23 Länder bestimmen den Weizenmarkt in der Welt

Ackerbautag Main-Kinzig 2011 über volatilen Agrarmarkt

Gut Hühnerhof in Gründau-Gettenbach ist von Beginn an Standort des Ackerbautags Main-Kinzig, der in diesem Jahr zum fünften Male stattfand und bei den Landwirten im mittel- und osthessischen Einzugsgebiet wieder große Beachtung fand.

Axel Herlinghaus, DZ Bank in Frankfurt.

Foto: Ernst-August Hildebrandt

Die Veranstalter der Tagung, die LLH-Beratungsstelle Wächtersbach, der Kreisbauernverband Main-Kinzig, die RWZ Kurhessen-Thüringen, Filiale Gelnhausen, die Vereine Ehemaliger land­wirtschaftlicher Fachschulabsolventen Gelnhausen, Schlüchtern und Hanau, die land­technische Fördergemeinschaft Gelnhausen, der Verein der Junglandwirte und der Pflanzenschutzverein Büdingen hatten im Themenschwerpunkt Markt nach Antworten zu den richtigen Unternehmensstrategien bei stark schwankenden (volatilen) Preisen gesucht und hierzu namhafte Experten als Referenten gewonnen.

Weizenpreise vorhersagen

Diplomvolkswirt Axel Herlinghaus, Senior Rohstoffanalyst der DZ Bank Frankfurt, stellte Analysen, Modelle und Strategi­en des Handels vor, um Weizenpreise vorherzusagen. Grundsätzlich bestehen bei Roh­stoffen unterschiedlichster Art verschiedene Abhängigkei­ten. Langfristig habe bereits seit 2003 eine Rohstoffrallye an den Aktien- und Warenterminbörsen stattgefunden, die lediglich durch die Finanzkrise 2008/2009 unterbrochen wurde.

Für die Preisentwicklung bei den Agrarrohstoffen müsse der Analyst drei Gründe auf der Nachfrageseite, die Entwicklung der Weltbevölkerung (von rund 6 Mrd. im Jahr 2000 auf 9 Mrd. im Jahr 2050), die Zunahme der Biokraftstoffe aus Getreide und Mais (in USA fahren bereits 60 Prozent aller Pkw mit E15) und die Nachfrageentwicklung nach Fleisch und Fleischprodukten, da zur Erzeugung von Fleisch ein Mehrfaches an Getreide zur Fütterung der Masttiere verwendet werden muss. Zusätzlich seien im Wesentlichen zwei Gründe auf der Angebotsseite zu analysieren, die zum einen dadurch gekennzeichnet sei, dass langfristig lediglich mit 2 bis 3 Prozent Er­trags­­steigerungen zu rechnen sei und andererseits die Weltlagerbestände kontinuierlich gesunken seien. Hierin sei auch eine Ursache der hohen Preisvolatili­tät zu sehen. Bei niedrigen Lagerbeständen reiche ein Schock bei der Ernteerwartung, und der Preis springe augenblicklich nach oben. Hinzu komme, dass die Rohstoffmärkte in den letzten Jahren verstärkt das Interesse der Spekulanten gefunden habe, die Inflation in China inzwischen bei 5 Prozent liege und der Rohölpreis seit 2005 in den USA wegen der Ethanolherstellung zu 62 Prozent den Maispreis beeinflusse.

Der Rohstoffanalyst beobach­te zur Beurteilung der Weizenpreisentwicklung die Marktlage von 23 Ländern, die für den Welt­marktpreis bestimmend sind. Ein wichtiges Werkzeug hierzu sei ein Prognosetool der Universität von Illinois das im Wesentlichen vier Parameter für den Weltweizenmarkt mehrfach am Tag aktualisiert und für die Warenterminbörsenund über das Internet bereithält. Wichtige Informationen seien hierbei die Anbauflächen, Erträge und Lagerbestände, Witterungsdaten und Ertragserwartungen. Aktuell werde erwartet, dass China aufgrund zu trockener Bedingungen erhebliche Ertragsausfälle zu erwarten habe und ab Sommer Getreideimporte vornehmen müs­se. In Russland seien erhebliche Ausfälle bei Winterweizen zu verzeichnen. Ob durch Sommerweizen ein Ausgleich möglich ist, sei abzuwarten.

Sehr wahrscheinlich werde auch Russland Getreide importieren müssen. Schließlich habe Australien durch zu hohe Feuchtigkeit bei Weizen lediglich Futterqualitäten produziert. Derzeit würden Qualitätsweizen weltweit gesucht. Für 2011/2012 sei auch bei vorsichtiger Einschätzung von einem anhaltend hohen Weizenpreisniveau auszugehen. Eine Preisbewegung nach oben sei derzeit wahrscheinlicher, als eine Bewegung nach unten, da in Europa und Nordamerika normale Ernten erwartet werden. Sollten allerdings witterungsbedingte Ernteeinbußen absehbar werden (dies müsste allerdings großflächig statt finden), könnten wieder Preise erreicht werden, wie sie 2007/2008 erzielt wurden, so der Marktexperte.

Kon­trak­te zur Risikoabsicherung

Rainer Seimetz, Fachanwalt für Agrarrecht beim Kreisbauern­verband Main-Kinzig, klärte die Tagungsteilnehmer über Kon­trak­te zur Risikoabsicherung mit dem Handel auf. Bezugnehmend auf zeitnahe Pressemeldun­gen (zum Beispiel LW Hessenbauer 3/2011 vom 21. Januar 2011, Seite M7) die den Landwirten empfehlen, jetzt bei freundlichen Aussichten am Getreidemarkt Vorkontrakte abzuschließen, erläuterte der Rechtsexperte, dass der Vorkontrakt im Vergleich zum Kontrakt oder Hauptvertrag die gleiche Rechtsbindung als „schuldrechtlicher Vertrag“ be­inhalte, da beide Parteien die Verpflichtung eingehen, einen weiteren „schuldrechtlichen Hauptvertrag“ abzuschließen.

Der Begriff „Vorkontrakt“ komme als Rechtsbegriff im Handelsrecht nicht vor. Dennoch seien Vorkontrakte zwischen Erzeuger und Handel üblich, in denen Ankaufsbedingungen (= allgemeine Geschäftsbedingungen) vereinbart werden. In der Regel gehe der Land­wirt als Verkäufer auf die allgemeinen Geschäftsbedingungen des Handels ein, ohne sie näher zu kennen. Grundsätzlich würde in den Verträgen die Einheitsbedingungen im Deutschen Getreidehandel (EHB) zur Anwendung gebracht. Bei Unstimmigkeiten werde das Schiedsgericht der Produktenbörse in Frankfurt zur Schlichtung und Entscheidung bemüht. In den standardisierten Kontrakten seien diverse Garantieerklärungen des Verkäufers enthalten, die ihn verpflichten zum Zeitpunkt der Warenandienung die vereinbarte Menge und die vereinbarte Qualität anzuliefern.

Erzeugerrisiko kalkulieren

Rainer Seimetz vom KBV Main-Kinzig.

Foto: Ernst-August Hildebrandt

Hier sieht Seimetz ein schwer kalkulierbares Erzeugerrisiko. Auch bei Missernten mit Qua­litäts­einbußen und Ertragsausfällen, muss der Erzeuger die ver­ein­barten Mengen und Qualitäten zum vereinbarten Preis zur Verfügung stellen. Dies kann dazu führen, dass er zur Erfüllung seiner Vertragspflichten fremde Ware teurer auf dem Getreidemarkt zukaufen muss, als er mit seiner Vertragsbindung erstattet bekommt. Hier gilt zu beachten, dass der Handel die Ware unmittelbar nach Vertragsabschluss durch weitere Verträge mit anderen Abnehmern verkauft und so ebenfalls eine Bringschuld eingeht, die er erfüllen muss.

Bei „freundlichen Aussichten“ am Getreidemarkt ist das Preisrisiko nach Seimetz für beide Parteien (Landwirt und Landhandel) relativ gering, da der Landwirt durch ein günstiges Preisangebot seine Produktionskosten und der Handel sein Vermarktungsrisiko absichern können. Dabei stellt sich allerdings die Frage, ob bei freundlichen Aussichten überhaupt ein Kontrakt notwendig ist. Aus Sicht von Seimetz ist der Vorkontrakt kein Instrument der Sicherung bei „freundlichen Aussichten.“ Er würde den Vor-Kontrakt eher bei „unfreundlichen Aussichten“ als Instrument des betrieblichen Risikomanagements und als Instrument der Absicherung gegen fallende Preise einsetzen.

Produktionsrisiko absichern

Vor-Kontrakte böten demnach die Chance zur Absicherung des Produktions- und Lieferrisikos sowie des Produktionskostenrisikos, hätten aber das Risiko, dass keine Teilhabe an einer positiven Markt- und Preisentwicklung stattfinden kann. Wie oben schon angedeutet verpflichtet sich der Erzeuger bei Vertragsabschluss (auch in einem Vor-Kontrakt) eine bestimmte Menge, eine bestimmte Sorte in einer bestimmten Qualität zu liefern und den Kontrakt zu erfüllen. Juristisch handelt es sich bei diesen Verträgen um „echte“ Gattungsschuldverträge, die vom Verkäufer eine konsequente Vertragserfüllung fordern.

Demgegenüber kann der Vertrag auch als sogenannter „beschränkter“ Gattungsschuldvertrag formuliert werden, bei dem der Landwirt im Falle von geringeren Erntemengen oder Minderqualitäten nicht in der Pflicht ist, diese anderweitig zur Vertragserfüllung zu beschaffen. Dies aber nur dann, wenn der Ausfall nicht durch den Landwirt zu vertreten ist. Hier stellt sich die Frage, ob die Minderqualitäten oder der Minderertrag nicht durch zumutbare Handlungen abgewehrt werden konnten, wie durch Bewässerung bei Trockenperioden. Wären Feuchteschäden durch einen früheren Drusch vermeidbar gewesen(Ernte 2010)? Wurde Hagelschlag versichert? Höhere Gewalt gilt in diesen Fällen nur bei ungewöhnlich extremen Witterungsbedingungen. Nach Definition des Bundesgerichtshofes sind dies durch elementare Naturkräfte hervorgerufene unvorhersehbare Ereignisse. Eine Aufhebung der regelmäßig bestehenden echten Gestattungsschulverträge wird nachträglich nicht möglich sein. Im Fall der Fälle sollte unbedingt eine sofortige Benachrichtigung des Vertragspartners erfolgen. Unter Umständen kann so noch rechtzeitig auf dem Markt ein Ausgleich erfolgen und größerer Schaden aufgefangen werden. Seimetz kommt zu der Schlussfolgerung, dass in den Kontrakten auch Vereinbarungen zur Anerkennung minderer Qualitäten zu entsprechenden Preisen getroffen werden sollten. Die Lieferverpflichtung auf Getreide aus der betrieblichen Erzeugung, der Jahresernte oder von bestimmten Schlägen begrenzt werden sollte. Eine konkrete Definition des Begriffs „höhere Gewalt“ im Vertrag festgehalten werden sollte. Eine konkrete Vereinbarung von Preis- zu- und -abschlägen bei Nicht-, Minder- oder Ãœbererfüllung getroffen werden sollte und statt des Schiedsgerichtsverfahren nach EHB eine Schlichtung über ein ordentliches Gericht vereinbart werden sollte.

In zwei Praktikerberichten wurden anschließend von Lorenz von Schintling-Horny, Altenrode Liebenburg GbR, Niedersachsen und Carl Gerd Graf aus Georgenhausen, Niedersachsen, Beispiele zur Vermarktung mit Kontrakten vorgestellt. Dr. Hildebrandt, LLH