Wie geht es weiter mit dem Zuckerrübenanbau?
Vortrag von Joachim Riedel vom BB Göttingen
„Wie geht es nach dem Wegfall der bisherigen Zuckermarktordnung ab 2017 in unserem vom Rübenanbau geprägten Betrieben im Rhein-Main-Gebiet weiter?“ Das fragte der Vorsitzende des Frankfurter Landwirtschaftlichen Vereins (FLV), Karlheinz Gritsch, eingangs bei der jüngsten Vortragsveranstaltung des FLV in Niederursel. Gritsch hatte zu Vorträgen über dieses Thema Joachim Riedel vom Betriebswirtschaftlichen Büro Göttingen und Dr. Matthias Mehl, Vorsitzender des Zuckerrübenanbauerverbandes Wetterau, geladen.

Foto: Jörg Rühlemann
Importzölle und Höchstmengen für Rohrzucker, die FörÂdeÂrung privater Lagerhaltung bei Marktstörungen sowie monatliche Zuckermarkt-Preisberichterstattungen werde es ebenso weitergeben wie für den RübenÂanbau die Verpflichtung zu Branchenbereinbarungen, Verhandlungsmandat der Anbauverbände und Mindeststandards für Lieferverträge. Die Branchenvereinbarungen ab 2017 müssten Vertragsmengen, Vertragslaufzeiten, Rübenpreisfindung, Rübenbezahlung und Logistikregelungen beinhalten, so Riedel.
Höhere Volatilität im Markt und Konzentration im Sektor
„Die marktpolitischen Rahmenbedingungen werden sich ab 2017 deutlich ändern“, folgerte Riedel. Er erwartet größere Volatilität bei Preisen und Mengen auf dem Binnenmarkt sowie einen verschärften Wettbewerb und weiter zunehmende KonzenÂtration im Zuckersektor. Insgesamt stelle die Zuckererzeugung ohne Quoten den EU-Zuckersektor vor erhebliche Herausforderungen.
Hinsichtlich der Situation auf dem Zucker-Weltmarkt sei festzustellen, dass in den vergangenen fünf Jahren das Angebot die Nachfrage überstiegen und somit zu einem Bestandsaufbau geführt habe. Die Lagerbestände in der EU seien ebenfalls angestiegen und drückten den Preis. In diesem Jahr allerdings liege das Angebot erstmals wieder unter der Nachfrage. Ab 2017/18 könnten europäische Zuckerhersteller unbegrenzt auf dem Weltmarkt exportieren.
Auch Argumente für den Anbau in Europa
Im Zuge klimapolitischer Ziele sieht er langfristig die NachfraÂge nach Biotreibstoffen, zum BeiÂspiel Bioethanol, steigen, zudem mache der Wechselkursverlust des Euro die europäische Produktion wettbewerbsfähiger. Der Weltmarktpreis für Zucker sank nach einem Hoch um 2010/11 von rund 500 Euro/t in den Jahren weltweiter Ãœberproduktion auf gegenwärtig rund 335 Euro/t. Bei 350 bis 380 EuÂro/t werde sich der Zucker-Weltmarktpreis nach Ansicht Riedels einpendeln.
Ergebnisse betrieblicher Analysen aus der Praxis
Ackerschlagkarteiauswertungen des Betriebswirtschaftlichen Büros Göttingen ergaben im Jahr 2013/14 für das günstigste Viertel der untersuchten Betriebe Direkt- und Arbeitserledigungskosten von 1 428 Euro/ha Zuckerrüben. Bei einem Rübenmindestpreis von 34,20 Euro/t und 71 t/ha Ertrag ergibt sich ein Deckungsbeitrag von rund 1 000 EuÂro/ha. Dieser Wert, kalkuliert Rieger, würde bei Winterraps etwa bei einem Ertrag von 50 dt/ha und 40 EuÂro/dt Rapspreis erreicht. Winterraps hält er auch für die Fruchtart, die der Wirtschaftlichkeit des Rübenanbaues künftig am nächsten kommt: „Zuckerrüben 2017“ ermöglichen bei 775 dt/ha Ertrag und entsprechend 139,5 dt/ha Zucker und einem Rübenpreis von 3,47 Euro/dt 1 320 Euro Deckungsbeitrag.
Bei 700 dt Ertrag (126 dt Zucker) wären es 1 102 EuÂro Deckungsbeitrag. Winterraps müsste nach dieser Berechnung 50 dt Ertrag bei 44 Ölgehalt erzielen, um bei einem Rapspreis von 38,16 Euro/dt 1 029 Euro Deckungsbeitrag zu bringen. 70 bis 290 Euro/ha Differenz wären dies schon, allerdings ohne Berücksichtigung des Vorfruchtwertes von Raps. Neben dem Vorfruchtwert sollten auch das Risikomanagement durch Witterungs-, Qualitäts- und Markteinflüsse beim Vergleich der Wirtschaftlichkeit einzelner ProÂduktionsverfahren in Ansatz gebracht werden. Trotzdem würden bei Fruchtfolgebetrachtung die Vorteile der Zuckerrüben deutlich.
Werksnahe Gunststandorte gewinnen an Vorzüglichkeit
Problempunkte sieht Riegel jedoch bei der künftigen WettbeÂwerbsstellung der deutschen Zuckerindustrie. So werde nicht mehr die Quote die Anbaumenge bestimmen, sondern die NachÂfrage der Kunden. Somit würden nicht nur die Mengen, sondern auch die Preise künftig deutlich mehr vom Markt abhängen. Für die Zuckerindustrie sei es für die künftige Wettbewerbsstellung außerordentlich wichtig, die Anbauflächen auf werksnahen Gunststandorten zu konzentrieren. „Alle Zuckerunternehmen wollen den Rübenanbau kontinuierlich zu den Fabriken hinbewegen“, sagte Riegler.
Möglichkeiten wie Anbauer und Verarbeiter reagieren
Welche Konsequenzen sich aus dem Wegfall der bisherigen Zuckermarktordnung für die Vertragsbeziehungen zwischen Rübenanbauern und Zuckerunternehmern ergeben, erläuterte Dr. Matthias Mehl. Dabei könnten sich die 17 000 Anbauer in den sieben Landesverbänden des Verbandes Süddeutscher Zuckerrübenanbauer zum einen nach dem Motto „Weiter wie bisher und gleiche Produktionsmenge“ verhalten. Das könnte zur Folge haben, dass die anderen Marktteilnehmer ihren Anbau ausdehnen, ihre bisherigen Märkte beschicken und ihre zusätzlichen Mengen in die Verkaufsgebiete der Wettbewerber liefern. Für besser werde der anÂdere Weg gehalten, bei dem durch Anbauausdehnung, Erhöhung der Zuckerproduktion, Auslastung der Fabriken mit Kostensenkung mehr Wettbewerbsfähigkeit, und zwar auch im Anbau, erreicht würde. Es sei dadurch ein Verdrängungswettbewerb zu erwarten, der Importe und schwächere Wettbewerber verdrängen und selbst mehr Exporte ermöglichen würde. Für den Vorsitzenden des Wetterauer Zuckerrübenanbauerverbandes sei dies „ein schwieriger, aber machbarer Weg“.
Die derzeit laufenden Verhandlungen zwischen Südzucker und den Anbauverbänden hätten zum Ziel, die Auslastung der neun Zuckerfabriken in ihrem Gebiet zu optimieren. Falls ein Landwirt seine aus Basisrüben und Mehrrüben gebildete mögliche Kontraktmenge nicht voll in Anspruch nimmt, können deshalb andere Betriebe im gleichen Werkseinzugsgebiet die Lieferung zusätzlicher Mehrrüben erhalten. Dabei werde die Kontraktmenge künftig im Vertrag sowohl in Rüben als auch in Zucker angegeben. Und zwar ab 2017 auch mit 18 Prozent Zuckergehalt und 16 Prozent bereinigtem Zucker.
Empfohlen werde, eine nicht geringere Kontraktmenge als 125 Prozent des Lieferrechtes zu wählen, weil erst ab dieser Schwelle der Bonus für Ertragserfüllung und eine Treueprämie gezahlt werden. Wie der Referent erläuterte, soll ein Erfüllungsbonus von 1,50 Euro/t Rüben bei 16 Prozent bereinigtem Zucker gezahlt werden, wenn der Anbauer seine Kontraktmenge in Zucker erreicht. Die Treueprämie von ebenfalls 1,50 Euro/t Rüben werde gezahlt, wenn der Anbauer die Kontraktmenge im vorangegangenen und im aktuellen Anbaujahr erfüllt.
Zwischen den Rübenanbauverbänden und Südzucker seien nach dem Wegfall entsprechender EU-Regelungen ab 2017 auch die Modalitäten der Rübenbezahlung auszuhandeln, stellte Dr. Mehl heraus. Verhandelbar sei jnur deren Feinsteuerung wie Anteil der Rübenanbauer am Zuckererlös, garantierter Mindestpreis oder Zahlungstermine. Das Zuckerpreisniveau selbst in Abhängigkeit von der Weltzuckerproduktion sei Bestandteil des künftigen Verdrängungswettbewerbs im gesamten Anbau- und Zuckererzeugungsbereich. Dazu gehörten auch die Erzeugungsausweitung bei Rübenzucker und Isoglukose sowie ein massiver Wettbewerb um Zielmärkte und Exportmengen.
Rü – LW 1/2016