Die Zukunft sichern – auch die der nächsten Generation
Prof. Braun bei Großveranstaltung der VLF Nordhessen in Borken
Landwirtschaftliche Familien im Spannungsfeld zwischen Leistung und Lebensqualität lautete das Thema der diesjährigen Großveranstaltung der Vereine für landwirtschaftliche Fortbildung im Schwalm-Eder-Kreis und des Agrartechnikerverbandes Fritzlar, die kürzlich in Borken stattfand.
Die Veranstalter wollten Antworten auf die Frage finden, wie landwirtschaftliche Familien mit dem Druck umgehen könnten, der durch zunehmende Arbeitsbelastungen in wachsenden Betrieben und eine ungewisse Zukunft aufgrund immer häufiger auftretender Preisschwankungen auf den Agrarmärkten entsteht. 280 Besucher waren gekommen, um die Referenten, den ehemaligen Konzernchef und heutigen Aufsichtsratsvorsitzenden der B. Braun AG Melsungen Prof. Dr. h.c. Ludwig Georg Braun zum Thema aus der Sicht des Unternehmers und Rolf Brauch vom Bildungshaus Neckarelz in Baden-Württemberg zu hören, der den Focus auf die zwischenmenschlichen Probleme in den Familien gerichtet hatte.Vom Einkommen leben können
Prof. Braun machte in seinen Ausführungen zum Thema „Wie sichere ich meine Zukunft als Unternehmer“ deutlich, dass zwischen der Zukunftssicherung eines industriellen und land-wirtschaftlichen Unternehmens eine Reihe von Parallelen bestehen. Die wichtigste Voraussetzung für den Erfolg liege darin, dass der Unternehmer oder Leiter eines Betriebs Freude an seiner Arbeit habe und mit ganzem Herzen dabei sei. Erfolg stelle sich besonders dann ein, wenn der Beruf auch Berufung sei. Der Unternehmer müsse allerdings die Chance haben, die notwendigen Gewinne für sich und das Unternehmen zu erwirtschaften. In einer globalen Welt müssten Unternehmen daher so aufgestellt sein, dass sie sich gegenüber ihren Konkurrenten behaupten können. Am Beispiel vieler deutscher Unternehmen gelinge dies bei gleicher Technologie auch gegenüber Niedriglohnländern. Besonders vorteilhaft für den Standort Deutschland sei, dass durch verlässliche Zulieferer und Energieversorger hohe Maschinenlaufzeiten möglich seien und Ausfallzeiten sowie Störungen im Produktionsablauf nur selten auftreten. So könne der Ausfall eines Computers durch Stromunterbrechung erhebliche Folgen haben, auch wenn es gelänge das Gerät in kurzer Zeit wieder hoch zu fahren.
Für die Betriebe, bei denen ein vergleichsweise hoher KapitalÂeinsatz notwendig sei, rechne sich dieser Einsatz in der Regel erst durch staatliche Hilfen. Dies sei bedauerlich, weil jegliches Wirtschaften die Möglichkeit bergen müsse, vom Einkommen angemessen leben zu können und dabei gleichzeitig die Unternehmung weiter zu entwickeln. In den politischen Rahmenbedingungen und Einkommenshilfen sieht Braun eine Gefahr der ständigen Abhängigkeit. In Finanzkrisen könnte ein Ausfall von fest einkalkulierten Ausgleichzahlungen zu erheblichen Problemen führen und für viele Betriebe die Insolvenz bedeuten. Um diesem Scenario zu entgehen, empfiehlt der Referent Wachstumsschritte gründlich zu planen und vorab ökonomisch zu bewerten.
Dabei sollten Wachstumsschritte nur in dem Maße vorgenommen werden wie sie finanziell verkraftet werden können, weil sie sich im Nachhinein als Fehltritt erweisen können. Braun erinnerte dabei an Negativbeispiele einiger Großkonzerne, die den Versuch einer Diversifizierung wieder zurückgefahren haben, um sich auf ihr Kerngeschäft zu konzentrieren und so wieder bessere Unternehmensergebnisse erzielen konnten.
In Bildung investieren
Für die Landwirtschaft bestehe diese Gefahr ebenfalls. Aus Sicht des Referenten bietet der Betriebszweig „Photovoltaik“ keine Nachhaltigkeit für den landwirtschaftlichen Betrieb. Braun sieht die ökonomische Förderung dieser Technologie aufgrund der hohen Stromer-zeugungskosten als eine politische Fehlentwicklung und Geldvergeudung an. Aus seiner Sicht hätten die eingesetzten monetären Mittel im Bereich Bildung wesentlich bessere Wirkungen erzielt. Denn hier zeichne sich immer stärker ein Mangel an Fachkräften ab, die zum Bestehen im internationalen Wettbewerb unbedingt notwendig seien. Um diesen Mangel zu vermeiden, bediene sich die Firma Braun inzwischen auch im europäischen Raum und stelle beispielsweise spanische Ingenieure ein, was durch die Freizügigkeit innerhalb der EU ohne Probleme sei.
Für die Landwirtschaft sieht Braun ähnliche Chancen. Der besondere Vorteil der deutschen Landwirte werde durch die besonders gute Ausbildung und die Motivation zum Unternehmertum deutlich. Erfolgreiche Betriebe hätten in der jüngeren Vergangenheit mit Mut und KönÂnen einen erheblichen Strukturwandel vollzogen.
Wo weitere WachstumsschritÂte ökonomisch, politisch oder aus gesellschaftlichen Gründen nicht möglich seien, müsste nach Alternativen Ausschau gehalten werden, die zu einer Diversifizierung wie Produktverarbeitung oder Direktvermarktung oder anderen Produktionsweisen in NischenÂbereichen führen können. Braun mahnt auch bei solchen Veränderungen ein organisches Wachstum an, bei dem die Entwicklungsschritte auf die Möglichkeiten des Unternehmens abgestimmt sind.
Globalisierung schreitet voran
Bei zunehmender Globalisierung böten sich auch im Osten Chancen für die Landwirtschaft. Jedoch sollte sich der Unternehmer immer die Frage stellen; „Rechnet sich meine Investition? Kann ich auch mit einer geringeren Marge auskommen?“ Von besonderer Bedeutung sei dabei, dass man gegen sich selbst objektiv bleibe. Faszination und Wachstum sollten in einem passenden Verhältnis stehen.
Familiäre Konflikte lösen
Rolf Brauch beschrieb in seinem Referat „Turbolader im Betrieb – Kolbenfresser in der Familie“ anhand von Beispielen aus seiner Praxis als Berater und Mediator wie gerade in wirtschaftlich erfolgreichen Betrieben familiäre Konflikte entstehen können, die katastrophale Auswirkungen auf die betroffene Unternehmerfamilie haben. So gebe es Beispiele, bei denen zwischen Senior- und Juniorleitung nicht mehr miteinander geredet werde, oder wo die potenziellen Betriebsnachfolger völlig mit den Eltern gebrochen hätten und seit Jahren nicht mehr auf dem heimatlichen Betrieb aufgetaucht wären.
Entscheidend für ein nachhaltiges und erfolgreiches landwirtschaftliches Unternehmen sei eine funktionierende Vater-Sohn-Beziehung. Ursachen für Konflikte sieht der Referent in erster Linie in der Tatsache, dass der Altlandwirt nicht loslassen kann und damit die erwartete Hofübergabe verzögert.
Brauch empfiehlt daher allen Landwirten über 50, die über einen in den Startlöchern stehenden gut ausgebildeten Hofnachfolger verfügen, Hobbys oder Ehrenämter, die sie davon abhalten, in ihrer landwirtschaftlich weniger aktiÂven Zeit „in ein Loch zu fallen.“ Konflikte zwischen den Generationen in landwirtschaftlichen Unternehmen ließen sich durch eine klare Aufgabentrennung löÂsen, wobei sich die ältere GeneraÂtion stärker zurücknehmen müsse.
Gegenseitige Wertschätzung
Ideal seien neue Beschäftigungsfelder in Gremien oder in anderen gesellschaftlichen Bereichen, wo die Fähigkeiten und Erfahrungen der scheidenden Unternehmer willkommen sind. Für eine geordnete und von allen getragene Hofübergabe stelle sich in der Familie dann die Frage, „Wie stelle ich GerechtigÂkeit her?“ Entscheidend sei die gegenseitige Wertschätzung. Er empfiehlt, für den eigenen Lebenserfolg zu sorgen. Hierzu zählen neben Erfolg im Betrieb, dass es gelingt, harmonische Familienbeziehungen zu pflegen. Für Paare sei wichtig, dass untereinander möglichst viel kommuniziert werde und gemeinsamen Aktivitäten nachgegangen werde. Brauch sieht gerade hier für landwirtschaftliche Familien einen erheblichen Bedarf, da die Trennlinie zwischen Arbeit und Freizeit in landwirtschaftlichen Unternehmen nicht deutlich zu ziehen sei. Ziel müsse sein, im Leben ein Gleichgewicht herzustellen. Dazu zähle auch, dass es gelingt, einen klaren Ãœbergang zwischen Familie und Betrieb zu schaffen.
Dr. Hildebrandt, LLH