Agrarpolitik muss der Zeitenwende gerecht werden

Resolution des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd

Diese Resolution wurde am Montag, 7. November 2022 im Rahmen der Delegiertentagung des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd verabschiedet. Die 32. Ordentliche Delegiertentagung des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd e.V. fordert die Verantwortlichen aller politischen Ebenen auf, dem Umbruch in der Landwirtschaft agrarpolitisch gerecht zu werden, um die Zukunft der Betriebe und damit auch eine ausreichende Lebensmittelproduktion zu sichern. Dafür sind folgende Maßnahmen notwendig:

Die Delegierten verabschiedeten die Resolution im Rahmen der Delegiertentagung des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd in der Salierhalle in Bad Dürkheim.

Foto: Cornelius Mohr

Die Landwirte und Winzer in Rheinhessen und der Pfalz stehen derzeit – gemeinsam mit ihren Kollegen in der gesamten Bundesrepublik – massiv unter Druck. Russlands völkerrechtswidriger Angriffskrieg gegen die Ukraine hat auf die Agrarbranche erhebliche Auswirkungen. Die Nahrungsmittelproduktion hat sich durch explodierende Betriebsmittelkosten extrem verteuert, unterbrochene Lieferketten treffen nicht nur die landwirtschaftliche Urproduktion, sondern auch den vor- und nachgelagerten Bereich. Gleichzeitig kommt es zu Verwerfungen auf den Agrarmärkten mit volatilen Erzeugerpreisen, die in vielen Fällen nicht

ansatzweise ausreichen, um die Kostensteigerungen in den Betrieben auszugleichen. Die aktuell extrem schwierige Lage verlangt nach einer entsprechend angepassten Agrarpolitik, die den dramatisch geänderten Rahmenbedingungen Rechnung trägt. Bleibt die dringend notwendige Unterstützung aus, droht ein nicht mehr rückholbarer Kahlschlag in der gesamten Branche und eine steigende Abhängigkeit Deutschlands bei der Ernährungssicherung.

Pläne der EU-Kommission zum Pflanzenschutz stoppen: Pflanzenschutzmittel sichern Ernten und sind die Grundlage für die Versorgung mit gesunden, hochwertigen Lebensmitteln. Eine pauschale Reduktion bis hin zum Totalverbot ist unverantwortlich. Eine Verringerung des chemischen Pflanzenschutzes um die Hälfte und das vollständige Verbot in großflächigen Schutzgebieten würde zu einer Reduktion der Erntemengen um mindestens 30 Prozent führen. Zahlreiche Betriebe, konventionell wie ökologisch, könnten nicht mehr wirtschaftlich arbeiten und wären in ihrer Existenz bedroht. Die Produktion von Lebensmitteln würde sich ins Ausland verlagern mit deutlich geringeren Standards. Unabhängig davon wird das eigentliche Ziel – der Erhalt und die Förderung der Biodiversität – nicht erreicht. Die Reduktion der eingesetzten Pflanzenschutzmittel als Indikator für den Schutz der Artenvielfalt ist wissenschaftlich nicht zu halten und wird der hiesigen Situation beim Pflanzenschutz nicht gerecht. Außerdem würden die Pläne die zielführende, kooperative Zusammenarbeit von Landwirtschaft und Naturschutz untergraben.

Stilllegungen hinterfragen angesichts des Krieges

GAP-Strategieplan anpassen: Der deutsche Strategieplan zur Ausgestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) ab 2023 wurde vor dem Ausbruch des Ukraine-Krieges ausgearbeitet und wurde bei der von der EU-Kommission geforderten Überarbeitung nicht an die geänderte globale Lage und deren Auswirkungen angepasst. Die pauschale Stilllegung von Ackerflächen ist vor dem Hintergrund eines Konfliktes, in der Hunger als Waffe eingesetzt wird, ebenso zu hinterfragen, wie praxisferne, bundeseinheitliche Vorgaben, Termine und Fristen, die eine effiziente Bewirtschaftung erschweren. Damit die freiwilligen Maßnahmen zum Umwelt-, Natur- und Klimaschutz innerhalb der 1. Säule – die sogenannten Öko-Regelungen – in gewünschtem Umfang umgesetzt werden, müssen die gezahlten Prämien deutlich angehoben werden.

Auch die Fördersätze und Prämien für Maßnahmen der 2. Säule, die der Zuständigkeit der Länder unterliegt, sind anzuheben. Nur so kann die Attraktivität der Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen sowie die notwendige Investitionsbereitschaft im einzelbetrieblichen Förderungsprogramm erhalten werden.

Stromerzeugung aus Bioenergie nicht gefährden: Die Bundesregierung plant eine Abschöpfung von Erlösen bei Biogasanlagen oberhalb eines Referenzwertes, welcher laut einem Konzeptpapier der bisherigen EEG-Vergütung plus 3 Ct/kWh entsprechen soll. Dieser Puffer geht mit Blick auf die Steigerungen bei flexiblen und variablen Kosten von Biogasanlage vollkommen an der Realität vorbei. Wird der Referenzwert nicht deutlich erhöht, ist die Strom- und Wärmeerzeugung aus Biogas in den allermeisten Fällen nicht mehr wirtschaftlich und zahlreiche Anlagen würden abgeschaltet werden. Darüber hinaus darf es auf keinen Fall zu einer rückwirkenden Abschöpfung von Erlösen kommen, die schon in Anlagentechnik investiert bzw. zur Kompensation der höheren Betriebs- und Brennstoffkosten verwendet wurden. Ein solches Vorgehen würde das Vertrauen von Firmen und Betreibern in die Zuverlässigkeit der Politik nachhaltig zerstören und zur Reduktion der Energieerzeugung führen.

Ungerechtfertigte Einschränkung der Düngung zurücknehmen: Mit großem Aufwand haben die Bundesländer Nährstoffmodellierungen durchgeführt, um eine verursachergerechte Ausweisung der mit Nitrat belasteten Gebiete zu gewährleisten, in denen die Düngung auf 20 Prozent unterhalb des eigentlichen Bedarfs der Pflanze beschränkt ist. Die von der EU-Kommission geforderten Neuausweisung dieser Gebiete lässt das Verursacherprinzip aber vollkommen unberücksichtigt. Damit ist ab dem kommenden Jahr in großflächigen Gebieten keine bedarfsgerechte Düngung mehr möglich. Dies führt nicht nur zu geringeren Erträgen, sondern auch zum Abbau der Bodenfruchtbarkeit. Daher ist die Rückkehr zu einem verursachergerechten Ausweisungsverfahren und Ausnahmemöglichkeiten für Betriebe, die gewässerschonend wirtschaften, notwendig.

Wirtschaftlichkeit der Betriebe erhalten: Aktuell übersteigen die Kosten in vielen Bereichen der Landwirtschaft die Erlöse. Die fehlende Wirtschaftlichkeit wird mittelfristig zu einer Welle von Betriebsaufgaben führen, wenn nicht gegengensteuert wird. Da die erforderliche Erhöhung der Erzeugerpreise politisch nicht zu erreichen ist, müssen die Betriebe auf der Kostenseite entlastet werden. Die Erhöhung des Bundeszuschusses zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung, eine höhere Agrardieselentlastung und die Tarifermäßigung bei Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft wären hierfür geeignete Instrumente. Auch ein gezieltes Hilfsprogramm für die Landwirtschaft als Teil der kritischen Infrastruktur sollte aufgelegt werden.

Betriebe sind ökonomisch enorm unter Druck

Die ökonomische Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft ist durch die aktuellen wirtschaftlichen und agrarpolitischen Rahmenbedingungen akut gefährdet. Außerdem führt die weiter vorangetriebene Extensivierung der Lebensmittelproduktion in Deutschland und der EU zu neuen Abhängigkeiten in einem hochsensiblen Bereich, die nicht gewünscht sein können. Die Politik ist deshalb aufgefordert, die Augen vor der Realität nicht länger zu verschließen und zu handeln, bevor es zu spät ist.

Bad Dürkheim, den 7.November 2022 – LW 46/2022