Mehr Vertrauen und mehr Freiheiten für die Landwirte

HBV kritisiert Überregulierung und registriert Bewegung

Der Erweiterte Verbandsrat des Hessischen Bauernverbandes (HBV) hat vergangenen Freitag in Alsfeld über eine breite Palette an Themen diskutiert, die von der Gemeinsamen europäischen Agrarpolitik über Fragen der Düngung, der Afrikanischen Schweinepest, der Blauzungenkrankheit bis hin zur Entwicklung der landwirtschaftlichen Strukturen in Deutschland und Hessen reichten.

Die HBV-Vizepräsidenten Volker Lein, Stefan Schneider und Thomas Kunz mit dem künftigen HBV-Generalsekretär Sebastian Schneider.

Foto: Mohr

Vizepräsident Thomas Kunz, der die Sitzung in Vertretung von HBV-Präsident Karsten Schmal leitete, wies auf die veränderten Mehrheiten im Europaparlament hin. Es gebe eine konservative Mehrheit, aber auch starke rechtskonservative Gruppierungen im Parlament. Gleichwohl komme keiner an der Europäischen Volkspartei (EVP) vorbei. Kunz verspricht sich davon eine landwirtschaftsfreundlichere Politik. Bewegung gebe es beispielsweise bei der Herabstufung des Wolfs-Schutzstatus, die Deutschland jetzt auch nicht mehr ablehnt. Kunz´ Hauptkritikpunkt an der Brüsseler Agrarpolitik sind die Überregulierung und Vorgaben, „die keiner mehr versteht“. Ein Dorn im Auge ist ihm die „permanente Überwachung“ der Flächen per Satellit. „Kein Angestellter muss sich einer solchen Überwachung unterwerfen“, so der Vizepräsident. Besonders heikel seien die Regulierungen, die zu einer erheblichen zeitlichen Einengung der Ausbringung von organischen Düngern führen, mit der Gefahr, gegen Vorgaben zu verstoßen. Kunz fordert von der Politik, den Landwirten mehr Vertrauen entgegenzubringen, verbunden mit mehr Freiheiten bei der Bewirtschaftung. Ein Erfolg der Bauernproteste und für die Verbandsarbeit ist für Kunz der von Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir angekündigte Wegfall der Stoffstrombilanz, der zuvor auch schon von der großen Mehrheit der Bundesländer gefordert wurde.

Ein Anliegen des Vizepräsidenten, der gleichzeitig Vorsitzender des Landesagrarausschusses ist, ist die Weiterentwicklung der Hessischen Agrarumwelt- und Landschaftspflege-Maßnahmen (HALM). Umweltmaßnahmen müssten auch für konventionelle Betriebe wieder attraktiver werden und somit stärker in die Fläche kommen. Beispiel sei das Programm vielfältige Kulturen, das höher dotiert werden müsse. „Wir wollen ein Gleichgewicht zwischen Öko und konventionell“, sagte Kunz. Kritik gab es von Kunz und den Vorsitzenden der Kreis- und Regionalbauernverbände an den vor allem vom grün geführten Agrarressort eingeführten (Doppel-) Strukturen und Instrumenten, verbunden mit hohen Kosten und Personalaufwand. Genannt wurden die Ökomodellregionen, Landschaftspflegeverbände, Ökoaktionsplan. Diese Strukturen müssten von der Landesregierung überdacht beziehungsweise gebündelt und weiterentwickelt werden.

Tragische Lage der von ASP betroffenen Betriebe

Kunz thematisierte in seinem Bericht auch die Afrikanische Schweinepest und wies auf die äußerst tragische Lage der von der Seuche betroffenen Betriebe hin, die zum Teil in ihrer Existenz gefährdet seien. Hinzu komme die große Ungewissheit, wie und wann es mit der Schweinehaltung dort wieder weitergehen kann. Außerdem forderte er angesichts des hohen Aufwandes für die Bekämpfungsmaßnahmen, die ja nicht nur für das Land relevant seien, eine Kostenbeteiligung des Bundes.

HBV-Tierhaltungsreferentin Denise Stein berichtete über die aktuelle Lage bei der ASP und der Blauzungenkrankheit sowie der Vogelgrippe. Von der ASP seien in jüngster Zeit keine Hausschweinebestände mehr betroffen gewesen und Absperrzonen nicht mehr ausgeweitet worden. Der Bau eines Festzauns sei abgeschlossen. Nach wie vor gebe es bei der Vermarktung der Schweine aus den Sperrgebieten heraus große Probleme.

Ein massives Seuchengeschehen gibt es bei der Blauzungenkrankheit. Bei infizierten Schafen gebe es eine Mortalität von bis zu 50 Prozent, bei Rindern liege sie zwischen 1 und 5 Prozent. Vor allem ältere Tiere seien betroffen. Mit Sorge blickt man bei der Vogelgrippe besonders in die USA, wo das Virus auf Milchkühe übertragen wurde und schließlich auch auf Menschen. Die Viren konzentrieren sich in der Kuh offenbar im Euter. Die Viren könnten zwar durch die Pasteurisierung unschädlich gemacht werden, allerdings werde der Ruf der Milch bei einem Auftreten hierzulande großen Schaden nehmen, so Stein.

Bei der Diskussion um die Ausbildung und die Standorte für die Berufsschulen bekräftigte das Gremium die Forderung des HBV nach einer langfristigen Sicherung der Lehrqualität.

Veränderungen in den Strukturen

Der künftige Generalsekretär Sebastian Schneider, der dieses Amt im November antreten wird, sprach die jüngst bekannt gewordenen Gedanken der Kommission über eine neue Struktur des EU-Haushalts an (siehe S. 5). Die Kommission würde hiermit viele Kompetenzen an sich ziehen. Insgesamt werde der Rechtfertigungsdruck für den großen Agrarhaushalt größer.

Außerdem beleuchtete Schneider anhand von Prognosen die Veränderungen in der heimischen Landwirtschaft, die durch weitere Abnahme der Anzahl der Betriebe, höhere Spezialisierung, mehr Einkommenskombinationen, Abnahme des Anteils der staatlichen Zahlungen von vormals etwa 50 auf 33 Prozent, und vor allem von einer Abnahme der Tierhaltung geprägt sind. Auf diese Trends müssen sich insbesondere die Beratung und die Dienstleistungen des Verbandes einstellen.

CM – LW 42/2024