In vier Tagen Silomais unter Dach und Fach
Biogasanlage Wolfhagen bereit für die nächste Saison
Vergangene Woche war es wieder soweit. Innerhalb von vier Tagen erntete die Biogas Wolfhagen GmbH & Co. KG (BAW) den Silomais von insgesamt 260 Hektar von 25 Anbauern in der Region und lagerte den gehäckselten Rohstoff zur Strom- und Wärmeerzeugung auf der etwa 100 mal 30 Meter großen Siloplatte ein. Zur generalstabsmäßig vorbereiteten Aktion gehörte die reibungslose Steuerung der modernen Häcksler von drei Lohnunternehmen einschließlich der Transportketten (insgesamt 21 Abfuhrgespanne) und der sorgsame Einbau des Erntegutes durch drei Verteil- und Verdichtungsschlepper auf der Lagerfläche.

Foto: Dietz (5), Wittich (1)
Biogasanlagen-Besuch wird zum positiven Event
Und so wurde die Ernte zum positiv wahrgenommenen Event. Etliche Besucher aus der nahe gelegenen Kernstadt Wolfhagen nutzten die Gelegenheit, im Rahmen eines Spazierganges mit Kindern oder Enkeln das rege Treiben, ja fast schon Gewusel auf der Biogasanlage (auf der Corona-bedingten Anwesenheitsliste hatten sich rund 50 Personen eingetragen) von einem sicheren Zuschauerplatz aus zu beobachten. „Seht mal Kinder, aus diesem klein gehäckselten Mais wird die Wärme gewonnen, die eure Schule und das Schwimmbad beheizt, das ihr so gerne besucht“, hätte man sie erklären hören können.
Deutliche Akzeptanz in der Bevölkerung
Weitere Wärmenutzer sind acht Bauernhöfe in der Nachbarschaft und die Biogasanlage selbst. Hinzu kommt die Container-Trocknung von Holz und Getreide. An Verträgen mit zusätzlichen Wärmenutzern wird derzeit gearbeitet. „Diese heute deutlich erkennbare Akzeptanz der Biogasanlage in der Bevölkerung war von Anfang an unser Ziel. Wer den Nutzen sieht, CO2-neutrale Beheizung der Schule, des Schwimmbades und der Einkommenserzielung in der Region einschließlich des aktiven Klimaschutzes, der solidarisiert sich mit der Anlage und läuft nicht gegen sie Sturm“, erklärt Betriebsleiter Markus Holzhausen dem LW.

Foto: Dietz (5), Wittich (1)
Kompliziertes Genehmigungsverfahren
Dennoch war der Weg von der Idee (im Jahr 2009) bis zur Inbetriebnahme (2011) mit Schwierigkeiten gepflastert. Und die lagen vor allem im komplizierten Genehmigungsverfahren, das durchlaufen werden musste.
Kurz vor Toresschluss, die deutlich schlechteren Bedingungen des zum 1. Januar 2012 geänderten Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) drohten die Wirtschaftlichkeit der Anlage erheblich zu verschlechtern, waren die Genehmigungen erteilt, und die ersten beiden Gasmotoren wurden noch im Dezember 2011 in Betrieb genommen.
Transparenz schon während der Bauzeit
Der Standort der Biogasanlage wurde so gewählt, dass die Wege zu den beteiligten landwirtschaftlichen Betrieben sowie zu deren Flächen längstens 15 km betragen, um ein ökonomisches wirtschaften der Biogasanlage sicher zu stellen. Als Teil der transparenten Öffentlichkeitsarbeit gab es beim Bau der Anlage keinen Bauzaun. Besucher, die mal schauen wollten, was sich da tut, waren erwünscht, konnten sich aus eigener Anschauung informieren.
Den Anstoß zur Planung und zum Bau einer Biogasanlage mit einer heute erreichten Leistung von 1,5 MW elektrisch (Wirkungsgrad: 47 Prozent) und 900 kW thermisch gab Reinhard Knipker, ehemaliger Geschäftsführer der BAW und des Maschinenrings Kassel.
Bereitstellung von Regelenergie bringt Erlöse
Heute werden neben den Einnahmen aus dem Verkauf von Strom und Wärme auch Erlöse durch Bereitstellung sogenannter Regelenergie erzielt. Dazu werden Blockheizkraftwerke flexibel eingesetzt und Strom nach dem Bedarf im Netz erzeugt und eingespeist.
Als Gas-Zwischenspeicher dienen hierbei die vier Folienspeicher unterhalb der Tragluftabdeckung (ein Fermenter, ein Nachgärer und zwei Lagerbehälter, die alle gasdicht abgeschlossen sind), womit keine teuren Druckgasbehälter angeschafft werden mussten.
KBV und MR setzten Signal und stiegen mit ein
Ein einzelner Landwirt hätte solch ein Projekt nie alleine stemmen können. Doch in Gemeinschaft war es möglich. Der Maschinenring Kassel (MR) und der Kreisbauernverband Kassel (KBV) setzten ein Signal („Wir stehen voll hinter diesem Projekt“) und gingen als Gesellschafter mit je 12,5 Prozent Anteil mit ins Boot der BAW. Die restlichen 75 Prozent Anteile liegen bei den Landwirten.
Die Vergütung des angelieferten Silomaises erfolgt nach den November-Notierungen für Weizen an der Matif. Auf der Grundlage eines TS-Gehaltes von 33 Prozent erfolgt dann die vertraglich vereinbarte Umrechnung. Zudem erfolgt jährlich eine Gewinnausschüttung an die Gesellschafter.
Futterpuffer für Milchviehbetriebe

Foto: Dietz (5), Wittich (1)
Der Nawaro-Silomais deckt nur rund 30 Prozent des Futterbedarfes der BAW. Die anderen 70 Prozent setzen sich zusammen aus Flüssig- und Festmist mit rund 65 Prozent und etwa zwei Prozent Gras- und Roggensilage.
Aus phytosanitären Gründen gelangt zusätzlich noch eine kleine Menge Körnermais-Stroh (rund 4 t TS/ha) in die BAW. Zur vorbeugenden mechanischen Bekämpfung des Maiszünslers bietet ein Lohnunternehmer an, das Körnermais-Stroh gesondert zu häckseln und von der jeweiligen Ackerfläche zu entfernen.
Für die Tierhalter der Region ergeben sich durch die Andienung des Wirtschaftsdüngers an die BAW spürbare Vorteile: zum einen vermeiden sie mit der Passage durch die Anlage den Verlust an kostbarem Stickstoff. Der Gärrest stinkt auch nicht mehr und vermeidet Ärger mit Anliegern bei Lagerung und Ausbringung auf den Äckern. Zum anderen nutzen sie den Lagerraum der BAW mit, den sie in ihrem Betrieb nicht zusätzlich nachweisen müssen und sich dadurch Investitionen in Lagerflächen ersparen.
„Der Verwaltungs-Aufwand zur Dokumentation aller gesetzlich geforderten Nachweise über die Nährstoffströme und anderes ist in den letzten zehn Jahren deutlich angestiegen“, erklärt BAW-Geschäftsführer Jan Hampe. Im Maschinenring-Agrarbüro beschäftigt die BAW hierfür etwa eine halbe Arbeitskraft übers Jahr gerechnt. „Wir betreiben nicht doppelte, sondern dreifache Buchführung“, bringt es Hampe auf den Punkt.
Scheinbares Durcheinander wie auf Ameisenhaufen
Von außen betrachtet ähnelt der Betrieb auf der und um die Biogasanlage herum dem Durcheinander eines Ameisenhaufens. Doch hier wie da gibt es eine von allen Beteiligten verstandene Ordnung. Die Feinabstimmung läuft weitgehend über Funk. Die Häckslerfahrer steuern ihre Fuhrgespanne, deren Fahrer über Google-Maps auf ihren Smartphones die Lage der abzuerntenden Flächen genau identifizieren können.
Wenn die vollbeladenen Gespanne vom Maisacker zur Biogas-Anlage aufbrechen, entledigen sie sich durch starkes Beschleunigen auf einem betonierten Feldweg der an den Reifen anhaftenden Erde. Die jedem Häcksler zugeordnete Kehrmaschine reinigt umgehend den Feldweg für das nächste Gespann. So werden die Landstraßen sicher vor Verschmutzung bewahrt. Die täglichen Arbeiten werden durch die Betriebsleiter Markus Holzhausen und Martin Christensen sowie zwei 450 Euro-Kräfte erledigt. Als Futter dienen Silomais, Ganzpflanzensilage, Rindermist, Rindergülle, Schweinemist, Schweinegülle, separierter Schweinemist und Pferdemist.
Der Transport des Silomaises zur Miete hin wird in der Region wegen des plötzlich erheblich stärkeren Verkehrsaufkommens deutlich wahrgenommen. Die Anlieferung der Wirtschaftsdünger erfolgt just-in-time wie auch die Verbringung des Gärrestes auf die Ackerflächen. Somit hält sich der in der Öffentlichkeit wahrgenommene Transportaufwand in Grenzen.
Dz – LW 42/2020