„Der Süden hat seine Vorzüge in der Regionalität“

Werner Schwarz bei Versammlung des RBV Starkenburg

Rund hundertfünfzig Mitglieder und viele Ehrengäste informierten sich bei der mitgliederoffenen Vertreterversammlung des Regionalbauernverbands (RBV) Starkenburg in Traisa. RBV-Vorsitzender Dr. Willi Billau begrüßte als Ehrengäste den Präsidenten des Hessischen Bauernverbandes, Friedhelm Schneider und Werner Schwarz, den Präsidenten des Bauernverbands Schleswig-Holstein, der gleichzeitig Vizepräsident beim Deutschen Bauernverband ist und über die Öffentlichkeitsarbeit der Landwirtschaft sprach.

RBV-Vorsitzender Dr. Willi Billau.

Foto: Kirsten Sundermann

Auf dem Podium hatten weite­re Ehrengäste Platz genommen, Politiker ebenso wie Vertreter verschiedener, landwirtschaftlich orientierter Organisationen. HBV-Präsident Friedhelm Schnei­der griff das Problem des immensen Flächenverbrauchs auf, das gerade in Südhessen rasant verlaufe und damit besonders zu Lasten der wirtschaftenden Betriebe gehe. Speziell sprach Schneider die geplante Aufspiegelung im Hessischen Ried an.

In ihren Grußworten bedauerte der frühere stellvertretende Vorsitzende des RBV und heutige Landrat des Odenwaldkreises, Dietrich Kübler, den „Drang der Menschen vom Lan­d in die Metropolen“, der eine geringere Finanzausstattung im ländlichen Raum zur Folge habe. MdL Karin Wolff freute sich, dass es Ende vergangenen Jahres gelungen war, einen „Zukunftspakt“ zwischen der Landwirtschaft und der Politik abzuschließen.

Sonderkulturbetriebe mit großen Einbußen für 2013

Dr. Billau ging auf die aktuelle Lage der Betriebe in der Starkenburer Region ein. Der Spargel lasse auf sich warten, und die Jungpflanzenzüchter hätten ebenfalls große Probleme mit der kalten Witterung. Ausführlich ging der Vorsitzende auf die Leistungen ein, die der Verband für seine Mitglieder anbietet, wie etwa Beratung in Steuerfragen, bei einer Hofübergabe, der Altersrente oder bei Berufsunfähigkeit. „Öffentlichkeitsarbeit ist uns sehr wichtig“, meinte er darüber hinaus. So führe der Verband auch alljährlich die Landwirtschaftliche Woche Südhessen durch, beteilige sich an Bauernmärkten, und gemeinschaftlichen Veranstaltungen. Die Vorstandsmitglieder des RBV seien darüber hinaus in Gremien und Ausschüssen des Hessischen Bauernverbands vertreten und würden sich dort für die Interessen der Mitglieder einsetzen.

Zwei Präsidenten und eine Königin: Werner Schwarz (Schleswig-Holstein), Hessens Milchkönigin Charlotte Horn und Friedhelm Schneider (Hessen).

Foto: Kirsten Sundermann

Geschäftsführer Peter Gheorgean stellte den Jahresabschluss vor. Er wies auch darauf hin, dass zurzeit in Zusammenarbeit mit der TH Darmstadt ein neuer Verbraucherratgeber erstellt werde. Hierfür wurde eine spezielle „App“ entwickelt, die es problemlos ermöglicht, auf die Internetdarstellung der beteiligten Direktvermarkter-Betriebe zuzugreifen. Passenderweise nennt sich der neue Ratgeber denn auch „APPetit auf Region“. Die in der Vorgänger-Broschüre gelisteten Betriebe werden in den nächsten Tagen angeschrieben mit dem Angebot, kostenneutral an dem neuen Projekt teilzunehmen. Weitere Interessierte können sich beim Bauernverband melden.

Die Amtsperiode mehrerer Mit­glieder des Vorstands endete mit der Jahreshauptversammlung. Alle erklärten sich bereit, ihr Ehrenamt fortzuführen und alle wurden einstimmig in ihren Positionen bestätigt. Die Führungsspitze kann damit weiterhin auf Gerhard Jung (Sprecher des Landkreises Groß-Gerau) und Hubert Wolf (Sprecher des Landkreises Offenbach) zählen, sowie auf Winfried Knaup, Martin Allmenröder, Stefan Ruckelshaußen, Karl-Heinz Luley und Wolfgang Dörr. Geehrt wurden darüber hinaus Erich Zöller, der frühere Dezernent für Landwirtschaft im RP Darmstadt und Walter Roth vom Arbeitskreis Landwirtschaft und Kirche. Der Ortsbauernverband Trebur wurde für seine guten Leistungen in der Öffentlichkeitsarbeit und der Ortsbauernverband Groß-Bieberau für seine aktive Landjugend ausgezeichnet.

„Weht der Wind im Norden anders?“

Werner Schwarz, Präsident des Bauernverbandes Schleswig Holstein, berichtete über Sorgen und Nöte, aber auch Erfolge seiner Landwirte und hielt einen spannenden Vortrag mit dem Titel „Weht der Wind im Norden anders?“ Ãœberraschend für die südhessischen Berufskollegen war sein klares Votum gegen staatliche Regulierungsmaßnahmen. „Es gab bei uns nie eine wirkliche Diskussion um die Milchquote“, sagte er beispielsweise. Diese habe eindeutig ausgedient, und die Nord-Betriebe richteten sich seit langem auf die Zeit nach 2015 ein.

Zwei Präsidenten und eine Königin: Werner Schwarz (Schleswig-Holstein), Hessens Milchkönigin Charlotte Horn und Friedhelm Schneider (Hessen).

Foto: Kirsten Sundermann

Stattdessen werde in Schleswig-Holstein in den Strukturwandel investiert. „Bei den Kühen denken unsere Milchbauern heute nicht mehr an die zusätzliche Aufstallung von 20 oder 30 Milchkühen, sondern es wird meist gleich für die nächsten hundert geplant“, meinte er. Ähnliches gelte für die Sauen. Hier würden nicht selten Ferkelpartien von achthundert bis tausend Stück mit einer Lieferung geordert. Nicht alle Betriebe würden indes auf Wachstum setzen und kämen bei einer soliden Eigenkapital- und einer ausreichenden Eigenland-Ausstattung auch so ganz gut zurecht, relativierte er. Wichtig sei jedoch, sich möglichst vor einer geplanten Investition die Frage zu stellen, ob man mit hohen Schulden später gut schlafen könne.

Die „begrenzenden Faktoren“ seien letztlich nicht beim Kapital zu suchen, sondern darin, ob ausreichend Land und Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. In Schleswig-Holstein, mit der unmittelbaren Nähe zum Hochlohnland Dänemark, sei der Kampf um diese beiden Güter in wachstums­willigen Betrieben heftig entbrannt. Um Fremdarbeitskräfte halten zu können, müssten die Betriebsleiter daher lernen, mehr „Personalverantwortung“ zu übernehmen.

Nähe zum Markt muss genutzt werden

Bei allem Optimismus blicke man in Schleswig-Holstein dennoch mit „Neid“ auf die Vermarktungsmöglichkeiten im Süden. Sie selbst müssten ihre Produkte „jenseits der Elbe“, wenn nicht gar in Drittländern vermarkten und würden unter dem Begriff „Regionalität“ den „gesamt-norddeutschen Raum“ verstehen. Im Rahmen des Beitritts der neuen Bundesländer habe der Norden zudem mehrere Schlachthöfe verloren. Die Betriebe müssten für Schlachtschweine im Durchschnitt nunmehr einen Transportweg von rund 340 Kilometer einkalkulieren.

Schwarz plädierte für mehr Offenheit und Transparenz. Er selbst geht mit gutem Beispiel voran. So war er damit einverstanden, dass in seinem Schweinestall eine Webcam installiert wurde, die das realistische Alltags-Leben und Verhalten der Tiere Tag und Nacht aufzeichnet. „Damit haben wir das Bildermonopol der Gegner gebrochen“, meinte er. Denn bislang seien glückliche Schweine immer nur auf der grünen Wiese unterm Apfelbaum dargestellt worden, während Fotos, die bei nächtlichen Einbrüchen im Stall von Mastschweinehaltern geschossen wurden, ausschließlich ein jämmerliches Bild vom Schwei­neleben vermittelten. Dieser Eindruck habe sich nun relativiert.

Probleme nicht von Politik, sondern Bürgerinitiativen

Die großen Probleme der Zukunft erwartet Schwarz nicht von der Politik, sondern von den Bürgerinitiativen und Naturschutzverbänden. Auch wenn die­se nicht politisch legitimiert seien, müsse man dennoch das Gespräch mit ihnen suchen. Grundsätzlich sei es wichtig, sich mit Andersdenkenden zusammen zu setzen, Meinungen auszutauschen und zu einer Verständigung zu gelangen. Das könne man üben. So gebe es beispielsweise Seminare, bei denen Landwirte lernen, wie sie bei geplanten Baumaßnahmen schon im Vorfeld ihre Mitbürger „mitnehmen“ können.

Sundermann – LW 14/2013