertragen, ebenso das Stolbur-Phytoplasma, Letzteres wird auch von Windenglasflügelzikaden verbreitet. Beide Erreger hemmen die Entwicklung der befallenen Pflanzen massiv. Die Zikaden übertragen diese bakteriellen Erreger beim Saugen an den Rübenblättern, die Nymphen beim Saugen an den Wurzeln; diese sind besonders schwer zu bekämpfen. Der Erreger von SBR behindert den Nährstofftransport der Pflanze (Gefäßbündelverbräunung). Mit Stolbur befallene Rüben sind zwar erntefähig, können jedoch nicht lange gelagert werden“, informierte der Experte. Ein relativ neues Problem sei nun die Anpassung der Zikaden und des Stolbur-Erregers an die Kartoffel. „Wenn Sie Rüben und Kartoffeln anbauen, fliegen die Zikaden bevorzugt in die Kartoffeln ein“, so Lenz. Und er betonte: Gegen beide Erreger gibt es bisher keine Bekämpfungsmöglichkeit. Die Sortenwahl kann bei SBR eine Reduktion bewirken, nicht aber bei der Stolbur-Welkekrankheit. Innerhalb der Fruchtfolge solle man auf Ackerkulturen setzen, die den Ausschlupf der im Boden lebenden Zikaden-Nymphen verringert. Das bedeute: Nach der Rübe kein Wintergetreide, besser Sommergerste.
Zur Ausbreitungssituation machte Lenz klar: „SBR ist in Hessen landesweit angekommen und der Befall wird sich weiter ausbreiten. Auch in Nordhessen ist in den nächsten Jahren mit zunehmendem Befall zu rechnen. Ob der Zuckerrübenanbau auch in Zukunft weiterhin wirtschaftlich betrieben werden kann, hängt maßgeblich davon ab, ob dieses Krankheitsgeschehen eingedämmt werden kann.“ Für kleinere Flächen könnte man über Netzabdeckungen nachdenken. Es werde derzeit aber intensiv an verschiedenen Stellen an Lösungsmöglichkeiten für dieses Problem geforscht. Außerdem habe sich noch kein natürliches Gleichgewicht mit eventuellen Gegenspielern des Schädlings eingestellt, hier kommen beispielsweise Spinnen in Frage, wagte Lenz einen Blick in die Zukunft.
Anmerkungen zum Anbau 2024
Über aktuelle Sorten- und Pflanzenschutz-Empfehlungen referierte im Anschluss Sebastian Adam von der ARGE Südwest. Grundsätzlich sei die Sortenwahl davon abhängig, welche Krankheiten oder Schädlinge in der Fläche vorhanden sind, und ob es diesbezüglich tolerante beziehungsweise resistente Sorten gibt. „Vor allem stellt sich diese Frage beim Nematodenbesatz“, so der neue Berater und Nachfoger von Harald Bauer als Versuchstechniker bei der ARGE Zuckerrübe Südwest. Bei der Beizausstattung gelte die Empfehlung von 2023 weiter (Insektizid: Force 20 CS; Fungizide: Tachigaren 70 WP und Rampart). „Bei den Insektiziden wird die Wirkstoffpalette immer schmaler, so dass ein effektives Resistenzmanagement kaum noch möglich ist“, so Adam. Hinsichlich der Herbizide machte er auf das Zulassungsende von Debut aufmerksam; Triflusulfuron-haltige Mittel müssen bis zum 20. August aufgebraucht werden.
KB – LW 5/2024