Immer weniger kleine Erzeuger

Regionales Saatgut – da weiß man, was man hat

Auch dieses Jahr hält für Pflanzenbauer besondere Herausforderungen bereit. Wie sich diese auf die Saatgutvermehrung auswirken, hat das LW mit dem Inhaber der Wehrdaer Saatzucht, Dr. Axel Schreiber, besprochen.

Das regnerische Wetter hat die Ernte erst einmal ausgebremst. Saatgut­erzeuger Dr. Axel Schreiber macht sich aber um die Qualitäten noch keine Sorgen.

Foto: Becker

Aktuell ruhen die Erntearbeiten auf dem Hof in Haunetal-Wehrda, weil die Bestände durch den andauernden Regen zu nass sind. „Bisher ist das kein Problem, und ich mache mir um die Qualitäten noch keine Sorgen. Allerdings könnte die momentan warme und nasse Witterung auf Dauer zu ersten Auswuchs-Erscheinungen und damit sinkenden Qualitäten sowohl bei Konsum- als auch bei Vermehrungs-Getreide führen“, so Schreiber.

Aus der Region für die Region

Die Wehrdaer Saatzucht ist ein Familienbetrieb zwischen Bad Hersfeld und Fulda. Die Schreibers bewirtschaften rund 200 Hektar, auf der Hälfte davon werden Winterweizen, Wintergerste, Sommergerste und Hafer vermehrt – rund 800 Tonnen im Jahr. Neben dem Betriebsleiter- Ehepaar helfen die drei Söhne 15,13 und 10 sowie der Vater, ein bis zwei Azubis und eine Saisonarbeitskraft im Betrieb mit. Die Ernte wird im Betrieb aufbereitet, wenn nötig getrocknet und dann größtenteils an die VO-Firmen ausgeliefert; etwa ein Drittel wird über die Wehrdaer Saatzucht direkt an Landwirte vermarktet. Auch alle anderen landwirtschaftlichen Ansaaten können bestellt werden.

Das zertifizierte Saatgut wird zu fast 100 Prozent am Betrieb gebeizt. Die eigene Beizstelle ist zertifiziert für alle Produkte, es wird vor allem mit „Rubin plus“ gegen samen- und bodenbürtige Krankheiten inklusive Typhula-Fäule gebeizt. „Es gibt aber auch einzelne Landwirte, die auf ungebeiztes Saatgut setzen; Bio-Betriebe sind allerdings keine mehr unter unserer Kundschaft, weil man dort eigene Strukturen aufgebaut hat“, so Schreiber.

Man versorge vor allem über die Raiffeisen und den eigenen Vertrieb die lokalen Ackerbaubetriebe mit regional erzeugtem Saatgut. Das habe durch die kurzen Transportwege finanzielle und ökologische Vorteile. „Die Landwirte der Region können sich die Getreide-Sorten bei uns über die ganze Vegetationszeit hinweg im Feld anschauen und sich von der Qualität überzeugen“, betont der Betriebsleiter.

In der 2015 gebauten Halle am Standort kann das gesamte Saatgetreide, das zuvor im Betrieb aufbereitet und abgesackt wurde, gelagert werden. Aus Kosten- und Effizienz-Gründen werden nur 50-Kilo-Säcke, die am Standort palettiert gelagert oder ausgeliefert werden, verwendet. „Im Vergleich zu 25-Kilo- Säcken spart das teures Papier, aber auch teure Arbeitskraft ein.“

Die Versorgung mit Saatgut ist gesichert

Durch den aktuell andauernde Regen wurde die laufende Beerntung der fast auf allen Schlägen reifen Bestände ausgesetzt. Die bisherigen Erträge seien aufgrund der Trockenheit im Juni bei Wintergerste um rund ein Drittel niedriger ausgefallen als im Durchschnitt; Roggen liege rund 20 Prozent unter dem langjährigen Mittel. Zum Weizen kann Schreiber noch keine Aussage treffen, er rechnet aber damit, dass zumindest auf schwächeren Böden auch hier unterdurchschnittliche Erträge zu erwarten sind. Die Bodenzahlen bewegen sich auf den Flächen des Betriebes zwischen 15 und 75 Punkten.

Die Versorgung mit Z-Saatgut sieht Schreiber aber nicht in Gefahr. „Wer rechtzeitig bestellt, wird auch die gewünschten Sorten bekommen.“ An Win­tergerstensorten werden in Wehrda Julia, KWS Higgins, KWS Meridian und an Winterweizen Foxx, KWS Donovan, KWS Talent und RGT Reform vermehrt; außerdem die Sommergerste Planet und der Sommerhafer Max.

„Ich würde heute nicht mehr einsteigen“

Schreiber ist auch im Vorstand des Saatbauverbandes und hat daher einen guten Einblick in die Branche. Leider gebe es immer weniger kleine regionale Erzeuger und der Trend zu großen Strukturen sei auch hier ungebrochen. „Wir haben in Hessen bei fallender Tendenz maximal noch 20 Betriebe, die diesen Aufwand betreiben. Leider ist die Vergütung nicht auf einem Niveau, das Landwirte zum Einstieg bewegen würde. Die Investitionskosten für Aufbereitungsanlagen und Beizstelle wären bei einer Vergütung von heute etwa 9 bis 10 Euro pro Dezitonne und der unsiche­ren politischen Vorgaben – beispielswei­se bei den Vorschriften zum Beizen – einfach zu groß. Ich würde nicht neu in die Saatgutproduktion einsteigen.“

Hinzu käme das Risiko einer Aberkennung im Lauf der Saison. Die Aberkennungsquote sei zwar gering, aber das Risiko liege beim Erzeuger, der die aufwändig produzierte Ernte dann nur noch als Konsum-Getreide vermarkten kann. Auch der Aufwand für Rückstellmuster, Dokumentation und Kontrolltermine sei nicht zu unterschätzen.

„Bei der Ernte müssen wir darauf achten, nicht zu scharf zu dreschen, weil dadurch die Körner beschädigt und die Keimfähigkeiten verringert werden können. Das wiederum erhöht den Aufwand bei der Aufbereitung, zum Beispiel beim Entgrannen. Insgesamt muss man schon sagen, dass der Aufwand relativ hoch ist und die Vergütung besser sein könnte“, resümiert Axel Schreiber am Ende des Betriebsrundganges.

KB – LW 31/2023