1 kg Gänseblümchensamen bringt 600 Euro

7. Ackerbautag Main-Kinzig

Gut 150 Besucher nahmen letzte Woche in Gründau-Gettenbach am 7. Ackerbautag Main-Kinzig teil. Die Themen reichten von Wurzeln als Humusbildner, Schneckenbekämpfung, Anbau von Wildpflanzen und ersten Nmin-Ergebnissen über Weizenkontrakte bis zur EU-Agrarpolitik.

Zum Thema „Welche Bedeutung hat die Bewurzelung für einen erfolgreichen Ackerbau?“ hatten die Veranstalter eine der bedeutendsten Wurzelforscherinnen gewinnen können. Dr. Monica Sobotik vom Pflanzensoziologischen Institut Klagenfurt, Kärnten, Österreich, stellte mit beeindruckenden Bildern Bewurzelungstypen, den Bau der Wurzeln und die Bewurzelung verschiedener Ackerkulturen vor. Dabei erläuterte sie die breite Palette der Aufgaben und Leistungen der Wurzeln von der Assimilatspeicherung über die Wasseraufnahme, den Wurzeldruck und Stofftransport, der Stoffabgabe in die Rhizosphäre, der Hormonbildung in der Wurzelspitze, den Gasaustausch, die Erschließung des Bodenraumes, die Verankerung der Pflanze und den Wurzelzug, die Bodenlockerung, die Krümelbildung und Humusbildung sowie Symbiosen mit Pilzen und Bakterien.

Auch unter der Bodenoberfläche wird um Raum konkurriert

Die Referentin ging dabei auch auf Wurzeln als Zeiger von Schadverdichtungen ein und erläuterte Wurzelkonkurrenzen, die beispielsweise zur Unkrautregulierung genutzt werden können. So würde die Ackerkratzdistel durch Wurzelkonkurrenz der Luzerne und der Ackerschachtelhalm durch Wurzelkonkurrenz des Rotklees erfolgreich zurückgedrängt, und die Wiesenrispe sei gut geeignet, um die Brennnessel in Schach zu halten.

Eine besondere Bedeutung komme den Wurzeln allerdings als Humusbildner zu. Um hier unterstützend zu wirken, komme dem Anbau von Zwischenfrüchten eine große Bedeutung zu. Um sich ein Bild über die Durchwurzelungsverhältnisse auf den eigenen Ackerböden zu machen, empfiehl die Referentin, Wurzeln freizulegen – zumindest bis zur Pflugsohle – und dabei auf Anomalien beim Wurzelwachstum wie plötzliche Richtungsänderungen oder Stauchungen zu achten. Bei Vergleichen zwischen Bearbeitungsvarianten mit und ohne Pflug sei das Wurzelwachstum in pfluglosen Anbauverfahren ungestörter.

Dr. Monica Sobotik erläuterte die breite Palette der Aufgaben und Leistungen von Pflanzenwurzeln.

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Dr. Adel El Titi: „Wer Schnecken bekämpfen will, muss deren Biologie kennen.“

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Die Hoffmann-Rieger GmbH von Ernst Rieger sucht Landwirte zur Wildpflanzen-Produktion.

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Fünf Schneckengenerationen im Jahr auf deutschen Äckern

Dr. Adel El Titi, ehemals LTZ Augustenberg, ging anschließend der Frage „Wie bekämpfe ich Schnecken?“ nach. Der Referent machte deutlich, dass zur effektiven Bekämpfung von Schnecken deren Biologie bekannt sein müsse. Nacktschnecken – und hier sei die genetzte Nacktschnecke der Schädling, der zu 90 Prozent im Ackerbau anzutreffen sei – sind Zwitter und könnten sich über das ganze Jahr vermehren. Nach der Eiablage (ca. 500/Schnecke) schlüpfen die jungen Schnecken nach etwa zwei bis vier Wochen und erlangen nach sechs Wochen Geschlechtsreife. Somit seien jährlich rund fünf Generationen und eine Vermehrung auf theoretisch 31 Trillionen Nachkommen pro Jahr möglich.

Zu den bedeutenden Eigenschaften der Nacktschnecken zählen die Tatsachen, dass die Schädlinge und deren Eier meistens in den obersten 5 cm des Bodens anzutreffen sind und sie nicht aktiv graben können, sondern auf bestehende Hohlräume im Boden angewiesen sind. Der Schneckenkörper könne bei geringer Luftfeuchtigkeit leicht austrocknen. Kommt sie aber mit Wasser in Kontakt, könne sie sehr schnell regenerieren.

Zur Ernährung nutzt der Schädling frisches Pflanzenmaterial, wirbellose Kadaver, Pflanzen in der Zersetzungsphase und gelegentlich auch Regenwürmer und andere Schnecken. Bedeutend sei, dass sie nur bis maximal 10 cm von einer Nahrungsquelle sensorisch angezogen werde. Nach Titi spielt bei Schnecken der Geschmackstrieb eine wesentliche Rolle bei der Nahrungsauswahl wobei Inhaltsstoffe wie Silizium und die Pflanzenbehaarung von Bedeutung sei.

Strohabfuhr schmeckt Schnecken nicht

Der Einfluss von Bewirtschaftungsmaßnahmen zeige, dass die Abfuhr von Stroh gegenüber der Einarbeitung Vorteile bringe. Hinsichtlich der Bearbeitungsverfahren Pflug, Flügelschargrubber und Direktsaat wurden die besten mechanischen Bekämpfungsergebnisse durch den Grubbereinsatz erzielt. Eine weitere Verbesserung wurde durch Walzen erreicht, wobei die Pflugvariante mit der Grubberparzelle wieder gleich ziehen konnte. Auch bei der Direktsaat wurde durch Walzen eine verbesserte Keimlingsdichte von 20 auf 30 Rapspflanzen erreicht. Bei der Pflugvariante erhöhte sich die Keimlingsdichte von 20 auf 40 und beim Grubberversuch von 30 auf ebenfalls 40.

Deutliche Verbesserungen wurden durch den Einsatz von Schneckenkorn erzielt. Verluste durch Schneckenfraß traten deutlicher auf, wenn die Saat verspätet und flach (2,5 cm im Vergleich zu 5 cm) durchgeführt wurde. Die Frage nach einer Schadschwelle zur Schneckenbekämpfung sei schwierig zu beantworten und hänge auch von den aktuellen Witterungsbedingungen ab. Titi empfiehlt den Einsatz von Schneckenfolien, die über das Potenzial von Schnecken auf dem beprobten Standort informieren. Beim Einsatz von Schneckenkorn sollte dieses bei der Aussaat verabreicht werden.

Gewinnung und Vermehrung von Wildpflanzen ist aufwändig

Ernst Rieger von der Hoffmann-Rieger GmbH referierte anschließend über den Anbau von Wildpflanzen. Das Unternehmen sammelt und vermehrt Wildblumen und Wildkräuter zum Anbau als Blühstreifen, Wildäcker und zur Erzeugung von Arzneipflanzen. Rieger beschreibt die sehr aufwändige Suche, Sammlung und Isolierung von Originalpflanzen in ursprünglichen Regionen, deren Anzucht und Vermehrung an für die Pflanzen typischen Standorten sowie die aufwändige Ernte, Samengewinnung, Trocknung und Reinigung bis hin zum Vertrieb.

Rieger erläuterte, wie bei einigen Pflanzenarten ein besonders hoher Handarbeitsaufwand betrieben werden muss, um zum gewünschten Saatgut zu kommen. Niedrige Pflanzenhöhen und zu unterschiedlichen Zeitpunkten abreifende Wildpflanzen müssen durch Schneidlader geerntet und anschließend vor dem Drusch aufwändig getrocknet werden. In manchen Fällen wird auch der Einsatz von Vogelschutznetzen und eine sich häufig wiederholende Handernte durch Samenzupfen notwendig. Um Verunkrautung vorzubeugen, wird bei der Pflanzenvermehrung darauf geachtet, dass die Böden vor der Aussaat peinlichst durch mehrere Bodenbearbeitungsgänge sauber gehalten werden.

Die Saatgutmischungen werden vom Unternehmen je nach Bedarf gemischt. Rieger zeigt anhand von Beispielen eine weite Palette der verfügbaren Wildsaatgutmischungen, wobei neben den einzelnen Blühpflanzen auch nach der Standzeit von Mischungen (2 bis 5 Jahre) sowie nach dem Pflegeaufwand durch Schnitte und Mulchen unterschieden wird. Das Unternehmen ist zur Produktion von Wildpflanzensaatgut ständig an der Mitarbeit zusätzlicher Landwirte interessiert und bietet entsprechende Konditionen. So könnte ein Erzeuger von Gänseblümchensamen für ein Kilogramm Erntegut 600 Euro beim Verkauf an den Wildsamenhändler erlösen.

Erste Nmin-Ergebnisse vorgestellt

Rebecca Foth, Schnittstelle Boden, stellte fest, dass Wintergetreide aktuell zufriedenstellend entwickelt ist.

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Rebecca Foth von der Schnittstelle Boden ging anschließend auf die ersten Ergebnisse der Bodenuntersuchungen in Mittelhessen ein. Wintergetreide sei zum augenblicklichen Zeitpunkt zufriedenstellend entwickelt und könne nach den bisherigen Nmin-Ergebnissen mit 50 bis 60 kg N/ha angedüngt werden. Dabei sollten allerdings auch die Standortbedingungen und die Vorbewirtschaftung berücksichtigt werden. Die Referentin weist darauf hin, dass N-Tester und Düngefenster bei der Bemessung der N-Gaben hilfreich sind. Nicht vergessen werden sollte eine Schwefeldüngung von etwa 20 kg/ha.

Auch die Rapsbestände seien zufriedenstellend bis gut entwickelt. Die Expertin empfiehlt eine erste Düngergabe zur Regeneration und eine zweite Gabe zur Ertragsanlage. Für 50 dt/ha brauche der Raps 160 kg N/ha und 40 kg Schwefel/ha. In den Maßnahmenräumen der Gewässerschutzberatung bietet die Schnittstelle Boden und die WRRL-Beratung eine Düngungsempfehlung nach Pflanzenentwicklung an. In drei Wiederholungen sind je 1 m² Frischmasse abzuschneiden und zu wiegen, worauf eine individuelle Düngeempfehlung gegeben werde.

Wann kaufen die Banken Weizenkontrakte?

Pflanzenbauberater Stephan Brand von der LLH-Beratungsstelle Wächtersbach beleuchtete den Weizenmarkt und empfahl die Nutzung zeitnaher Datenquellen im Internet, die ein besseres Marktverständnis ermöglichen sollen. Als Indikatoren und Einflussgrößen für die Marktentwicklung zog Brand kostenlose Börseninformationen aus dem Internet zu Rate und stellte die Frage, wann kaufen die Banken Weizenkontrakte und welche Rolle spielt die Saisonalität bei der Bildung des Weizenpreises.

Ein langfristiger Trend ist bei Betrachtung der Börsenentwicklung an der Börse Chicago (cbot) wie auch der Börse Paris (Matif) jeweils unter „www.barchart.com“ möglich. Langfristige Betrachtungen werden auch von der US-Regierung (USDA) vorgenommen und sind im Internet unter www.fas.usda.gov/psdonline/psdQuery.aspx abrufbar. Brand zeigte an Beispielen, wie die entscheidenden Informationen aufgerufen und für den eigenen Bedarf gefiltert werden können. Bei Betrachtung der Ergebnisse zur Versorgungslage als Lagerbestandsreichweite in Tagen von 1960 bis 2012 konnte er die Auswirkungen auf steigende und fallende Weizenpreise deutlich machen.

Aktuell zeige sich an den Börsen in Chicago und Paris seit Dezember 2012 ein Abwärtstrend. Die Kontrakte für November 2013 werden derzeit mit 218 Euro/t gehandelt. ‑ nach 242 Euro/t für die Mai-Termine diesen Jahres. „Für diesen Trend zeichnen auch die derzeit guten Ernteerwartungen verantwortlich. Bei den Monatsreports der USDA wurde die erwartete Erntemenge von Januar bis Februar von 176,6 auf 176,7 Mio. t erhöht“, so Brand.

Zum Thema, „Wann kaufen Banken Weizenkontrahte“ sind nach Brand die wöchentlichen Berichte der US-Börsenaufsicht (www.cftc.gov/MarketReports/CommitmentsofTraders/index.htm“) entscheidend. Mit Hilfe dieser Informationen steigen die Banken dann ein, wenn eine positive Preisentwicklung zu erwarten ist. Brand empfiehlt zur Marktbeobachtung auch die ständig aktualisierten Internetinformationen des LLH unter „www.agrarberatung-hessen.de“ zu nutzen.

2014 wird agrarpolitisch ein Ãœbergangsjahr

Zum Abschluss referierte Gerd Trautmann vom Hessischen Landwirtschaftsministerium zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik ab 2015 und deren Auswirkungen auf den Ackerbau. Da der ursprüngliche Zeitplan der EU-Kommission nicht mehr einzuhalten sei, werde die beabsichtigte Umstellung der agrarpolitischen Maßnahmen voraussichtlich erst zum Jahr 2015 greifen, so dass 2014 ein Übergangsjahr sein werde, in dem die bisherigen Regelungen im Wesentlichen Bestand haben dürften.

Trautmann führte unter anderem aus, dass seitens des EU-Rates am 8. Februar der Beschluss gefasst worden sei, den Finanzierungsrahmen gegenüber dem Vorschlag der EU-Kommission um insgesamt 73 Mrd. Euro zu kürzen. Für den Agrarhaushalt sollen in dem 7-jährigen Zeitraum von 2014 bis 2020 373,2 Mrd. Euro zur Verfügung stehen, was globale Kürzungen von -1,8 Prozent für die erste Säule und - 7,7 Prozent für die zweite Säule bedeuten würde.

Nach Trautmann ist für Deutschland davon auszugehen, dass durch die Direktzahlungen-Konvergenz – die Angleichung der Direktzahlungen zwischen den Mitgliedstaaten – 4 Prozent zu Lasten der Betriebsprämien verloren gehen und rund 10 Prozent in der 2. Säule fehlen werden, was eine Reduzierung der Unterstützungen für Umweltmaßnahmen bedeute.

Kleinbetriebe sollen von Greening-Auflagen befreit werden

Für Kleinbetriebe, die in Hessen bis zu 25 Prozent aller Antragsteller ausmachen, sollen Befreiungen von Greenings- und Cross Compliance-Auflagen und damit auch von den Kontrollen erfolgen. Pauschal sollen diese Betriebe eine Zuwendung von bis zu 1 500 Euro/Betrieb erhalten können. Strittig ist, ob diese Regelung verpflichtend in den Mitgliedstaaten anzubieten ist. Hessen befürchtet hierdurch eine wundersame Vermehrung der Kleinbetriebe.

Die Neuabgrenzung der benachteiligten Gebiete ab 2015 soll künftig nicht mehr durch die LVZ sondern durch Merkmale wie Zahl der Tage über 5 °C, die Wasserführung des Bodens und Überflutungsflächen, die Bodenstruktur und Steinigkeit, die Durchwurzelungstiefe und die Hangneigung (grüößer 15 Prozent) bestimmt werden. Hessen könnte in diesem Fall bis zu 30 Prozent der Gebietskulisse für die Ausgleichszulage für benachteiligte Gebiete verlieren – bei sehr unterschiedlichen Veränderungen in den einzelnen Landkreisen.

Veranstaltet wurde der Ackerbautag vom Landrat des Main-Kinzig-Kreises, dem Kreisbauernverband, der Raiffeisen Warenzentrale Kurhessen-Thüringen (Gelnhausen), dem Ehemaligenvereine landwirtschaftlicher Fach-schulabsolventen(Gelnhausen-Hanau-Schlüchtern), der Landtechnischen Fördergemeinschaft Gelnhausen, den Junglandwirten, dem Pflanzenschutzverein Büdingen, dem Bodenverband Main-Kinzig sowie der LLH Beratungsstelle Wächtersbach

Dr. Ernst-August Hildebrandt, LLH – LW 8/2013