30 000 Bäume/ha – was zuviel ist, ist zuviel

Jungbestandspflege – den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen

Nachdem Orkan Lothar 1999 über den Schwarzwald fegte, verjüngten sich 50 000 ha Sturmwurfflächen, überwiegend natürlich. Zehn Jahre später standen viele Waldbesitzer vor ihren dichten, Fichten dominierten Beständen mit der Frage: reingehen oder selbst regulieren lassen? Dr. Ulrich Kohnle von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt in Freiburg, gibt im Rahmen einer KWF-Exkursion eine klare Antwort.

Der Freischneideführer wählt bei der „systematischen Reduktion“ selbst die verbleibenden Bäume aus der herrschenden Schicht aus.

Foto: Setzepfand

Die Nullfläche, auf der die Fichten bis heute sich selbst überlassen wurden, ist kaum zu durchdringen. „30 000 Bäume/ha standen hier 2009 und stehen noch immer“, sagt Kohnle. Die durchschnittliche Höhe lag bei 2,5 m. Die Oberhöhe bei 4,5 m. „Der Bestand scheint stehen geblieben zu sein“, sagt ein Exkursionsteilnehmer. Und Kohnle ergänzt: „Dass hier ein hohes Risiko durch Nassschneebruch besteht und die Wurzelentwicklung durch die starke Konkurrenz beeinträchtigt ist.“

Gleich daneben die Versuchsfläche „Auskesselung“. Hier wurden im Jahr 2009 250 Bäume/ha aus der herrschenden Schicht ausgewählt und in einem Radius von 2,5 m freigestellt, sodass der mittlere Abstand der ausgekesselten Fichten bei 6 m lag. Alle anderen Bäume dazwischen blieben stehen, sodass insgesamt 20 600 Bäume pro Hektar blieben. Es fällt auf, dass die freigestellten Fichten nicht höher als der Restbestand sind, dass auch sie nicht sonderlich kräftig sind.

1 500 Bäume/ha genug

Die Versuchsfläche „schematische Reduktion“ verringerte die Baumzahl im Jahr 2009 auf 1 500 Bäume/ha. Der Bestand kann problemlos durchschritten werden, die Fichten wirken vital, zeigen gerade ihren frischen kräftigen Austrieb. „Hier brummt es. Nicht nur im Höhenwachstum, sondern im Dickenwachstum tut sich hier Gewaltiges“, strahlt Kohnle. Die herrschenden Bäume haben einen 5 bis 6 cm höheren BHD als bei der Nullfläche, damit liegt das Verhältnis von Höhe zu Durchmesser zwischen 60 und 70, bes¬tens für stabile Bestände. Man werde gute B/C-Qualitäten ernten können von diesem Bestand.

„Wenn wir nur 1 000 Bäume/ha gelassen hätten, dann hätten wir zwar noch dickere Bäume, doch dann wären auch die Äste dicker, was wiederum die Qualität negativ beeinflusst“, bemerkt Kohnle.

„Doch warum sind die ausgekesselten Bäume so schlecht?“ fragt ein Teilnehmer. Kohnle erklärt es folgendermaßen: Die Wahrscheinlichkeit bei der Auskesselung die 250 wuchskräftigsten Bäume zu erwischen sei relativ gering, auch bleibt eine nicht zu unterschätzende Konkurrenz auf der Fläche. Da sei die Wahrscheinlichkeit, die wuchskräftigen Bäume stehen zu lassen, bei der schematischen Reduktion sechs Mal höher. Hier habe jeder die Chance kräftig zu wachsen. „Daher empfehlen wir allen Waldbesitzern sich die Mühe zu machen, ihre dichten Sturmwurfbestände zu reduzieren, auch Landesforsten Baden-Württemberg zeigt sich überzeugt“, weiß Kohnle. Das seien Erfahrungen, von denen alle Waldbesitzer, auch in den von Kyrill oder Xynthia betroffenen Gebieten, lernen können.

Nicht zu früh eingreifen

„Eines noch, bevor sie zum nächsten Exkursionspunkt gehen: Der Zeitpunkt des Eingriffs darf nicht zu früh gewählt werden, sondern darf erst erfolgen, wenn die untersten zwei Astquirle abgestorben sind, sonst wachsen die grünen Äste wieder nach oben durch und die Stämmchen sterben nicht ab, sodass die Konkurrenz bleibt und man umsonst investiert hat“, betont Kohnle.

Der Eingriff selbst wurde von der Firma Blauwald aus Aalen am nächsten Exkursionspunkt vorgestellt. Mitarbeiter Thomas Venus führt die Exkursionsgruppe an einen dichten Fichtenbestand, 2 bis 3 m hoch, und erläutert die Ziele: „Wir wollen hier einen Mischbestand mit 20 bis 30 Prozent Laubholz und 1 600 bis 3 000 Bäume/ha etablieren, bei dem wir die Erstdurchforstung bei 15 m Höhe durchführen können. In den vergangenen drei Jahren haben wir bereits 600 ha mit dem Freischneider gepflegt. Eine spezielle Schulung der Mitarbeiter half, das zu bewältigen.“ So müsse man sich beim Freischneiden von der Mähtechnik verabschieden und zu einer Schlagtechnik übergehen. Drei Fällrichtungen sollten vom Freischneideführer beherrscht werden: nach vorne rechts, nach hinten rechts und nach hinten links. So könne man schon dreiviertel der Bedränger um den verbleibenden Baum fällen. Für die Ausrüs¬tung sei wichtig, dass der Freischneider einen kurzen Schaft und Griffheizung habe, um auch im Winter arbeiten zu können. Während der Vogelbrutzeit sollte auf diese Pflegemaßnahme verzichtet werden. „Wir gehen bevorzugt von Juli bis September mit dem Freischneider in die Jungbestände, dann trocknen die umgesägten Bäume schnell aus.“ „Wie ist die Maßnahme mit dem Forstschutz vereinbar?“ fragte ein Exkursionsteilnehmer. Venus stellte klar, dass sich schlimmstenfalls der Kupferstecher ansiedele, durch das schnelle Trocknen des umgesägten Materials könnten sich die Larven jedoch nicht mehr verpuppen.

Freischneideführer Christian Stober führte die Maßnahme vor und gestand: „Je länger man diese Arbeit verrichtet, desto mehr Bäume bleiben auf der Fläche stehen, daher ist es gut, wenn man sich selbst einmal am Tag kontrolliert mittels einer Schnur mit Radius 5,6 m und auf einem Probekreis von 100 m2 die verbleibenden Bäume zählt. Dann kann man sich wieder einnorden.“

Die Kosten für den Einsatz liegen bei rund 1 000 Euro/ha, wobei sich der Einsatz mit der Höhe des Bestandes verteuert, sagt Venus. Doch auch hier gelte: „Zu frühes Eingreifen ist unwirtschaftlich, da dann die Bäume nicht von alleine fallen und die grünen Äste der Stumpen erneut durchwachsen. Auch hier müssen die ersten zwei Astquirle bereits abgestorben sein“, fasst Venus zusammen.

zep