Fast vergessene Nutzungen von Wildpflanzen

Über den heutigen Einsatz von Schafgarbe, Gänse-Fingerkraut und Storchschnabel

Frühere Generationen wussten Wildpflanzen auf vielfältigste Art und Weise einzusetzen, sei es als Heilmittel, als Färbepflanze oder als Bierwürze. So manch eine Wildpflanze wird auch heutzutage noch in der Heilkunde eingesetzt oder neuerdings wieder in der Küche verarbeitet.

Schafgarbe lindert Nasenbluten, kann dieses aber auch auslösen.

Foto: Gisela Tubes

Die Gemeine Schafgarbe (Achillea millefolium) wird auch Tausendblatt genannt (lat. mille = tausend / folium = Blatt). Das erklärt sich von selbst, schaut man sich einmal die Blätter genauer an. Das zu den Korbblütern zählende Gewächs ist an Wegrändern, auf Wiesen und in Weiden zu finden. Die Blütenfarbe kann weiß oder auch rosa sein.

Heutzutage ist die Schafgarbe in der Heilkunde als Mittel gegen Frauenleiden und aufgrund der krampflösenden Eigenschaften auch gegen Verdauungsbeschwerden bekannt.

Fast vergessen ist, dass mit dem „Zimmermannskraut“ auch Wunden behandelt werden können. Dazu werden die Blätter zerrieben und auf die Wunde gelegt oder ausgepresst und der Verband damit getränkt. Schon der trojanische Held Achilles, auf den der lateinische Gattungsname Achillea zurückgeht, wusste um die wund- und blutstillende Wirkung dieses Krautes und ließ seine verwundeten Krieger mit der Schafgarbe behandeln. Dass ein Aufguss mit Schafgarbe, der mit der Nase hochgezogen wird, gegen Nasenbluten wirkt, ist auch in neueren Heilpflanzenbüchern vermerkt.

Für pfiffige Schulschwänzer

Die Schafgarbe wird auch Tausendblatt genannt.

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Die entgegengesetzte Wirkung des Krautes haben Schulkinder zum Schwänzen der Schule eingesetzt. Über Jahrhunderte war es bei ihnen beliebt, Blätter der Schafgarbe in die Nase zu stecken und mit dem Finger auf dieselbe zu klopfen. Dadurch wird Nasenbluten ausgelöst. Mit diesem Trick wurde so manch eine Schulstunde versäumt.

Fast vergessen ist auch, dass fette Speisen durch die Beigabe von Schafgarbe leichter verdaulich sind und dass die Benediktinermönche Schafgarbe als Bierwürze verwendeten, bevor sie vom Hopfen abgelöst wurde.

Da die Schafgarbe ein häufig auftretendes Wildkraut ist, wurde sie früher zum Färben von Wolle eingesetzt. Es ergeben sich gelbe oder braune Farbtöne. Blätter der Schafgarbe wurden als Zersetzungshilfe dem Kompost beigemischt. In einer alten Überlieferung aus dem 16. Jahrhundert heißt es, dass das Kauen der grünen Blätter Zahnschmerzen lindert.

Einlage für Holzschuhe

Heute noch wird das Gänse-Fingerkraut gegen Krämpfe aller Art eingesetzt. Früher wurden Holzschuhe mit Blättern des Gänse-Fingerkrautes ausgelegt.

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Ständig wird Gänse-Fingerkraut (Potentilla anserina) mit Füßen getreten. Aber das macht ihm nicht viel aus. Es wird sogar „Trittpflanze“ genannt, weil das Rosengewächs resistent gegen Tritt ist. Die Erneuerungsknospen liegen direkt über dem Erdboden, wo die silbrigen Blätter entspringen, die gelben Blüten und auch die roten Ausläufer. Wie bei der Erdbeere entwickeln sich an den Knoten der Ausläufer neue wurzelnde Triebe. Als Pionierpflanze vermag das Gänse-Fingerkraut verdichtete Böden somit rasch zu erobern. Die mehrjährige Rosettenpflanze gehört zu den Rosengewächsen und ist auf nährstoffreichen, verdichteten Böden an Wegen, Ufern und Bahndämmen, auf Schuttplätzen und Viehweiden anzutreffen. Die Blattunterseiten sind silbrig weiß behaart und werden bei Trockenheit aufgebogen. Durch diesen Verdunstungsschutz wird Licht und somit auch Wärme reflektiert, so dass weniger Wasser aus der Pflanze verdunsten kann.

Heutzutage ist das Gänse-Fingerkraut vor allem als „Krampfkraut“ in der Heilkunde bekannt. Aber auch bei Magenverstimmungen wird es eingesetzt.

Fast vergessen ist, dass man einst die trittresistenten, weichen Blätter als Einlage für Holzschuhe genutzt hat.

Das zerstampfte Kraut wurde mancherorts mit Kleie vermischt und jungen Gänsen zum Aufziehen und Mästen unter das Futter gemischt. Ob nun darauf der Name „Gänse“-Fingerkraut zurückzuführen ist, oder auf die Tatsache, dass das Kraut häufig auf Gänseweiden zu finden ist, lässt sich heute nicht genau sagen. Doch nicht nur den Gänsen tut das Kraut gut. Um die Heilkraft des Gänse-Fingerkrautes bei Koliken wissen wohl auch Wiederkäuer, denn so manch ein Tier wurde dabei beobachtet, wie es bei solchen Anfällen instinktiv das Kraut gefressen hat.

Schon assyrische und babylonische Mediziner verabreichten bei Magen-, Unterleibs-, Waden- und Muskelkrämpfen eine Aufkochung der Pflanze in Milch. In der Küche können die jungen, zarten, kräftig-würzig schmeckenden Blätter wie auch die nussartig schmeckenden Wurzeln verwendet werden.

Nest säuberndes Kraut

Der Stinkende Storchschnabel macht seinem Namen alle Ehre: Die Blätter riechen unangenehm. Paaren mit Kinderwunsch wurde früher Strochschnabel-Tee für den „Storchenbiss“ verordnet.

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Der Stinkende Storchschnabel (Geranium robertianum) kommt mit ganz wenig Licht aus und ist deshalb auch unter Hecken oder im schattigen Wald häufig zu finden. Das heißt aber nicht, dass er nicht auch an sonnigen Standorten wachsen kann. Dort, zum Beispiel an Mauern, schützt er sich selber durch Lichtschutzpigmente, die ihn dunkelrot verfärben. Typisch für die Storchschnabelgewächse ist die schnabelförmige Verlängerung der Früchte. „Stinkender“ Storchschnabel heißt er, weil die Blätter unangenehm riechen, besonders dann, wenn man die Blätter zwischen den Fingern zerreibt.

Heutzutage wird die Pflanze vom Menschen nicht mehr genutzt.

Fast vergessen ist, dass die Blätter des Stinkenden Storchschnabels wegen ihres intensiven Geruchs gegen Motten eingesetzt wurden. In Töpfe gepflanzt wehrte die Pflanze aus dem selben Grund Fliegen und Mücken ab. In der Volksmedizin wurde sie früher innerlich gegen Durchfall und Blutungen angewendet, äußerlich gegen Haut­erkrankungen und Entzün­dungen.

Paaren mit Kinderwunsch wurde früher Strochschnabel-Tee für den „Storchenbiss“ verordnet, damit „einen der Storch ins Bein beisst“. Das hat nicht nur damit zu tun, dass der Storch ja bekanntermaßen die Kinder bringt, sondern auch damit, dass der Stinkende Storchschnabel Schwermetalle ausleitet. Schwermetallbelastungen können sowohl bei Frauen, als auch bei Männern die Ursache von Kinderlosigkeit sein. In der Volksmedizin nannte man solche ausleitenden Heilpflanzen, Kräuter zum „Nest säubern“. Gegen Ohrgeräusche soll ein aufgelegtes Leinensäckchen mit getrocknetem Storchschnabelkraut helfen.

In Notzeiten hat man früher die Pfahlwurzeln des Storchschnabels als Gemüse gegessen. Schon bei den Römern sollen die wie Pastinake schmeckenden Wurzeln auf dem Speiseplan gestanden haben.

Gisela Tubes – LW 21/2014