Die Zukunft der GAP

VLF-Tagung in Idstein über Legislativvorschläge ab 2014

Die Fortbildungsreihe der Landwirtschaftlichen Fachtagung im Nassauer Land, die von den Vereinen Landwirtschaftlicher Fachschul­absolventen organisiert wird und inzwischen zum 17. Mal stattfand, befasste sich dieses Jahr mit den Legislativvorschlägen der Europäischen Kommission zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ab 2014. Bei der zentralen Veran­staltung vorigen Freitag in Idstein hörten circa 100 Betriebsleiter, Junglandwirte und Fachschüler Inhalte der EU-Agrarreform und beteiligten sich an einer Podiumsdiskussion über ihre Auswirkungen auf die Betriebe in Hessen.

Podiumsdiskussion über die Vorschläge der Europäi­schen Kommission zur GAP ab 2014 mit, von links: Dr. Karl-Heinz Heckel­mann (Amt für den ländlichen Raum), Dr. Hans Hermann Harpain (Hessischer Bauernverband), Dr. Hans Theo Jachmann (Industrieverband Agrar), Michael Rothkegel (BUND Hessen), Gerald Wehde (Bioland), und Werner Born (VLF).

Foto: Moe

Karl-Peter Mütze, Vorsitzender des Landesverbandes landwirtschaftlicher Fachschulabsolventen, eröffnete die Fachtagung. Bürokratieabbau sehe an­ders aus, denn die neue Agrarpolitik nach 2013 erfordere nach ersten Einschätzungen einen 18 Prozent höheren Verwaltungsaufwand.

Die Ausgleich­s­zah­lung (AGZ) auch Bergbauern­prä­­mie genannt, werde sinken. Bislang sind 340 000 ha, das heißt etwa die Hälfte der Landwirtschaftsfläche Hessens in der Gebietskulisse. In der neuen Gebietskulisse sollen es künftig rund 100 000 ha weniger sein, das heißt, dass dann nur noch circa 30 Prozent in der AGZ-Kulisse wären.

Weitere Ehrengäste hielten ein Grußwort, die den Stellenwert dieser Fachtagung des VLF unterstrichen. Viel Beifall erhielt Helga Skolik, Stadträtin von Wiesbaden und ebenso Land­frau aus Erbenheim, die zu den neuen Legisaltivvorschlägen meinte „Lassen Sie sich von Brüssel nicht einschüchtern, gehen Sie auf die Straße und demonstrieren Sie.“

Werner Born, VLF Hof Geisberg, Wiesbaden, führte souverän durch die Veranstaltung. Der Vizepräsident des Hessischen Bauernverbandes, Armin Müller, hielt das Schlusswort.

Inhalte der Legislativvorschläge

Dr. Willi Schulz-Greve von der Generaldirektion Landwirtschaft und ländliche Entwicklung der Europäischen Kommission aus Brüssel hatte seinen Vortrag kurzfristig abgesagt.

Dafür sprach Dr. Karl-Heinz Heckelmann, Leiter des Amtes für den ländli­chen Raum in Bad Homburg und informierte über die Legislativvorschläge zur EU-Agrarpolitik nach 2013. Kernaussage seiner Ausführun­gen ist, dass sich die Richtung der Agrarpolitik häufig ändert und sich daher die Betriebe weniger an aktuel­len Fördermaßnahmen, vielmehr an den An­for­de­rungen des Marktes aus­richten sollten.

Dr. Heckelmann begann mit einem Rückblick zur Entwicklung der EU-Agrarpolitik seit dem Jahr 1950 und führte aus, dass zunächst mit dem Mansholt-Plan (1968) auf die Förderung des Wachstums der Betrie­be gesetzt wurde. Nach den damaligen Plänen sollte ein moderner Ackerbaubetrieb auf rund 100 ha wirtschaften, ein Milchviehbetrieb zwischen 40 und 60 Kühe halten oder ein Veredlungsbetrieb zwischen 800 und 1 000 Schweine mästen.

In den 90er Jahren sei ein Kurswechsel der EU-Agrarpolitik eingeläutet worden und zwar von der Preisstützung zur Produktprämie, die sich an der Größe der Anbaufläche orientierte. Zur Marktentlastung mussten die Landwirte auch Flächen stilllegen, konstatiert Heckelmann.

Mit jeder Reform mehr Bürokratie

Kritisch sieht Dr. Heckelmann auch die Brüsseler Vorschläge zur Reform der Agrarpolitik nach 2013. Er rechnet bei Umsetzung mit deutlich mehr Bürokratie. „Bis jetzt hat jede Reform der Agrarpolitik zu mehr Verwaltungsaufwand in den Landwirtschaftsämtern und auf den Betrieben geführt.“

Nach den Vorschlägen orientieren sich die neuen Förderungs­voraussetzungen unter anderem am Begriff „aktiver Landwirt.“ Dazu zählt jeder Betrieb, der nachweist, dass seine Direktzahlung mehr als 5 Prozent seiner Erlöse aus nichtandwirtschaftlicher Tätigkeit betragen.

Bis zu 10 Prozent der Direktzahlungen der ersten Säule können die Bundesländer kürzen und diese Mittel in die zweite Säule der Agrarpolitik für Kofinanzierungsmaßnahmen der EU mit den Bundesländern übertragen. Die Modulation greife künftig ab dem ersten Euro der Auszahlung und nicht wie bisher ab Zahlungen von 5 000 Euro. Zur Kappung und Progression hieß es, dass bei Beträgen ab 150 000 Euro 20 Pro­zent der Direktzahlungen des Betriebes in die Modulation fließen. Die Kappungsgrenze liege bei 300 000 Euro, jeder Euro darüber wird also zu 100 Prozent einbehalten. Wesentliche Anforderungen durch das Greening seien:

  1. Grünlandumbruchverbot
  2. 2. Fruchtarten sind zu diversifizieren, mindestens drei Kultur­arten müssen angebaut werden,
  3. mindestens 7 Prozent der Ackerfläche muss der Betrieb als sogenannte ökologische Vorrangflächen bereitstellen. Ausgenommen sind Grünland- und Ökobetriebe.

Bei einem geringen Eigentum­anteil von circa 10 Prozent an ihrer gesamten Bewirtschaftungs­fläche vieler Betrie­be hält Heckelmann das Greening für besonders nachteilig bezüglich der betrieblichen Fortentwicklung. Bei 4 700 Betriebe in Hessen (das sind etwa 22 Prozent) würde jeder dieser Betriebe weniger als 1 000 Euro Direktzahlungen erhalten. Diese Betriebe sollen künftig unter der Kleinerzeugerregelung fallen und sind damit vom Cross-Com­pliance und vom Greening befreit. Für die Mehrheit der Betriebe in Hessen sei dies damit nicht relevant, eher für die EU-Südländer.

100 ha Betrieb verliert 16 000 Euro

Dr. Heckelmann machte eine Beispielrechnung zu den Auswirkungen der neuen GAP auf. Demnach führe die Umsetzung bei einem 100 ha Betrieb rechnerisch zu einem Minus der Direktzahlun­gen aus der ersten Säule von rund 16 000 Euro. Zwar erhalte der Landwirt dann voraussichtlich eine höhere Summe aus der zweiten Säule, das heißt durch die Agrarumweltmaßnahmen, allerdings sei die Teilnahme an den Agarumtweltmaßnahmen nur mit wirtschaftlichen Einbußen des Betriebes verbunden. Letztlich sei es damit eine Kürzung für den Betrieb von rund 10 Prozent.

Hinsichtlich der Frage, wie sich Betriebe weiterentwickeln könn­en, beispielsweise ob konventionell oder öko, meinte Heckelmann: „Sie wollen Nahrungsmittel, Dienst­leis­tungen oder Energie produzieren. Dabei würde ich mich nicht auf die Politik verlassen. Für Ihre unternehmerische Entscheidung sollte vielmehr zählen, was der Markt will.“ Schaue man auf die langjährige Entwicklung, zeige sich, dass ein Betrieb etwa alle zehn Jahre seine Produktion verdoppeln müsse, um weiter bestehen zu kön­nen. Das zu schaffen, geht laut Heckelmann allerdings nicht nur über das Wachsen in der Fläche, vielmehr durch die Erhöhung der Wertschöpfung. Betriebliches Wachsen über die Fläche sei oft nicht möglich. In Hessen bewirtschafte ein Viertel der Betriebe etwa 70 Prozent der Ackerfläche.

EU-Osterweiterung kostet Geld

Insbesondere das Greening spaltete die Vertreter der Fachverbände auf dem Podium, mit: Dr. Hans Theo Jachmann, Präsident des Industrieverbandes Agrar, Dr. Hans Hermann Harpain (HBV), Gerald Wehde von der Fachstelle Agrarpolitik des Biolandverban­des und Michael Rothkegel vom BUND Hessen.

Der stellvertretende Generalsekretär des Hessischen Bauerverbandes, Dr. Hans Hermann Harpain, befürchtet durch die Agrarreform eine Umverteilung der Mittel in der EU zu Lasten der Betriebe in Deutschland. Wie bislang jeder Agrarkommissar, habe auch der amtierende Agrarkommisar, Dr. Dacian Ciolos, vorrangig die Interessen seines Heimatlandes im Blick. „Das, was wir erleben, ist dass die EU-Agrarpolitik als Länderfinanzausgleich missbraucht wird.“

Angesichts eines weltweit wachsenden Bedarfs an Nahrungsmitteln sei die Stilllegung von sieben Prozent der Ackerfläche im Rahmen des Greening unverantwortlich. Auch das generelle Grünlanderhaltungsgebot gehe für Hessen an den Rea­li­täten vorbei, so Dr. Harpain. Die von der Kommission errechneten Bürokratiemehrbelas­tungen seien absolut inakzeptabel.

Die Leistungen unserer Landwirtschaft müssten anerkannt werden. Die Landwirtschaft in Europa stelle die Versorgung von 500 Mio. Bürgern mit hochwertigen Nahrungsmitteln und nach­wachsenden Rohstoffen in historisch nie gekannter Qualität und Verfügbarkeit sicher. Sie stehe zugleich für hohe Standards in den Bereichen Lebensmittelsicherheit, Rückverfolgbarkeit, Tierschutz und Um­weltschutz. Das erfordere unbedingt auch die Finanzierung sicherzustellen und Kontinuität in der GAP zu wahren. Der Direktausgleich sei für die Betriebe in Hessen unverzichtbar, um den hohen Anforderungen der Gesellschaft an hochwertige Nahrungsgüter und der Bereitstellung von Umweltleistungen weiterhin erfüllen zu können, so Dr. Harpain.

Dr. Jachmann sprach unter anderem über die Hybridtechnolgie zur Sicherung der Welternährung. Diese bringe eine deutliche Ertragssteigerung und ist seiner Ansicht nach künftig bei allen Kuturarten zu finden, denn bei Weizen sei der derzeitige Züchtungsfortschritt mit etwa 1 Prozent im Jahr zu gering. „Wenn wir schon in Europa die Futtermenge einer Fläche von etwa 35 Mio. ha, das heißt der dreifachen Fläche von Deuschland, importieren, müssen wir dann noch Flächen stilllegen?“ Für ihn steht daher fest: „Wir brauchen beides, die Landwirtschaft muss mit der Gesellschaft im Reinen sein. Und der Landwirt muss auf seinem Acker bestmöglich wirtschaften können.“

Gerald Wehde sagte, dass Hessen mit einem Anteil von 10 Prozent ökologisch wirtschaftender Betriebe nach Brandenburg auf den zweiten Platz in Deutschland sei. Bioland setze sich für eine Stärkung der zweiten Säule ein und außerdem in der ersten Säule für die Förderung von Leguminosen.

Michael Rothkegel, stellte heraus, das Leitbild des BUND sei der ökologische Landbau und man befürworte die Vorschläge zur EU-Agrarpolitik nach 2013. „Das Geld der Steuerzahler darf künftig nur für gesellschaftliche Leistungen gezahlt werden. Die Agrarpolitik muss sichtbar Leistungen für die Gesellschaft gewährleisten.“ Weiterhin meinte Rothkegel, es dürfe nicht bei den öko­logischen Vorrangflächen bleiben, auch die Herkunftskenn­zeichnung der Produkte müsse gefördert werden. Er kritisierte, dass die EU sich nicht zur Richtung der Landwirtschaft äußere, ob diese ökologisch oder konven­tionell sein soll. Ein Erhalten der bäuerlich ökologi­schen Landwirtschaft sieht er als „Gegenmo­dell zu Industrialisierung der Landwirtschaft.“

Moe