Bei Rückstellproben äußerst penibel vorgehen
Sowohl bei der Verfütterung als auch bei der Vermarktung von Getreidepartien stellt sich die Frage nach deren Qualität und Inhaltstoffen. Wie man entsprechende Proben gewinnt und verwertet, fragte das LW Kajo Hollmichel, Fachberater Tierproduktion beim LLH in Kassel.
Kajo Hollmichel: Bei der Vermarktung und der Verfütterung von Futtergetreide ist insbesondere die Kenntnis des Energie- und Rohproteingehaltes von entscheidender Bedeutung für die Erstellung einer bedarfsgerechten Rationsgestaltung und die Einschätzung des tatsächlichen Marktwertes des Getreides. Ohne dieÂse Kenntnis kann eine Rationsberechnung nur mit Durchschnittswerten erfolgen, was äußerst ungenau ist, da die Streuung der Inhaltsstoffe erfahrungsgemäß groß ist. Dies führt entweder zu einer Unter- oder Ãœberversorgung der Tiere.
LW: Wie kommt man zu einer repräsentativen Probe?
Hollmichel: Es liegt auf der Hand, dass eine Getreideprobe von etwa 1000 g, an beliebiger Stelle einem Silo entnommen, in dem 100 t Getreide lagern, keine zuverlässigen Zahlen über die Qualität der gesamten Partie liefern kann. Mit langen Stechzylindern und Einstichen an mehreren Einstichstellen lässt sich aus befüllten Hochsilos, offenen Schüttkegeln von Getreide oder offenen Getreidekammern in Flachlagern eine Mischprobe gewinnen, aus welcher anschließend die erforderlichen 1000 g Endproben-Material gewonnen werden.
Die Gewinnung einer repräsentativen Probe erfordert folgendes Vorgehen: Die gesamte Partie wird in einzelne, gleich große Teilmengen unterteilt, die Quadratwurzel aus der Gesamtmenge in Tonnen liefert die Anzahl der erforderlichen Einzelproben. Bei einer Getreidepartie mit 210 t Weizen ergibt die Quadratwurzel 14,49. Die Getreidekammer wird nun gedanklich in 15 etwa gleich große Teile zerlegt und aus jeder eine Einzelprobe von 1000 g gewonnen. Nach gründlichem Vermischen der Einzelproben wird daraus die Endprobe gezogen, die aus etwa 1000 g Probematerial bestehen soll.
Auch in Flachlagern ist die Probenahme oft mit Stechzylindern angezeigt. Am besten ist es daher, wenn bei der Einlagerung der Ernte, möglichst von jedem Erntewagen, eine „Handvoll“ beiseitegelegt wird.
Bei derartigem Vorgehen erhält man wirklich repräsentative Proben, die sowohl eine gute Rückstellprobe als auch eine gute Probe für die Futteranalyse darstellen.
LW: Welche Informationen liefert eine Futteranalyse, welche verschiedenen Anbieter gibt es, und was kostet sie?
Hollmichel: Prinzipiell kann man nahezu alle Inhaltsstoffe analysieren lassen. Es ist alles nur eine Frage des Preises und der Notwendigkeit. Zumindest eine Nah-Infrarot-Spektroskopie-Analyse (NIRS-Analyse) sollte generell Standard bei der Verfütterung von Getreide sein. Sie ist auch sehr kostengünstig und kostet zum Beispiel beim Landesbetrieb Hessisches Landeslabor (LHL) in Kassel 21 Euro pro Probe plus Mehrwertsteuer. Bei dieser Analyse werden die Rohnährstoffe (Rohprotein, Rohfaser, Rohfett, Zucker und Stärke) und die Frischmasse ermittelt. Die Kenntnis der Rohnährstoffe ermöglicht unter anderem die Energieermittlung und die Ableitung der Aminosäurengehalte vom ermittelten RohproteinÂgehalt. Andere HauptÂfutterkomponenten wie das Sojaschrot sollten ebenfalls zur bedarfsgerechten Rationsgestaltung untersucht werden.
Bei Verdacht auf Mykotoxine oder Schimmel sollte man zusätzlich, zunächst nur auf das Leittoxin Deoxynivalenol (DON), den kostengünstigen ELISA-Test durchführen lassen. Dieser kostet beim LHL 26,50 Euro plus Mehrwertsteuer pro Probe und Mykotoxin. Besonders bei der Untersuchung auf Mykotoxine ist es wichtig, dass die Probe als Futtermittel ausgewiesen ist. Bei erhöhten Gehalten erfolgt derzeit vom LHL keine Meldung an die zuständigen Behörden. Hier hat der LandÂwirt eigenverantwortlich zu entscheiden.
Bei starkem Auswuchs sollten zudem Keimzahlbestimmungen erfolgen, um nicht gegen gesetzliche futterhygienische Anforderungen zu verstoßen. Die Kosten hierfür liegen beim LHL bei 24 Euro plus Mehrwertsteuer für Hefen und Pilze und ebenso für Bakterien.
Alternativ können die Proben auch zu privaten Instituten, der Landwirtschaftlichen Untersuchungs- und Forschungsanstalt (LUFA) in Speyer, Münster oder Oldenburg gesandt werden.
LW: Welche Möglichkeiten bestehen, rechtlich belastbare Rückstellproben zu gewinnen, um im Streitfall bei der Vermarktung darauf zurückgreifen zu können?
Hollmichel: Bei Lieferung wird vom Handel obligatorisch eine Rückstellprobe genommen. Hiervon sollte der Landwirt ein möglichst identisches verplombtes oder nicht wiederverschließbares Duplikat inklusive Probenahmeprotokoll anfordern. Die Proben und Protokolle müssen von beiden Vertragspartnern unterzeichnet sein. Die Protokolle müssen enthalten, was wann geliefert wurde und müssen den Zusatz enthalten, dass sich beide Parteien im Streitfall bereit erklären die entsprechenÂden Rückstellproben als Beweisgrundlage zu akzeptieren. Nach dem gleichen Prinzip muss bei Lieferungen zwischen Landwirten verfahren werden. Die Probenahme muss unter AnÂwesenheit beider Vertragspartner erfolgen. Für jede Lieferung muss eine Rückstellprobe gezogen werden und auch in diesem Fall benötigen beide Parteien eine wie zuvor beschriebene Probe plus ein von beiden Vertragspartnern unterschriebenes Probenahmeprotokoll.
Wenn nicht derart penibel vorgegangen wird, dürften Rückstellproben meiner Ansicht nach kaum rechtlichen Bestand haben. KB