Der Wald braucht die Jagd
Ãœber Rotwild-Jagdstrategien und Lebensraumgestaltung
Die Jagd ist und bleibt das entscheidende Instrument, um erfolgreich Waldbau betreiben zu können. Darüber waren sich die beiden Gastredner Dr. Michael Petrak, Leiter der Forschungsstelle für Jagdkunde und Wildschadensverhütung in Bonn, und Diplom-Forstwirt und Waldbesitzer, Christian Freiherr von Bethmann, einig.
Frank Zulauf, Vorsitzender der Kreisgruppe Odenwald, begrüßte etwa 70 Walbauern, Förster und Jäger zu der Abendveranstaltung des Hessischen WaldÂbesitzerverbands zur Landwirtschaftlichen Woche Südhessen 2012 in Reichelsheim/Odenwald. „Der Wald wird in der heutigen Zeit von immer mehr Menschen beansprucht, die in ihm ihre eigenen Interessen verwirklicht sehen wollen“, so Zulauf. Vor allem das Freizeitverhalten der Bevölkerung und der überbordende Naturschutz nehmen oft keine Rücksicht auf natürliche Zusammenhänge zwischen Wald und Wild. Daher müsse es Ziel der Forstpartie und der Jägerschaft sein, wieder an einen Tisch zurückzukehren, um gemeinsam anderen Interessensgruppierungen entgegenwirken zu können.Durch den sogenannten Biotopverbund soll die Population wild lebender Tiere dauerhaft erhalten bleiben. So ist es auch in § 21 des Bundesnaturschutzgesetzes festgeschrieben.
Dr. Petrak von der Forschungsstelle für Jagdkunde und Wildschadensverhütung führte in seinem Vortag an, dass beispielsweise die von den Jägern oft kritisierte Ausweisung von Rotwildgebieten durchaus Sinn mache. Mit diesem „Planungsinstrument“ werde die rechtliche Grundlage geschaffen, um „Wildgebiete“ auszuweisen, die vorrangig den Ansprüchen des Rotwildes gerecht werden sollen. Gäbe es dies nicht, so würden andere Raumnutzungsansprüche wie zum Beispiel der Siedlungs- oder Straßenbau das Rotwild schon größtenteils verdrängt haben. So sei die Lebensraumgestaltung für das Rotwild inzwischen eine große Aufgabe geworden, da die meisten Menschen immer naturferner leben und wenig Verständnis für grundlegende Zusammenhänge in der Natur entwickelten.
Jagdstrategien müssen daher noch mehr an den Rhythmus der Tiere angepasst sein, unter Ausnutzung der Raum- und Sozialstruktur. Beim Rotwildabschuss konzentriere man sich bisweilen zu stark auf die Kälber. Aus wildbiologischer Sicht spreche nichts dagegen, neben den Hirschen vor allem auch beherzt Hirschkühe zu erlegen. Wichtig sei es, möglichst störungsarm zu jagen, obwohl Rotwild die Fähigkeit besitzt, sich individuell auf Störfaktoren einzustellen. Bei der Lebensraumgestaltung des Rotwildes sollten deshalb eindeutige Störradien definiert werden. Erfolgsversprechend seien in diesem Zusammenhang auch zeitliche Vorgaben an die Jäger. Dr. Petrak verwies dabei auf das belgische Jagdrecht. Trotz sehr kurzer Jagdzeit (Oktober- Dezember), werde der Rotwildabschuss in der Regel stets erfüllt. Nichterfüllung wie auch Fehlabschüsse ahnde man in Belgien mit hohen Bußgeld-Strafen. Trotzdem akzeptiere man in Jägerkreisen diese strenge Handhabe, und der Erfolg gebe dem Recht.
Teil der Waldbewirtschaftung
„Die Forstwirtschaft hat einen entscheidenden Einfluss auf die Lebensraumgestaltung des Wildes“, so Diplom-Forstwirt Christian Freiherr von Bethmann. Sie trage daher auch zu einem erheblichen Teil Mitschuld an der Rotwildproblematik, da der Lebensraum Wald immer weiter eingeschränkt werde. Zweifelsohne stehe die deutsche Forstwirtschaft für eine beispielhafte Kulturleistung in Europa. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern nehme in Deutschland neben der Waldfläche auch die Artenvielfalt in den Wäldern stetig zu.
Dennoch sollten Förster und Waldbauern in Zukunft umdenken. Zu statisch seien die Betrachtungsweisen, wie der Wald auszusehen habe bzw. wie Waldwirtschaft funktionieren müsse. Wie die Landwirtschaft auch, so sei der Wald heutzutage zu einer Kulturlandschaft geworden, die von Funktionsdenken beherrscht werde. Der Wald werde in „künstliche“ Lebensraumbereiche eingeteilt, die unter anderem den „Wald-Wild-Konflikt“ nur weiter vorantreiben. So seien zum Beispiel flächendeckende Wildäsungsmöglichkeiten durch homogene Waldstrukturen nicht möglich.
Von Bethmann, der zudem Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft (ANW) in Hessen ist, apÂpellierte daher an die anwesenden Forstfachleute, ganzheitlich das forstliche Handeln auf natürliche Abläufe prozessorientiert umzustellen und sich von statischem Bestandsdenken und fixierten Waldbildern zu lösen. „Der Wald muss in eine Struktur überführt werden, wo er hochdynamisch und flexibel auf sämtliche Störungseinflüsse reagieren kann“, so von Bethmann.
Damit der Wald sich aus eigner Kraft regenerieren könne, sei eine konsequente Jagd auf das Schalenwild Grundvoraussetzung. Wie die Waldwirtschaft, so müsse auch die Jagd naturnäher ausgerichtet sein. Bei vielen Jägern spiele der Hegegedanke, ebenso wie der Wunsch nach ErÂholung, noch immer eine große Rolle. Die Jagd sei jedoch vielmehr als Handwerk zu verstehen, das die Jäger ernstnehmen müssen. Die meisten Jagdkonzepte seien wildbiologisch nicht erklärbar, sondern orientierten sich zu sehr am Trophäendenken.
Wald-Wild-Konflikt lösen
Demzufolge seien häufig nicht nachvollziehbare Abschussvorgaben und Einschränkungen in den Abschussfreigaben der Trophäenträger das Problem. Um der Lösung des Wald-Wild-KonÂflikts auf Dauer näher zu kommen, müssten Jagdkonzepte wesentlich zielorientierter formuliert werden. „Die Menschen müssen sich wieder mehr Natur zutrauen! Das gilt für die Waldbauern und Förster genau so wie für die Jäger“, so der ANW-VorÂsitzende. Wer Wald und Wild „kultiviere“, in Klassen einteile und danach seine „Wirtschaftsweise“ ausrichte, schaffe unweigerlich ein Konfliktfeld, dass sich andere Gruppierungen zu Nutze machen, um eigene Interessen am Wald durchzusetzen.
Forst und Jagd seien untrennÂbar miteinander verwoben. Um naturnah wirtschaften zu können, bedürfe es struktur- und vorÂratsreicher Wälder. Dies gelänge aber nur, wenn konsequent und intensiv auf Schalenwild gejagt würde. Ziel müsse daher ein fortwährender Dialog zwischen beiden Seiten sein.
HWV