Wie hat sich die Vogelwelt insgesamt entwickelt?
Bestandssituation der Vögel in Deutschland
Der Dachverband Deutscher Avifaunisten, das Bundesamt für Naturschutz und die Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten haben unter dem Titel „Vögel in Deutschland – Übersichten zur Bestandssituation“ die aktuellen Bestandsszahlen für zahlreiche Vogelarten für das Jahr 2016 herausgegeben. Anlass für die Aktualisierung von Bestandsgrößen und -trends war der im Oktober 2019 von der Bundesregierung bei der EU-Kommission abgegebene Bericht zur Umsetzung der Vogelschutzrichtlinie.
Dabei zeigt sich, dass Deutschland mit mehr als 300 nachgewiesenen Brutvogelarten zu den artenreichsten Ländern Mitteleuropas zählt: 243 Arten brüten regelmäßig, 25 unregelmäßig. 20 Arten sind etablierte Neozoen. 17 Arten sind inzwischen ausgestorben. Amsel und Buchfink sind mit bundesweit jeweils knapp 10 Mio. Brutpaaren die mit Abstand häufigsten Brutvogelarten.Die Neubürger Silberreiher und Stelzenläufer brüten seit 2010 regelmäßig in Deutschland. Der Nordosten Deutschlands ist artenreicher als der Westen oder Süden. Dort befinden sich Hotspots der Biodiversität, die auch viele seltene Vogelarten beherbergen. Gründe dafür sind noch vielfältigere Landschaftsstrukturen, geringere Landnutzungsintensität und eine niedrigere menschliche Siedlungsdichte.
Die Brutvögel Deutschlands erfahren anhaltende Verluste im Offenland und eine Erholung der Bestände im Wald, sodass unterm Strich die Bilanz der letzten 12 Jahre, also von 2004 bis 2016, ausgeglichen ist.
Im gleichen Zeitraum nahmen die Bestände von einem Drittel der Brutvogelarten ab, die restlichen Arten zeigten stabile oder zunehmende Populationen. Dies zeigt, dass ganz gezielt bestimmte Vogelarten ihren Lebensraum oder ihre Nahrungsquelle vermissen, dazu gehören das Braunkehlchen, Girlitz, Kuckuck, Turteltaube und auch Wasservogelarten, die in diesem Artikel nicht berücksichtigt wurden.
Rebhuhn und Lerche verlieren weiter an Bruten
Hochrechnungen des 24-Jahres-Trends von 1992 bis 2016 zeigen, dass Deutschland in diesem Zeitraum etwa 14 Mio. Brutvögel verloren hat. Davon sind aus dem Offenland etwa vier Millionen, aus dem Siedlungsbereich rund fünf Millionen Vögel verschwunden – vor allem in der ersten Hälfte des Zeitraums.
In der Agrarlandschaft bleibt die Lage der Brutvögel alarmierend. So nahmen die Bestände von Rebhuhn und Kiebitz von 1992 bis 2016 um fast 90 Prozent ab. Ähnlich dramatisch ist die Entwicklung bei den Feuchtwiesenarten Uferschnepfe und Bekassine sowie dem Braunkehlchen. Einige Arten der Agrarlandschaft sind mittlerweile so selten, dass sie in immer größeren Bereichen unserer Landschaft fehlen, wie das Rebhuhn. Selbst die Feldlerche zeigt größere Verbreitungslücken.
Der Vergleich der ornithologischen Daten weist auch auf die anhaltende Expansion einiger „Gewinner“ in der Vogelwelt hin: Beim Uhu konnten seit der Existenz des Atlas deutscher Brutvogelarten viele neue Nachweise erbracht werden. Dasselbe gilt für das Schwarzkehlchen, das sich nach wie vor ausbreitet. Auch die Mönchgrasmücke hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark verbreitet und zählt zur vierthäufigtsen Art in Deutschland. Unter den Gewinnern der letzten 24 Jahre sind einige Arten mit südlicher Verbreitung, wie Purpurreiher, Bienenfresser, Alpensegler und Orpheusspötter. Greifvögel wie Seeadler, Fischadler, Wanderfalke und Wiesenweihe profitieren von Hilfsmaßnahmen.
Bis heute wurden in Deutschland rund 4 Mio. ha und damit 11,3 Prozent der Landfläche als Europäische Vogelschutzgebiete ausgewiesen, weitere knapp 2 Mio. ha Meeresfläche kommen dazu. Die verwendeten Daten wurden vom DDA in Zusammenarbeit mit der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten und dem Bundesamt für Naturschutz (BfN) zusammengestellt. Gezählt und erfasst wurden die Vögel überwiegend von Freiwilligen. Tausende Vogelbeobachter beteiligen sich inzwischen an den Monitoringprogrammen des DDA oder geben ihre Gelegenheitsbeobachtungen in die online-Plattform ornitho.de ein.
LW – LW 8/2020