Welche Themen bewegen derzeit die Kammer?

Interview mit Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz

Ursprünglich sollte die Vollversammlung der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz am 9. Dezember in Worms stattfinden. Dies war aufgrund der hohen Inzidenzwerte durch Corona nicht mehr möglich. Das LW hat Ökonomierat Norbert Schindler, Präsident der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz, und den neuen Direktor der Kammer, Dr. Markus Heil, befragt, was sie bewegt.

Dr. Markus Heil erhält den symbolischen Schlüssel von Kammerpräsident Norbert Schindler. „Ich möchte mit dem Schlüssel nichts zuschließen, sondern ihn zum Auf- und Erschließen nutzen, ganz im Sinne unseres Auftrags für die landwirtschaftlichen Betriebe“, sagte der neu ernannte Direktor in seiner Antrittsrede. Wie ein Schließzylinder müsse die Mechanik stets gepflegt werden, er werde sich „Mühe geben, diese Mechanik zu pflegen und intakt zu halten.“

Foto: lwk

LW: Welche Probleme drücken die Kammer derzeit?

Ökonomierat Schindler: Das Land stattet die Kammer zur Erfüllung ihrer Aufgaben finanziell entsprechend aus, und da hat es sogar Steigerungen gegeben. Aber: Wir müssen zwischen Auftragsangelegenheiten sowie freiwilligen und verpflichtenden Selbstverwaltungsaufgaben unterscheiden. Während die Auftragsangelegenheiten zwar knapp, aber ausreichend finanziert sind, klafft bei den Selbstverwaltungsaufgaben eine große Lücke. Zu den Pflichtaufgaben in der Selbstverwaltung gehören die Raumordnung und die berufliche Bildung. Bei Übernahme dieser Pflichtaufgabe wurde die finanzielle Ausstattung noch in D-Mark berechnet. Zwischenzeitlich hat es aber immense Kostensteigerungen gegeben, und bei der Bildung hat das Land eine Mitfinanzierungspflicht. Gäbe es die Kammer nicht, müsste das Land die berufliche Bildung in den Grünen Berufen übernehmen, und Bildung soll in Rheinland-Pfalz doch kostenfrei sein. Kurz gesagt: Wir brauchen 1,1 Millionen Euro mehr. Minister Dr. Wissing steht der Forderung übrigens offen gegenüber.

LW: Wie möchte der neue Kammerdirektor die Kammer zukünftig aufstellen?

Dr. Heil: Im Vordergrund soll die Dienstleistung stehen, daran möchten wir uns orientieren. Bei der Beratung wollen wir unsere Fachkompetenzen weiterhin stetig ausbauen, um individuell und kompetent, aber auch immer auf dem neuesten Stand beraten zu können. Ein weiterer Schwerpunkt liegt bei der Unterstützung der Verbände, mit welchen wir schon immer konstruktiv zusammenarbeiten. Auch bei Gesetzgebungsverfahren wollen wir weiter aktiv mitarbeiten und unsere Expertise einbringen.

LW: Gibt es Änderungen bei der Infrastruktur der Landwirtschaftskammer?

Schindler: Wir beschäftigen uns seit einigen Jahren schon mit der Zusammenlegung der Dienststellen Wittlich und Trier. Sowohl eine Aufforderung des Landesrechnungshofs wie auch eigene Berechnungen zur Effizienzsteigerung und Kostenreduzierung stehen dahinter. Zur Zeit befinden wir uns in konkreten Verhandlungen und ich bin zuversichtlich, dass wir mittelfristig einen neuen Standort beziehen können.

LW: Gibt es neue Aufgaben für die Kammer, und welche Entwicklungen sind bei den Dienstleistungen festzustellen?

Dr. Heil: Wir merken deutlich, dass der Beratungsbedarf bei den Betrieben zunimmt. Da geht es um Unternehmensentwicklung, Einkommensdiversifizierung oder um die Betriebsübergabe, wenn etwa ein Generationenwechsel bevorsteht. Zunehmend bieten wir den Zugang zu Antrags- und Meldeverfahren online an. Da möchte ich stellvertretend das Weininformationsportal nennen, das den Winzern zahlreiche komfortable Lösungen zur Verfügung stellt.

LW: Welche Entwicklung gibt es bei den Themen Ausbildung und Raumordnung?

Schindler: Wir freuen uns, dass die Ausbildungszahlen in den Grünen Berufen stabil sind. Der Bedarf an Fachkräften in den Betrieben ist nach wie vor hoch. Dabei muss man generell berücksichtigen, dass man auch den Quereinsteigern den Einstieg in die Grünen Berufe ermöglicht.

In der Raumordnung sehen wir den hohen Flächenverbrauch für die nicht landwirtschaftliche Nutzung kritisch. Diese Entwicklung entzieht den Betrieben nach und nach ihre Existenzgrundlage. Landwirtschaft und Naturschutz beziehungsweise Wasserschutz schließen sich nicht aus, im Gegenteil: In Kooperationen liegen die Lösungen für unsere gemeinsamen Herausforderungen.

LW: Welche Aufgabe kommt der Kammer beim neuen Weinbezeichnungsrecht zu?

Dr. Heil: Die Reform des Weingesetzes verlagert immer mehr Kompetenzen zu den Schutzgemeinschaften. Daraus folgt mehr Arbeit und Verantwortung für diese Gremien. Wir stellen fest, dass wir aufgrund unserer Aufgaben und der uns zur Verfügung stehenden Daten zur Unterstützung fundierte Beiträge liefern können. Dabei erwarte ich, dass sich die spezifischen Regelungen der rheinland-pfälzischen Anbaugebiete mittelfristig mehr voneinander unterscheiden werden. Wir müssen uns vor allem hinsichtlich unserer EDV-Systeme auf diese Entwicklung vorbereiten.

LW: Wie kann man sich die Diversifizierung in den Anbaugebieten vorstellen?

Dr. Heil: Das Geoschutzsystem im EU-Recht, das die Grundlage für die geschützten Ursprungsbezeichnungen („g.U.“) ist, funktioniert meiner Meinung nach nur dann, wenn sich die geschützten Herkünfte qualitativ hervorheben.

So ist zu erwarten, dass sich die Anbaugebiete in einen positiven Wettbewerb zueinander begeben, der zum Beispiel in unterschiedlichen Qualitätsanforderungen, Herstellungsregelungen und Mindeststandards münden könnte.

LW: Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie auf die Arbeit der Kammer-Mitarbeiter?

Schindler: Die Erledigung jener Aufgaben, von welchen die Betriebe in ihrer täglichen Arbeit abhängig sind, muss gewährleistet sein. Das ist das oberste Prinzip. Dazu gehört beispielsweise die amtliche Qualitätsweinprüfung mit Erteilung der Prüfungsnummer als Voraussetzung für die Vermarktung von Qualitätswein. Wo es ohne Nachteile für die Aufgabenerfüllung möglich ist, bieten wir den Mitarbeitern Homeoffice an. Die umfangreichen Hygiene- und Abstandsmaßnahmen, die wir in allen Bereichen unserer täglichen Arbeit eingeführt haben, erschweren und verteuern die üblichen Abläufe, sind aber ohne Alternative.

Elke Setzepfand – LW 52/2020