2012 – ein Ausnahmejahr
Gute Beteiligung bei der Braugerstenrundfahrt im Hessischen Ried
Die diesjährige Braugerstenrundfahrt führte am Mittwoch der vergangenen Woche ins Hessische Ried. Armin Müller, Vorsitzender des Vereins zur Förderung des Braugerstenbaues in Hessen, begrüßte zu dieser Veranstaltung auf dem Bensheimerhof in Riedstadt-Leeheim insgesamt mehr als 40 Braugerstenerzeuger, Vertreter des Handels, von Mälzereien, Brauereien und Züchterfirmen sowie Berater.
Mit zwei Anhängern ging es durch die Gemarkung Leeheim – ein Trockenstandort, auf dem der Braugerstenanbau seit Jahrzehnten Tradition hat. Werner Wald, der mit seinem Sohn Mario in einer GbR 448 ha Ackerland, darunter 233 ha Winterweizen, 67 ha Wintergerste, 70 ha Sommergerste und 39 ha Zuckerrüben in Leeheim bewirt-schaftet, stellte seine Schläge vor und erläuterte die produktionstechnischen Maßnahmen. Für Wald ist das Anbaujahr 2012 mit lang anhaltenden Extremfrösten in der ersten Februarhälfte ein absolutes Ausnahmejahr und somit kein Maßstab. Er beklagte einige ausgewinterte Winterweizenbestände und die sehr unterschiedliche Abreife der Getreidepflanzen. Durchwuchsgetreide in der neu eingesäten Sommergerste stelle ein Problem dar, weil wegen den weitestgehend abgestorbenen Pflanzen kein Totalherbizid eingesetzt werden konnte. Frostnächte am 1. und 15. April hätten auch die Sommergerste geschädigt. Aufgrund fehlender Niederschläge habe er seine Flächen zum Teil beregnet, sagte Wald. In der Gemarkung Leeheim werden auch einige Hektar Zwiebeln und Erbsen angebaut. „Das sind gute Vorfrüchte für Vermehrungsflächen, denn sie räumen früh und hinterlassen ein sauberes Feld“, betonte der Ackerbauprofi und Saatgutvermehrer.Versuchswesen ist wichtig
Thomas Bickhardt, Pflanzenbauberater beim Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH) Griesheim, führte durch das Versuchsfeld Leeheim und ging besonders auf die Sortenversuche mit Winterbraugerste, wie z. B. Malwinta und Wintmalt, und Sommerbraugerste, z. B. Marthe, Quench, Grace und Propino, ein. Gabriele Käufler, Marktfruchtbaureferentin beim LLH, hob die Bedeutung des amtlichen Versuchswesens hervor. Wichtig seien auch mehrere Versuchsstandorte, um die jeweiligen Pflanzensorten unter verschiedenen Bedingungen prüfen zu können. Bei der anschließenden Diskussion auf dem Bensheimerhof stellte Armin Müller auch als Vizepräsident des Hessischen Bauernverbandes zu Beginn klar, dass der Berufsstand großen Wert darauf lege, das amtliche Versuchswesen in Hessen zu erhalten. Auf das Problem des möglichen Durchwuchses von Winterbraugerste in Sommer-braugerste und die damit verbundene „Verunreinigung“ eingehend, sagte Alfred Kroiher, Malzfabrik Durstmalz: „Es muss eine Regelung geben und es wird eine Re-gelung geben.“ Er empfahl den Vertragspartnern, vorab Gespräche zu führen, und dies nicht erst an der Gosse zu tun.
Braugerste aus Hessen
Vorsitzender Armin Müller wies darauf hin, dass nach Angaben des Hessischen Statistischen Landesamtes bei Winterweizen und Wintergerste in Hessen jeweils 40 Prozent der Flächen ausgewintert seien. In einigen Betrieben wurden bis zu 100 Prozent der Wintergerstenbestände umgebrochen und Sommergerste nachgesät. Deshalb könne man jedoch nicht davon ausgehen, dass das Angebot an Braugerste rasant ansteigen werde, nicht zuletzt wegen Ãœberschreitung der Eiweißgehalte. „Eine gute Braugerstenqualität mit entsprechendem Eiweißgehalt und Sortenreinheit muss sich auszahlen“, betonte Müller. Braugerste aus Hessen – wie kann der Anbau abgesichert werden? Dieser Frage ging Gabriele Käufler in ihrem Vortrag nach und nahm dabei auch die Mälzereien und Brauereien in die Verantwortung.
Low-Input-Kultur
Die LLH-Referentin sagte, dass die SommerÂgerstenÂanbauÂfläche in Deutschland seit 1991 von rund 1 Mio. ha auf circa 400 000 ha im vergangenen Jahr gesunken sei. Trotz des rückläufigen Anbaus seien die züchteriÂschen Aktivitäten mit 51 zugelasÂsenen Sommerbraugerstensorten und neun Winterbraugerstensorten beachtlich.
Obwohl der Bierverbrauch pro Kopf hierzulande seit Jahren stetig falle, stiegen die Braugerstenimporte. „Wegen der guten Vorfruchteigenschaften, dem Resistenzmanagement, den arbeitswirtschaftlichen Vorteilen und als Low-Input-Kultur liegen die Vorzüge des Braugerstenanbaus auf der Hand“, betonte Gabriele Käufler. Nicht zuletzt wegen der höheren Ertragssicherheit sei auch Winterbraugerste ein Thema, allerdings müsse das höhere Auswinterungsrisiko und ein höherer Aufwand für die Unkrautbekämpfung berücksichtigt werden. Die Pflanzenbauexpertin beleuchtete auch die Ertragsleistungen und Qualitätsdaten der verschiedenen Braugerstensorten in Abhängigkeit vom Standort.
Armin Müller dankte Dr. Karin Kraft für die Bereitstellung der Räumlichkeiten auf dem Bensheimerhof, Werner Wald für die informative Führung durch seine Braugerstenbestände und Ackerkulturen, den LLH-Beratern sowie Frank Luckhardt, RWZ Rhein-Main, und Dr. Ulrich Peters, Geschäftsführer der Licher Brauerei, für die Unterstützung der Verantstaltung.
Nach der Braugerstenrundfahrt wurde der Hessische Braugerstenverein gegründet (siehe folgenden Beitrag).
HBV