Mit welchem Verfahren künftig im Stall arbeiten?

Melktechniken und Arbeitsverfahren analysiert

Was kostet die Erzeugung von Milch? Wie sind die verschiedenen Melktechnikverfahren zu bewerten? Und welche betrieblichen Möglichkeiten bestehen, das Herdenmanagement im Betrieb zu optimieren? Diesen Fragen geht der folgende Beitrag von Thomas-Volker Kienitz und Prof. Dr. Falk Mißfeldt von der landwirtschaftlichen Fachhochschule Kiel und Johannes Thomsen von der Landwirtschaftskammer Schleswig Holstein nach.

Ob die Entscheidung auf ein automatisches Melkssystem, einem Melkkarrusell oder einen Swing-over-Melkstand fällt, hängt von vielen betrieblichen Gründen ab. Am besten, man schaut sich vorher viele Betriebe an.

Die anstehenden Wachstums­in­vestitionen in Milchviehbetrieben führen zwangsläufig zu der Frage nach dem zum jeweiligen Betrieb passenden Melkverfahren. Die Familien müssen eine Vielzahl von Einflussfaktoren gegeneinander abwägen, um letztlich eine Entscheidung zu treffen, mit der man die nächsten 20 Jahre glücklich ist, zumindest jedoch leben kann. Zu diesen Entscheidungskriterien gehören:

  • die Kosten der Melkverfahren pro kg Milch,
  • Berücksichtigung weiterer, absehbarer Wachstumsschritte,
  • aktuelle und zukünftige Verfügbarkeit von Arbeitskräften sowie deren Kosten und Kostenentwicklung,
  • technisches Interesse und Geschick,
  • „Faible“ für die Nutzung der technischen Möglichkeiten zur Verbesserung des Herdenmanagements,
  • bauliche Umsetzungs- und Erweiterungsmöglichkeiten,
  • letztlich die Freude, auch am längeren täglichen Melken.

Verfahren auf Mitarbeiter bestmöglich zuschneiden

Das Beurteilen und Gewichten der Faktoren wird von Person zu Person sehr unterschiedlich ausfallen, denn nicht jeder hat ein ausgeprägtes technisches Verständnis oder ist durch längere tägliche Melkzeiten belastbar.

Jedoch sind in Planungsphasen für die Arbeitserledigungskosten der in Frage kommenden Melkverfahren ein zentrales Thema: Häufig werden im Vorfeld viele kostenbestimmende Parameter zu optimistisch, nicht selten aber auch pessimistisch eingeschätzt.

Im Rahmen einer Studie der Fachhochschule in Rendsburg wurden die tatsächlichen Verfahrenskosten unterschiedlicher Melksysteme auf insgesamt neun Betrieben ermittelt und miteinander verglichen:

  • drei automatische Melksysteme (AMS) mit je zwei Anlagen pro Betrieb,
  • drei Swing-Over-Melkstände
  • ein Fischgrätenmelkstand und zwei Side by Side-Melkstände Standardverfahren),
  • Die untersuchten Betriebe haben alle zwischen 2007 und 2011 in neue Melktechnik investiert und eine Herdengröße zwischen 93 und 188 Kühen mit einer Milchleistung zwischen 8 000 und 9 600 kg/Jahr.
  • Auf diese Weise sollten Kosteneffekte begrenzt werden, die aus dem Investitionszeitpunkt beziehungsweise dem Veralterungsgrad resultieren.

Arbeitserledigungskosten der Melksysteme ermitteln

Um die Arbeitserledigungskosten der Melksysteme ermitteln zu können, wurden auf allen Betrieben die Investitionen in Melktechnik und in Melkgebäude anhand der Jahresabschlüsse und der Informationen der Betriebsleiter erfasst. Bei den in die Gebäude integrierten Melkständen, mussten den Melkständen anteilige Gebäudekosten zugeordnet werden. Weiterhin wurden jeweils betriebsindividuell die variablen Betriebskosten wie Strom-, Reparatur- und Wartungskosten sowie die Kosten für Verbrauchsmaterial ermittelt. Bei fehlenden Daten wurden Standardwerte zur Vervollständigung genutzt.

Zur Kostenermittlung mussten die tatsächlichen Arbeitszeiten für das Melken auf den Betrieben ermittelt werden. Diese Daten wurden auf den Betrieben mit der Stoppuhr erfasst. Um die unterschiedlichen betriebsindividuellen Arbeitsabläufe vergleichbar machen zu können, mussten die Daten mit modulartigen Messkriterien bei zwei aufeinander folgenden Melkzeiten erfasst werden. Das war erforder­lich, weil die Routinearbeiten (Vormelken, Säubern et cetera) des eigentlichen Melkens teilweise kombiniert wurden, Treibearbeiten parallel liefen oder mit der Boxenpflege zusammen erfolgten.

Große Unterschiede bei den Investitionskosten

Die Tabelle 1 zeigt zusammenfassend die erhobenen Daten für jeden Betrieb sowie daraus abgeleitete Kennziffern. Das Gesamt­investitionsvolumen streut von 214 000 Euro bis 433 000 Euro. Umgerechnet auf 1 000 kg erzeugte Milch pro Jahr reicht die Bandbreite der Investitionen von 239 bis 358 Euro je 1 000 kg Jahresmilchmenge. Während automatische Melksyteme (AMS) und Swing-Over im Mittel mit circa 250 Euro/1 000 kg nahezu gleich auflagen, waren die Investitionskosten bei den Standardverfahren mit 310 Euro/1 000 kg deutlich höher.

Arbeitszeit je Kuh reicht von 17 bis 35 Sekunden/Melken

Beim eigentlichen Melken wurden durchschnittlich 17,4 bis 34,9 Sekunden Arbeitsaufwand pro Kuh und Melkzeit benötigt. Hier machte sich die unterschiedliche Arbeitsorganisation deutlich bemerkbar, weil einige Betriebe auf Routinearbeiten, wie die Euterpflege oder das Zitzendippen, verzichteten. Betrachtet man die Arbeitszeiten des Melkvorganges pro Kuh und Tag, fällt auf, dass diese von 77,8 bis 246,4 Sekunden schwanken.

Die Unterschiede entstehen durch den individuellen Einsatz einer zweiten Person, so melken einige Betriebe immer mit einer Person und andere immer zu zweit. Um den zeitlichen Aufwand der automatischen Melksysteme zu ermitteln, wurden die gesamten Arbeiten eines Tages erfasst. Auf den drei analysierten Land­wirtschaftsbetrieben erfolgte die Anlagenbetreuung zu den alten Melkzeiten. Der Arbeitszeitbedarf lag auf den Betrieben zwischen 59 bis 86 Sekunden pro Kuh und Tag, so dass – bis auf eine Ausnahme – deutliche Ersparnisse beim AMS im Vergleich zu den Melkständen erreicht wurden.

Erwartungsgemäß erweisen sich die AMS-Betriebe mit durchschnittlich 1 623 kg Milch/Akh als die Verfahren mit der höchsten Arbeitsproduktivität, gefolgt von den Swing-over (752 kg/Akh) und den Standard-Melkverfahren (504 kg/Akh). Auffällig ist, dass die Betriebe C und F bezüglich der Arbeitsproduktivität deutlich vom Durchschnitt ihrer Gruppe abweichen. Der erhöhte Arbeitseinsatz im Betrieb C erklärt sich durch vier neue Färsen, welche erst kürzlich in die Herde eingegliedert wurden und für einen reibungslosen Melkprozess noch betreut werden mussten.

Kein Melksystem eindeutig am kosten­günstigsten

Im Betrieb F sorgt die Kombination aus Größe des Melkstandes und der Einsatz einer Arbeitskraft für einen geringen Aufwand je Kuh, der Melker war­tet nicht auf die Melkzeuge, sondern umgekehrt. Dadurch hat der Melker keine Wartezeiten, jedoch werden – um die Wege kurz zu halten – die Melkzeuge direkt nach dem Vormelken angesetzt und auf das Dippen verzichtet. Auch machen sich das Indexierungs-Verfahren, die Größe des Wartehofes zur Herdengröße und die lange Einlaufzeit der Kühe bei der Stundenleistung positiv bemerkbar.

Um die Verfahrenskosten zu ermitteln, werden für die AMS eine zehn- und für die Melkstände eine fünfzehnjährige Nutzungsdauer unterstellt. Die Zinskosten werden mit 4 Prozent jährlich auf das durchschnittlich gebundene Kapital berechnet, der Lohnsatz beträgt 15 Euro pro Stunde.

Bei den AMS-Betrieben blieb der Effekt einer möglichen Milch­leistungssteigerung durch das mehrmalige tägliche Melken unberücksichtigt. Unter Berücksichtigung der Jahresmilchmenge ergeben sich in den Swing-over-Betrieben im Mittel mit 5,71 Cent pro kg die geringsten Kosten, gefolgt von den AMS-Betrieben (6,16 Cent/kg) und den Betrieben mit „Standardausstattung“ in Höhe von 6,91 Cent je kg. (Übersicht „Vollkosten“). Deutlich wird aber auch, dass es Überschneidungen zwischen den Melksystemen gibt und somit kein Melksystem eindeutig am kosten­günstigsten ist. Dies liegt vor allem an dem Verhältnis von Kapital zu Arbeitskosten beziehungsweise der Auslastung der jeweiligen Melksysteme.

Was auf Vorzüglichkeit der Melkverfahren beeinflusst

Sollte sich die Nutzungsdauer der Melktechnik um jeweils fünf Jahre verlängern, also bei AMS von zehn auf 15 Jahre und bei den anderen Melksystemen von 15 auf 20 Jahre, ändern sich die Jahreskosten in allen Betrieben, aber auch das Ranking, da die Investitionssumme über einen längeren Zeitraum zurückverdient werden kann. (siehe Übersicht). Die AMS profitieren am stärksten und erreichen mit 5,3 Cent je kg die geringsten Jahreskosten. Die Swing-over-Melkstände liegen mit 5,47 Cent/kg auf Platz zwei , die anderen Melkstände folgen mit 6,71 Cent/kg.Glaubt man den Hinweisen der Demographen, so werden Arbeitskräfte in Deutschland zukünftig knapper und damit auch teurer. Wird die Arbeit und damit auch der Lohnansatz teurer, so profitieren kostenmäßig die Verfahren mit einer hohen Arbeitsproduktivität.

Bei einem Lohnansatz von 20,50 Euro je Stunde sind die mittleren Verfahrenskosten der AMS-Betriebe und der Swing-Over-Betriebe mit 6.54 Cent/kg Milch identisch, der Abstand zu den Standard-Melkverfahren mit 8,07 Cent je kg Milch wird größer. Allerdings profitiert der Durchschnitt der Swing-Over-Betriebe von der hohen Arbeitsproduktivität des Betriebes F mit 1 135 kg Milch pro Akh. Berücksichtigt man diesen Betrieb in der Rechnung nicht, so wären AMS und Swing-over bereits bei einem Lohnansatz von 13,75 Euro pro Stunde kostengleich.

Spannend für viele Betriebsleiter ist die Kostenentwicklung der verschiedenen Melksysteme bei Wachstumsschritten. Hierzu wurde für alle Betriebe eine Aufstockung der Kuhzahl um 10, 25, 50 und 100 Kühe simuliert und nur die zusätzlichen Kosten erfasst, die mit der Aufstockung in Verbindung stehen.

Kosten des betrieblichen Wachstums kalkulieren

Die Grenzkosten für die zusätzlich ermolkenen kg Milch liegen bei den AMS zwischen 2,55 und 2,93 Cent/kg – vorausgesetzt, es sind noch freie Kapazitäten an den bestehenden Anlagen vorhanden. Durch eine höhere Auslastung der bestehenden Anlagen mit bis zu 25 weite­ren Kühen sinken die Jahreskosten durch den Degressionseffekt.(Übersicht „Zusätzliche Kosten“) Muss jedoch wegen der Aufstockung eine weitere Anlage gekauft werden, fallen bei zusätzlichen 50 bis 100 Kühen (8 300 bis 9 500 kg) Grenzkosten von 5,94 bis 7,14 ct/kg Milch an. Die anderen Systeme schneiden viel günstiger ab. Die Grenzkosten der Swing-over-Melkstände betragen 1,8 bis 3,3 Cent/kg Milch bei weiteren 25 Kühen und 2,11 bis 3,46 Cent/kg bei außerdem 100 Kühen. Die normal ausgestatteten Melkstände haben bei weiteren 25 Kühen Grenzkosten von 1,84 bis 4,21 Cent/kg und 1,97 bis 6,32 Cent/kg Milch bei nochmalig 100 Kühen (inklusive Jahreskosten für zusätzlichen Milchtank).

Die Grenzkosten der letztgenannten Melksysteme liegen deutlich unter den aktuellen Kosten, so dass das Aufstocken bei Swing-over und den Standard-Melksystemen zur Reduzierung der mittleren Jahreskosten führen würde. Die Kosten der Melkverfahren stellen eine Momentaufnahme dar und sind durch viele betriebs­individuelle Einflüsse geprägt. Das zeigen auch die Grenzkosten bei einer Bestandsaufstockung. Ein Verallgemeinern ist kaum möglich. Die Ergebnisse können aber als Orientierung bei der Suche nach dem Melkverfahren dienen.

 – LW 17/2015