„Wir sind aus dem Tunnel raus“

Wetterauer Rübentag zieht Bilanz und schaut nach vorn

Der Verband Wetterauer Zuckerrübenanbauer hat auf seinem Rübentag in Wölfersheim vergangene Woche zusammen mit der Division Zucker der Südzucker AG bei einem schwierigen Anbaujahr eine insgesamt positive Bilanz gezogen. Trotz schwächerer Erträge und gestiegener Kosten habe man aufgrund der guten Preise und vorausschauenderPlanung finanziell besser abgeschnitten als im ertragsmäßig besseren Vorjahr.

„Bedingt durch die sommerliche Dürre konnten wir nur knapp 72 t Rüben mit einem Zuckergehalt von 16,5 Prozent ernten. Dennoch haben wir finanziell besser abgeschnitten als 2021“, so Verbandsvorsitzender Dr. Mattias Mehl.

Foto: Becker

Der Verbandsvorsitzende Dr. Matthias Mehl sprach von einer Kampagne mit Licht und Schatten. Bedingt durch die sommerliche Dürre seien nur knapp 72 t Rüben mit einem Zuckergehalt von 16,5 Prozent geerntet worden. „Dennoch haben wir finanziell besser abgeschnitten als 2021“, so Mehl. Das sei auch der strategischen Planung der Südzucker in den zuletzt schwierigen Jahren zu verdanken. Die neue Marktordnung sowie sinkende Preise und Anbauflächen hätten zwar zu schmerzlichen Stilllegungen von Werken geführt, die damit verbundene bessere Auslastung der verbliebenen Zuckerfabriken und Kostensenkungen machten sich aber jetzt bezahlt.

Der Turnaround ist geschafft

Dr. Rainer Schechter von der Südzucker-Division Zucker berichtete über aktuelle Entwicklungen im Unternehmen. 2022 sei im Durchschnitt zwar kein ertragreiches Rübenjahr gewesen, dennoch konnte er verkünden: „Wir sind aus dem Tunnel raus.“ Denn der Turnaround bei den Zucker-Preisen sei nun da. „Insgesamt ist der Weltmarkt knapp versorgt, und nicht alle Kunden konnten wie gewohnt bedient werden, was die Preise merklich nach oben trieb.

Hinsichtlich der Kosten habe die Südzucker sich rechtzeitig mit Gas versorgt, für Notfälle auch Heizöl bevorratet und al-

le Maßnahmen getroffen, die Verarbeitung nicht ins Stocken geraten zu lassen. „Außerdem haben wir die Abfuhr in Zusammenarbeit mit den Transportgruppen so organisiert, dass Rübenmengen aus Regionen mit höheren Erträgen in die Werke mit geringerer Anlieferung umgeleitet werden konnten, sodass die Auslastung der Fabriken und damit die Kosten optimiert werden konnten“.

Gute Preisaussichten auch für 2023

Die Unternehmensentwicklung bezeichnete Schechter als gut und bezifferte das operative Konzernergebnis für 2022/2023 auf 530 bis 630 Mio. Euro. „Besonders erfreulich hierbei ist, dass der Zucker wieder wesentlich zum Unternehmensgewinn beiträgt“, so der Leiter des Geschäftsbereichs Zucker.

Und er prognostizierte: Auf Basis des aktuell günstigen Marktumfeldes gehen wir für das Anbaujahr 2022 von einem Rübenpreis von über 50 Euro pro Tonne aus. Bisher gibt es auch keinerlei Anzeichen, dass sich dieses Niveau mit Blick auf das Anbaujahr 2023 verschlechtert. Allerdings müsse man die gestiegenen Produktions- und Transportkosten im Auge behalten.

Ackerbohnen-Verarbeitung im Werk Offstein

Im Rahmen der Konzernstrategie „2026 plus“ wolle die Südzucker-Gruppe ihr Proteinportfolio erweitern und aus regional angebauten Ackerbohnen Eiweiß für die Weiterverarbeitung in der Nahrungs- und Futtermittelbranche gewinnen. Dafür soll der Anbau von Ackerbohnen deutlich ausgeweitet und mittelfristig eine eigene Produktionsanlage zur Herstellung von Protein-Konzentrat am Standort Offstein (Rheinland-Pfalz) errichtet werden.

Als Herausforderungen, die der Südzucker-Konzern in den nächsten Jahren zu bewältigen habe, nannte Schechter die weitere Diversifizierung des Unternehmens, eine Anpassung des Anbaus an den Klimawandel, die Senkung des CO2-Ausstoßes in der Produktionskette, die Weiterentwicklung digitaler Lösungen, die Reaktion auf politischen und gesellschaftlichen Druck und hierbei vor allem den Verlust von Pflanzenschutzmitteln.

Langer Zuwachs im Herbst hat auch seine Risiken

Moritz Vorholzer von der Rohstoffabteilung in Wabern sprach über die abgeschlossene und die kommende Kampagne. Nach dem Start im September habe die Verarbeitung in Offstein knapp hundert Tage gedauert. „In dieser Zeit sind rund 15 000 LKW-Ladungen aus der Wetterau ins Werk Offstein gefahren.“Er führte aus, dass zwar nach der Dürre im Sommer noch einiges an Menge im Herbst zugewachsen sei, eine späte Rübenrodung aber auch ihre Risiken habe. „Die abgelaufene Saison hat uns gezeigt, dass die Einschätzung, die Rübe sei im Boden am besten aufgehoben, nicht immer zutrifft. Ein Spätbefall mit Krankheiten kann den bereinigten Zuckergehalt senken, durch vermehrte Verletzungen können die Atmungsverluste ansteigen, schlechtes Wetter und Frost im Spätherbst können die Ernte behindern, zu Fäulnis in der Miete führen und den Erd-anhang erhöhen; außerdem wird der Acker in Mitleidenschaft gezogen, was die Erträge des nachfolgenden Rübenweizens schmälern kann.“

Aus diesen Ãœberlegungen heraus habe man die Frühlieferprämie erhöht und bis zum 15. Oktober verlängert. „Zusätzlich haben wir die Abrechnungsmodalitäten besser an die Liquidität der Betriebe angepasst,“ so Vorholzer. Er riet im Ãœbrigen dazu, rechtzeitig Carbokalk zu bestellen, weil dieser 2021 schon früh ausverkauft gewesen sei.

Neuer Nachweis für Straßenverladung nötig

Ãœber eine neue, wenig erfreuliche Regelung bei der Straßenverladung informierte Eckhard Baumgarten vom Maschinenring Wetterau: Ab der Kampagne 2023 benötigt jeder, der eine Straßenverladung durchführen will, einen Schulungsnachweis gemäß Richtlinie RSA21. „Das heißt, es muss die Befähigung nachgewiesen werden, dass man Verkehrszeichen aufstellen kann und darf.“ Eine Schulung dafür finde am 28. Februar im Bürgerhaus Bönstadt statt, koste rund 75 Euro und dauere sechs bis acht Stunden. Anmelden kann man sich beim Maschinenring.

Cercospora bleibt dominierende Krankheit

Ãœber das aktuelle Krankheitsgeschehen im Zuckerrübenanbau berichtete Michael Lenz vom Pflanzenschutzdienst Hessen. „Nach wie vor ist Cercospora die alles dominierende Krankheit in der Zuckerrübe. Sie kann relativ schnell zu einem Zusammenbruch des Bestandes und damit zu erheblichen Ertragsverlusten führen“, so der Pflanzenschützer. Da Roste es eher kühl mögen, seien diese 2022 besonders spät aufgetreten und hätten kaum noch Schaden anrichten können.

Vermehrt aufgetreten sei dagegen der wärmeliebende Rhizopus-Pilz, der durch ein weißes Pilzmycel am Rübenkopf gut sichtbar ist und in der Folge zu faulen Rüben führt. „Diese Fäule breitet sich in der Miete zwar nicht weiter aus, die Krankheit ist allerdings nicht bekämpfbar“, sagte Lenz.

Die Ausbreitung von SBR setze sich in der Region weiter in Richtung Norden fort. Die durch die Schilf-Glasflügelzikade übertragene Krankheit habe mittlerweile quasi alle Bestände südlich des Mains erfasst. „Wirksame Insektizidmaßnahmen sind aktuell nicht verfügbar. Am meisten Erfolg verspricht derzeit der Einsatz toleranter Sorten“, so der Experte des Pflanzenschutzdienstes.

Hinsichtlich viröser Vergilbung konnte Lenz zunächst Entwarnung geben. Der scharfe Frost Mitte Dezember habe die übertragenden Blattläuse stark dezimiert. „Jetzt entscheidet die Frühjahrswitterung über die neuerliche Blattlausentwicklung. Mit einem starken, frühen Zuflug ist nicht zu rechnen.“ Ein insektizider Beizschutz sei lei-der nicht zugelassen; ab dem 6-Blatt-Stadium könne eine Bekämpfung der Blattläuse mit Teppeki erfolgen. Notfallzu-lassungen für Pirimor G und Mospilan SG wurden beantragt.

Sorten unter verschiedenen Befallsbedingungen

Axel Siekmann von der ARGE Südwest stellte die neuesten Sortenempfehlungen vor. „Wegen der vielen möglichen Toleranzen und Resistenzen gibt es zahlreiche Sorten, die je nach Standort und dessen Befallssituation individuell zum Anbau ausgewählt werden können“, führte Siekmann aus. Leider seien bei Rübenmotten und Rhizopus bisher keine Sortenunterschiede erkennbar.

„Geht es vor allem um Nematoden, ist Lunella die Sorte der Wahl; Annarosa kann ebenso empfohlen werden, bricht aber bei SBR-Befall ein. Gleiches gelte für Sorten, die im Conviso-Smart-System angeboten werden. Hier bietet eine KWS-Smart-Sorte in Verbindung mit dem Herbizid Conviso von Bayer die Möglichkeit, Unkräuter und Ungräser bei hoher Verträglichkeit der Rüben-Sorte effektiv zu kontrollieren – allerdings (noch) nicht unter SBR-Befall. In den südhessischen SBR-Gebieten ist Siekmann zufolge wiederum die Sorte Fitis vorne.

KB  – LW 5/2023