100-Jahre Flurbereinigung in Neustadt

Visionen – Bedeutung – Zukunft des ländlichen Raumes

Um dem Jubiläum „100 Jahre Flurbereinigungsverwaltung“ zu gedenken, veranstalteten das DLR Rheinpfalz und die Akademie Ländlicher Raum im Herrenhof in Neustadt-Mußbach ein Symposium „Visionen – Bedeutung – Zukunft des ländlichen Raumes“.

Diskussionsrunde (v.l.) mit Prof. Dr. Hannes Kopf (Präsident SGD Süd), BWV-Präsident Eberhard Hartelt, Prof. Dr. Tine Köhler (Frankfurt University of Applied Sciences), Moderator Dr. Günter Hoos (Direktor des DLR Rheinpfalz), Kurt von Nida (Naturschutzbund Südpfalz) und Thomas Mitschang vertrat das Landwirtschaftsministerium.

Foto: Bettina Siée

Vertreter vieler Institutionen und Verbände versammelten sich im Herrenhof in Neustadt. Bei der Flurbereinigung werden mehrere kleine Grundstücke zu größeren Einheiten zusammengelegt, um die Produktionsbedingungen zu verbessern. Wie Dr. Günter Hoos, Direktor des DLR Rheinpfalz, feststellte, ist die Flurbereinigung zeitlos aktuell, allerdings haben sich die Zielsetzungen gewandelt. Vor 100 Jahren ging es darum, die Lebensgrundlage der Bevölkerung, die Ernährung, zu sichern, die durch Realteilung gefährdet war. In den 50er und 60er Jahren ermöglichte die Flurbereinigung die Mechanisierung der Landwirtschaft. Heute steht die Landentwicklung im Fokus. Es geht weiterhin um eine ökonomische Bewirtschaftung und effizienten Transport vom Acker zur Vermarktung, aber zudem werden Naturschutzaspekte berücksichtigt. Die Bodenneuordnung wirkt integrierend und ausgleichend, um Landwirtschaft, Naturschutz und Tourismus in Einklang zu bringen. Die Wege sind aber Landwirtschaftswege!

Die erste Flurbereinigung der Pfalz in Schiersfeld

Knut Bauer, Abteilungsleiter Landentwicklung/Ländliche Bodenordnung, erinnerte an die Geschichte der Flurbereinigungs­behörde. Bereits 1889 wurde vom Landesamt für Flurbereinigung in München das erste Flurbereinigungsverfahren in der Pfalz in der Gemarkung Schiersfeld durchgeführt – seit 1816 gehörte die Pfalz zu Bayern. Am 1. März 1923 trat ein neues Flurbereinigungsgesetz in Kraft, das Landesamt wurde aufgelöst und das Flurbereinigungsamt Neustadt gegründet. Weil das von der Stadt Neustadt 1913/14 errichtete und heute noch vom Kultur­amt genutzte Dienstgebäude damals von der französischen Besatzungsmacht beschlagnahmt war, behielt das Flurbereinigungsamt Neustadt vorerst seinen Sitz in München. Am 10. Dezember 1924 erhielt das Amt seinen Sitz in Neustadt, mit 26 Personen. Seit der Agrarverwaltungsreform des Landes 2003 ist die bis dahin eigenständige Einrichtung dem neu gegründeten DLR Rheinpfalz angegliedert.

Zielsetzungen haben sich in 100 Jahren verändert

„Die Flurbereinigung schafft es, agrarstrukturelle Zielsetzungen mit Naturschutz, wasserwirtschaftlichen, kommunalen und touristischen Zielsetzungen unter einen Hut zu bringen,“ so die rheinland-pfälzische Landwirtschaftsstaatssekretärin Petra Dick-Walther. Dies sei essentiell für die Entwicklung des ländlichen Raums in Rheinland-Pfalz. Neben der Vereinfachung der Bearbeitung landwirtschaftlicher Flächen gilt es, eine fortlaufende Weiterentwicklung und Optimierung zum Erhalt der Wirtschaftskraft und Kulturlandschaft in Rheinland-Pfalz zu fördern. Der anhaltende Strukturwandel, Klimawandel sowie Ressourcen- und Naturschutz bedingen Änderungen.

Die Entflechtung des landwirtschaftlichen Verkehrs vom Straßenverkehr, damit verbundene Entlastung der Ortschaften und Realisierung von ortsübergreifenden landwirtschaftlichen Verbindungswegen seien weitere Handlungsschwerpunkte der Flurbereinigung, erklärte Dick-Walther. Die Unterstützung der wirtschaftlichen Entwicklung und der Kommunalentwicklung durch die Bodenordnung, zum Beispiel durch Flächenmanagement für Erschließungsmaßnahmen stärke die Wirtschaft und erhalte Arbeitsplätze in der Region. Der Flurbereinigung stehen in den kommenden Jahren weitere große Aufgaben bevor.

Prof. Dr. Hannes Kopf, Präsident der Struktur- und Genehmi­gungsdirektion Süd (SGD Süd), dankte für die gute, enge Zusammenarbeit der beiden Behörden. Thomas Linnertz, Präsident der ADD, die landesweit sechs DLRs übergeordnet ist, betonte, dass nur in Rheinland-Pfalz Aufbaugemeinschaften gegründet werden können. „Eine Besonderheit, um die uns andere beneiden“, sagte er.

Kammerpräsident Ökonomierat Norbert Schindler appellierte an die zahlreich vertretenen Poli­tiker, dafür zu sorgen, dass sich die Flurbereinigungsverfahren nicht verlängern, meist durch überhöhten Umweltschutz, vor allem aber durch überbordende Bürokratie.

Prof. Dr. Tine Köhler (Frankfurt University of Applied Sciences) prangerte den Flächenverbrauch von 30 ha jeden Tag für Siedlung und Verkehr an. Auch die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie brauche Flächen, was meist in einer Flurbereinigung geregelt werde.

bs – LW 41/2023