Von der technischen Amme bis zur Betriebskalkulation

Bei Schülerprojekten steht der Praxisbezug im Vordergrund

Bei der Mitgliederversammlung des Agrartechnikerverbandes Fritzlar stellten drei Absolventen der Fachschule für Agrarwirtschaft in Fritzlar die Ergebnisse ihrer im letzten Jahr bearbeiteten Schülerprojekte vor. Schulleiter Dr. Lothar Koch erläuterte, dass alle Studierenden der Fachschule Fritzlar während ihres zweijährigen Schulbesuches eine umfangreiche Projektarbeit anfertigen und stellte die drei „Staatlich geprüften Betriebswirte-Fachrichtung Agrarwirtschaft“ vor.

Christian Fiege führte Versuche zum Projekt „Babyferkel-Aufzuchtvergleich durch.

Foto: Fachschule für Agrarwirtschaft

Bei der Projektarbeit geht es darum, über einen längeren Zeitraum eine praktische Versuchsan­stellung selbst durchzuführen, diese auszuwerten und schließlich die Ergebnisse darzustellen. Bei der Auswahl der Projektthemen wird auch darauf geachtet, dass eine für den Schülerbetrieb aktuelle Problemstellung untersucht wird. Die Ergebnisse werden in einer schriftlichen Ausarbeitung dokumentiert und abschließend einer Prüfungskommission sowie den Mitschülern der Klasse vorgestellt. Die drei höchstbewerteten Projekte des letzten Absolventen­jahrgangs wurden auf der Mit­glie­­der­ver­sammlung des Agrar­techniker­verbandes vorgestellt.

Kälbertränke: süß oder sauer?

Konstanze Andreas berichtete über ihr Projekt „Vergleich von Süß- und Sauertränke in der Kälberaufzucht.“ Andreas bewirtschaftet zusammen mit ihren Eltern einen Milchviehbetrieb mit circa 100 Kühen in Fritzlar- Geismar. Im elterlichen Betrieb führte sie ebenfalls ihre Versuche durch. Das Ziel ihres Projek­tes bestand darin, die täglichen Gewichtszunahmen der Kälber zu erhöhen, die Durchfallerkrankun­gen zu reduzieren und den Arbeitzeitaufwand pro Tier und Tag zu sen­ken. In zwei sehr aufwändigen Versuchsdurchgängen verglich sie die Leistungen zweier Kälber- Versuchsgruppen. Eine aus zwölf Kälbern bestehende Kontrollgruppe wurde wie bisher im Betrieb üblich mit einer warmen Süßtränke rationiert getränkt.

Dr. Lothar Koch (l.) stellte die vortragenden Staatlich geprüften Betriebswirte vor.

Foto: Fachschule für Agrarwirtschaft

Eine zweite Gruppe mit vierzehn Kälbern erhielt eine rationierte warme Sauertränke. Bei wöchentlichen Wiegungen der Tiere und intensiver Tierbeobachtungen kam sie zum Ergebnis, dass die täglichen Zunahmen der mit warmer Süßtränke getränkten Kälber mit durchschnittlich 824 g pro Tag höher lagen, als die der mit Sauertränke getränkten Tiere (772 g pro Tag). Außerdem stellte Andrea fest, dass die Tränkekurve der Kälber optimiert werden sollte, weil diese ansonsten zu schwer werden. Die Häufigkeit und Schwere von Durchfallerkrankungen konnte mit der Sauertränke jedoch nicht reduziert werden.

Mehr Tierbeobachtung nötig

Als Konsequenz des Projektes will Konstanze Andreas die Süßtränke als Standardtränke in ihrem Betrieb beibehalten und die Tierbeobachtung künftig intensivieren. „Mit Hilfe meines Projektes habe ich einen wesentlich besseren Ãœberblick über unsere Kälber erhalten. Wir verfügen nun über ein schlüssiges Konzept für unsere Kälberaufzucht und wissen, dass eine weitere Optimierung möglich ist“, stellte sie abschließend fest.

Erkenntnis aus Babyferkelversuch

Martin Knaust aus Gudensberg ging der Frage nach, welche Technisierung zur Futtervorlage im Milchviehbetrieb optimal ist.

Foto: Fachschule für Agrarwirtschaft

Christian Fiege führte Praxisversuche zu einem Projekt mit dem Thema „Babyferkel-Aufzuchtvergleich zwischen natürlicher und tech­nischer Amme“ auf dem elterlichen Betrieb in Jesberg- Hundshausen durch. Dabei ging er auf die Herausforderungen bei besonders großen Würfen ein, die bei starkem Zuwachs der biologischen Leistungen in Zuchtsauenbeständen auftreten. Ein Problem entstehe dann, wenn die höhere Zahl geborener Ferkel pro Wurf zu geringeren Geburtsgewichten führe oder zum starken Absäugen der Sauen, beziehungsweise zum Auseinanderwachsen der Ferkel, erläuterte Fiege. In seinem Projekt untersuchte er deshalb, mit welcher Amme (natürlich oder technisch) die Ferkelverluste im elterlichen Betrieb zu minimieren sind.

In seiner Studie stellte Fiege die tägli­chen Zunahmen zweier Ferkelgruppen in vier Durchgän­gen fest und ermittelte sämtliche Kosten für die Ferkelaufzucht mit einer natürlichen sowie mit einer technischen Amme. Die Ergebnisse seines Projektes zeigten, dass der Einsatz einer technischen Amme aus biologi­scher Sicht durchaus sinnvoll sein kann, da im Vergleich zur natürlichen Ammensau (195 g pro Ferkel und Tag) auch respektable tägliche Zunahmen von 176 g je Ferkel und Tag erzielt wurden. „Aus ökonomischer Sicht ist die Anschaffung einer technischen Amme für unseren Betrieb mit 130 Sauen nicht sinnvoll“, schlussfolgerte Fiege. Die Kosten pro Ferkel seien auch bei optimaler Nutzung der technischen Amme rund 50 Prozent höher, als bei der Aufzucht mit einer natürlichen Ammensau.

Selbstbefüller und Selbstfahrer?

Konstanze Andreas informierte über Süß- und Sauertränken in der Kälberaufzucht.

Foto: Fachschule für Agrarwirtschaft

Das dritte Projektmit befasste sich zum Thema „Futtermisch­wagen im Vergleich – Selbstbefül­ler und Selbstfahrer.“ Dies stellte Martin Knaust aus Gudensberg vor. Im elterlichen Betrieb sind täg­lich 130 Kühe plus weibliche Nachzucht zu versorgen. Das hat zur Folge, dass bei der Fütterung weite Wege zurückgelegt werden müssen, um die zahlreichen Futterkomponenten in einen Futter­mischwagen zu laden und zu mi­­schen. Beim bisherigen Einsatz eines gezogenen Selbstbefül­ler-Mischwagens werden ein Schlep­per und ein Stallschlepper dauerhaft benötigt.

Auch der Futterverlust an der Siloanschnittfläche und die Fut­terhygiene sind aus seiner Sicht nicht optimal. So kam in seinem Projekt eine Selbstfahrer-Vorführmaschine (Dreipunktfahrwerk, 128-PS-Motor, 13 m3 Mischbehälter mit Mischschnecke, 2-m-Entnahmefräse, Futteraustrag links) zum Einsatz und wurde mit dem betriebseige­nen, gezogenen Selbstbefüller- Mischwagen (15 m3 Mischbehälter mit zwei Mischschnecken, 2,2 m breites Schneideschild, Futteraustrag beidseitig) verglichen.

Betriebliche Voraussetzungen

Unter diesen betriebli­chen Bedingungen ergab sich, dass mit dem Selbstfahrer eine Ersparnis von 18 Minuten pro Tag, das entsprechen 107 Stunden im Jahr, möglich ist. Auch wurden weniger Futterverluste und sauberere Anschnittflächen am Silo festgestellt. Ferner sei besonders bei schlechtem Wetter der komfortablere Arbeitsplatz (Kabine) auf dem Selbstfahrer und der einfa­chere Umgang mit der Maschine von Vorteil. „Die Maschine hat uns überzeugt“, stellte Knaust fest. Für seinen Betrieb sei der Selbstfahrer zum Zeitpunkt der Projektdurchführung aber noch zu teuer gewesen. Die Mehrkos­ten hätten pro Tonne Silage bei etwa 2,55 Euro und umgerechnet auf die Jahresfuttermenge von 2 080 t bei insgesamt 5 296 Euro pro Jahr betragen. Bezogen auf eine Kuh seien dies Mehrkosten in Höhe von 47,5 Euro pro Jahr.

Kostendegression nutzen

Dies stelle sich aber bei höherer Auslastung der Maschine anders aus. Denn schon bei einer Jahresfuttermenge von 3 300 t würden sich die Mehrkosten halbieren und bei 4 800 t pro Jahr seien die Kosten des Selbstfahrers nicht mehr höher, sagte Knaust. Da er inzwischen mit einem Nachbarbetrieb zusammenarbeite und seinen Bestand aufstocken will, sei die Wirtschaftlichkeit eines Selbstfahrers künftig gegeben und die Entscheidung zum Kauf einer solchen Maschine sei gefallen.

Dem Vorstand des Agrar­tech­ni­kerverbandes Fritzlar war es mit der Vorstellung dieser drei Schülerprojekte gelungen, besonders aktuelle und praxisnahe Fragestellungen in der Landwirtschaft aufzugreifen und diese im Rahmen der Mitgliederversammlung zu erörtern. Vorsitzender Michael Kraft freute sich über die Beiträge der drei Absolventen über ihre Projektarbeiten und würdigte ihre Leistungen.

Dr. Lothar Koch, LLH Fritzlar, Fachschule für Agrarwirtschaft – LW 2/2013