Wie sage ich es meinem Nachbarn?

Zur Entwicklung landwirtschaftlicher Betriebe in Stadtnähe

Jeder Landwirte mache sich Gedanken über die Fortentwicklung seines Betriebes, im Ballungsraum umso mehr. Sei es flächenmäßige Erweiterung, sei es Intensivierung vorhandener oder Hinzunahme neuer Betriebszweige – in jedem Falle seien Kontakte und auch Probleme mit Behörden und der Bevölkerung, den Nachbarn, zu erwarten. Dies sagte Karlheinz Gritsch, Vorsitzender des Frankfurter Landwirtschaftlichen Vereins (FLV), in der vergangenen Woche bei der Eröffnung des Vortragsabends.

Peter Seeger (l.) forderte vor allem bei betrieblichen Veränderungen und Erweiterungen zu mehr Öffentlichkeitsarbeit auf. FLV-Vorsitzender Karlheinz Gritsch (r.) leitete die rege Diskussion nach dem Vortrag.

Foto: Jörg Rühlemann

Peter Seeger aus Otzberg-Nieder-Klingen im Odenwald und Leiter eines 320-ha-Betriebs mit umfangreicher Schweinehaltung berichtete über seine Erfahrungen, da sein eigener Betrieb eine derartige Entwicklung durch­laufen hat.

Guten Gewissens argumentieren

Zu Beginn seines Vortrages über „Wie sage ich es meinem Nachbarn? Entwicklung von Betriebskonzepten im Ballungsraum“ rief Seeger den Anwesenden unter anderem zu: „Seien Sie stolz, Lebensmittel zu produzieren in einer Qualität, wie es sie in der Menschheitsgeschichte noch nicht gegeben hat.“ Stolz sollten die Landwirte auch sein, dass sie umweltschonend wirtschaften, die Kulturlandschaft pflegen und dabei umfangreiche behördliche Auflagen einhalten. Das alles seien Voraussetzungen, um guten Gewissens mit der nichtlandwirtschaftlichen Bevölkerung, unseren Nachbarn, zu reden.

2000 stieg Seeger nach landwirtschaftlicher Ausbildung mit Auslandsaufenthalt, Besuch der Höheren Landwirtschaftsschule in Borken und einer Teilnahme am Trainee-Programm der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft in den 1955 ausgesiedelten Familienbetrieb ein, der schon 1980 auf Schweinehaltung mit rund 100 Sauen und 700 Mastplätzen spezialisiert wurde. Hinzu kamen Landhandel für Getreide und Düngemittel sowie Direktvermarktung von Fleisch und Wurst mit eigener Schlachtung. Letztere ist nicht weiter ausgebaut worden, dafür aber die Sauen- und Mastschweinehaltung, für die er zusammen mit seiner Frau zuständig ist. In der Schweinehaltung sind noch acht feste Mitarbeiter und ein Auszubildender tätig.

Für die weitestgehend eigenmechanisierte Außenwirtschaft ist der Vater zusammen mit einem festen Mitarbeiter und Erntehelfern zuständig. Die Mutter erledigt die Direktvermarktung.

Die Schweinehaltung des Betriebes Hof Seeger wurde ständig ausgebaut, zum Teil in Nachbardörfern: 1998 Übernahme eines Maststalles mit 1 400 Plätzen, 1999 Aufstockung auf 220 Sauen in Nieder-Klingen, 2003 Pacht eines Maststalles mit 1 400 Plätzen, 2006 Bau eines Maststalles mit 1 440 Plätzen, 2007 Aufstockung auf 450 Sauen in Nieder-Klingen, 2009 Kauf eines Sauenbetriebes in Bickenbach mit 550 Plätzen. Zudem wurde 2007 ein neues Getreidelager für 2 500 Tonnen gebaut, 2012 ist eine neue zentrale Mahl- und Mischanlage vorgesehen. Der Ausbau der Veredelungswirtschaft erfolgte auch im Vertrauen auf die Vorteile des Ballungsraumes Rhein-Main wie: Viele Verbraucher, Nähe zu Binnenhäfen, zentrale Lage in Deutschland, geringe Viehdichte, keine Zusatzkosten für Gülleverwertung, wenig Wohnbebauung im Außenbereich.

Tierschutzfanatiker observierten

Schon die ersten Erweiterungsmaßnahmen riefen fanatische vermeintliche Tierschützer auf den Plan. 2004 erfolgte eine regelrechte Observierung eines Maststalles über ein halbes Jahr lang. Unter professioneller Vermeidung von strafbaren Taten (kein Einbruch, keine Sachbeschädigung) wurden unter anderem Fotos einzelner kranker oder verendeter Tiere veröffentlicht und eine regelrechte Medienkampagne inszeniert. Das mobilisierte Veterinäramt stellte jedoch im Besichtigungsprotokoll fest: „Ein ganz normaler Schweinestall.“

Bündel von Maßnahmen

„Für uns löste die ganze Aktion die Ãœberlegung aus, was als Betrieb gegen solche konzentrierten Angriffe zu tun sei“, erinnerte sich Seeger. Das Motto „alle in den Stall und ihnen zeigen, dass angebliche Missstandsfotos nicht betrieblicher Alltag sind“ sei der Anstoß zu einem Bündel von Maßnahmen gewesen, die sich unter dem Begriff Öffentlichkeitsarbeit zusammenfassen lassen. Dazu gehören: Führungen für Kindergärten, Schulen, Verbände, Vereine, Kollegen und Studenten, aktive Pressearbeit, ehrenamtliches Engagement und eigene Homepage mit Informationen über unseren Betrieb.

Das Umfeld „mitnehmen“

Aus den Initiativen und Erfahrungen von Hof Seeger ließe sich für die Landwirtschaft als Ganzes ableiten, dass das Umfeld, die Nachbarschaft, „mitgenommen“ werden müsse. Dazu gehörte es, Multiplikatoren zu informieren und auch die so genannte schweigende Masse zu gewinnen. Diese sei oft positiver eingestellt als angenommen und sie zu überzeugen sei „wichtiger als einzelnen Schreihälsen entgegen zu treten“, ist sich Seeger sicher. Auch beim in diesem Jahr begonnenen Bau einer Biogasanlage auf dem Hof Seeger durch die Firma UDI sei frühzeitig Pressearbeit geleistet und die Bevölkerung intensiv informiert worden. Durch den Bau eines Nahwärmenetzes auch für benachbarte Wohngebäude entstünden ihr daraus auch Vorteile.

Öffentlichkeitsarbeit notwendig

Öffentlichkeitsarbeit sollte auch „wertgeschätzt“ werden. Doch leider sei eine selbst nur im Promillebereich des Umsat­zes von den Berufskollegen mitfinanzierte Branchenkommunikation nicht zustande gekommen, bedauert Seeger, der im Interessenverband der Schweinehalter aktiv ist, bei der Deutschen Land­wirtschaftsgesellschaft setzt er sich bei praktischen Prüfun­gen von Stalleinrichtungen, im Ausschuss Schweineproduktion, als Mitglied des Gesamtausschusses und im Beirat des Testzentrums Groß-Umstadt für den Berufsstand ein. Zudem ist Seeger kommunalpolitisch tätig.

Das gesellschaftliche Umfeld des Landwirtes bei allen Entscheidungen und Aktivitäten zur betrieblichen Fortentwicklung mitzunehmen und zwar rechtzeitig schon im Vorfeld der geplan­ten Maßnahmen, und die berufsständische Öffentlichkeitsarbeit zu unterstützen, forderte Seeger seine Berufskollegen abschließend auf.

Rü