Anbau der gesunden, kaum bekannten Aronia

Ein neuer Farbklecks in der Nordhessischen Landschaft

Auf der Suche nach wirtschaftlich interessanten Anbaualternativen stieß ein nordhessischer Obstbauer auf die Beerenfrucht Aronia. Hierzulande fristet sie noch ein Exotendasein, in Osteuropa ist sie schon seit vielen Jahrzehnten als Medizinalfrucht sehr populär.

Die Lebensmittelindustrie nutzt die Aronia, um aus ihr Lebensmittelfarbe herzustellen.

Foto: Martin Egbert

Hinter zahlreichen und hohen Maisbeständen taucht in der Nähe des nordhessischen Dorfes Külte plötzlich eine Plantage mit der in Deutschland kaum bekannten Frucht Aronia (Apfelbeere) auf. Es ist Ende August und die Zweige der rund zwei Meter hohen Sträucher neigen sich schwer behangen mit dunkelvioletten Beeren, etwas größer als eine Blaubeere, nach unten. Für Martin Pflüger das Signal, mit der Ernte seines Bestandes zu beginnen. Mit einer aus Polen importierten Spezialerntemaschine namens „Johanna“ fährt er durch die Strauchreihen, die im Abstand von fünf Meter stehen. Die Schlegel des gezogenen Ernters trommeln die Fruchtstände von den Stielen.

„Jetzt, sieben Jahren nach dem Anpflanzen, erreichen wir endlich richtig gute Erträge“, sagt Pflüger und freut sich über ein reichliche Ausbeute, rund fünf bis sechseinhalb Tonnen pro Hek­tar. Auch sein Abnehmer, Jörg Holzmüller von der Firma Aronia Original, zeigt sich sehr zufrieden. Nicht nur mit der Menge, sondern vor allem mit der Qualität. Der Mitarbeiter des noch jungen Dresdner Unternehmens, die die Frucht zu Saft, Sirup, Likör und Konfitüre verarbeitet, misst mit einem Refraktometer den Zuckergehalt einer der Beeren. „20 Grad Brix ist ein sehr guter Wert, das deutet auf einen hohen Süßgehalt hin“, erklärt der Experte.

Die Ernte wird zu Saft, Sirup, Likör und Konfitüre verarbeitet

Als Pflüger auf seinem ererbten Hof mit 16 Hektar Land vor rund zehn Jahren die nicht mehr zukunftsfähige Milch­erzeugung aufgab, begann er Stück für Stück mit der Kultivierung von Äpfeln, Holunder und Ebereschen. Nebenher blieben er und seine Lebensgefährtin Ute Schild weiterhin wachsam auf der Suche nach anderen, erfolgversprechenden Sonderkulturen, um mit ihrem kleinen Laubhof Külte eine wirtschaftliche Perspektive zu haben. Zudem stellten sie auf Bioanbau (EU-Zertifizierung) um.

Alternative gesucht und mit Aronia gefunden

Mit einer aus Polen importierten Spezialerntemaschine namens „Johanna“ kann man durch die Strauchreihen fahren, die im Abstand von fünf Meter stehen. Die Schlegel des gezogenen Ernters trommeln die Fruchtstände von den Stielen.

Foto: Martin Egbert

Über einen Tipp der hessischen Gartenbauberatung wurde Pflüger schließlich auf die Aronia aufmerksam, die in gesundheitsorientierten Kreisen wegen ihrer wertvollen Inhaltstoffe sehr geschätzt wird. Unter anderem verfügt die Aronia innerhalb der Pflanzenwelt über eine der höchsten Konzentrationen des Farbstoffes Anthocyan, einem Flavon­oid, dem Ernährungswissenschaftler sogar eine Krebs mindernde Wirkung einräumen. Außerdem besticht die säuerlichherbe Frucht durch hohe Gehalte an Vitamin K und Vitamin C. Da das Rosengewächs hübsch weiß blüht und ein kräftiges, sattgrünes Blatt verfügt, ist die gesunde Beere auch für Hobbygärtner sicherlich eine interessante Bereicherung.

Martin Pflüger war von den Vorzügen der im Osten Europas seit vielen Jahrzehnten als Heilpflanze beliebten Aronia jedenfalls ziemlich schnell überzeugt. Er kaufte Setzlinge der Sorte Aronia melanocarpa Nero und pflanzte die erste seiner inzwischen zwei Plantagen, die eine Gesamtfläche von sechs Hektar umfassen. „Wir mussten viel Hand anlegen, Unkraut hacken und die Sträucher immer wieder beschneiden“, erinnert sich Pflüger an eine zeitintensive Startphase auf seinem Acker, der satte 80 Bodenpunkte zählt. Dafür hat ihn die Resistenz der Sorte Nero gegenüber Pilz- und Virenkrankheiten mehr als entschädigt. Noch trat keine einzige Krankheit auf.

Kleiner Markt für ernährungsbewusstes Klientel

Zudem scheint sich ein feiner, kleiner Markt zu etablieren, obgleich das Angebot derzeit größer als der Absatz ist. Dennoch sind die Erzeugerpreise für Bioware relativ gut. Das liegt im Wesentlichen auch daran, dass die ernährungsbewusste Klientel in anderen ertragreichen Obstzüchtungen mittlerweile einen Mangel an sekundären Pflanzenstoffen, wie den Flavonoiden, beklagt. Mit der Aronia wird dieses Defizit ausgeglichen. Ohnehin geht der größte Teil der konventionellen Ernte an die Lebensmittelindustrie, die aus der Beere Lebensmittelfarbe (zum Beispiel für die Fruchtgummis von Haribo) gewinnt.

Zwar kommt die Aronia ursprünglich aus dem östlichen Nordamerika, doch war es der russische Biologe und Obstzüchter Iwan Wladimirowitsch Mitschurin, der noch zu Zeiten des letzten Zaren die gesundheitlichen und pflanzenbaulichen Potenziale der wilden Art erkannte. Vor allem ist sie robust und extrem frosthart. Temperaturen bis zu minus 35 Grad können ihr nichts anhaben – die ideale Heilpflanze, um harte russische Winter heil zu überstehen.

Von Amerika über Russland zu uns

Die toxisch wirkende Blausäure in den Beeren wird beim Saften und Kochen gänzlich abgebaut. Anschließend können Saft, Tee, Sirup, Likör oder Konfitüre hergestellt werden.

Foto: Martin Egbert

Mitschurin züchtete durch Einkreuzen viele verschiedene Sorten heran, die später in der ganzen Sowjetunion und in den osteuropäischen Anrainerstaaten als Gesundheitsfrucht auf großen Flächen angebaut wurden. Diese Tradition hat sich auch nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und des Ostblocks gehalten. So gedeiht die Aronia nach Schätzungen von Holzmüller in der Ukraine heute auf rund 20 000, in Polen auf rund 6 000 Hektar.

Gemessen daran ist die Anbaufläche in Deutschland sehr klein. So wird die Aronia bisher auf nur 80 bis 90 Hektar, davon 15 Hektar Bioanbau, kultiviert. Letzteres wird vom Marktführer Aronia Original komplett aufgekauft. „Bei unseren Produkten handelt es sich um hochwertige Nahrungs- und Medizinalerzeugnisse, die von 90 Prozent der Konsumenten aus medizinischen Gründen, ob nun prophylaktisch oder therapeutisch, erworben werden. Das können sie konsequenter Weise nur als Bioware verkaufen“, verweist Einkäufer Holzmüller auf die Sensibilität seiner wachsenden Kundschaft.

Er schätzt sich deshalb glücklich, dass er nun mit Martin Pflüger, neben der von Behinderten bewirtschafteten Bio-Plantage des gemeinnützigen Vereins „projekt Leben“ im sächsischen Stolpen, einen weiteren Produzenten gefunden hat, der sich engagiert und qualitätsbewusst ins Biosegment vorwagt. Und damit auch neue Farbkleckse in die nordhessische Agrarlandschaft setzt. Dierk Jensen

Aronia nicht pur verzehren

Eine Flüssigkeit hat ein Grad Brix (= 1 Prozent Brix), wenn sie dieselbe Dichte hat wie eine Lösung von 1 Gramm Saccharose in 100 Gramm Saccharose-Wasser-Lösung; 20 Brix (= 20 Prozent Brix) entspricht damit einer 20-prozentigen SaccharoseWasser-Lösung. Zum Vergleich: Himbeeren haben bei sehr guter Qualität rund 14 Grad Brix, Blaubeeren 22 Grad Brix.

Aronia ist eine Steinobstfrucht und gehört zur Familie der Rosengewächse. Die Frucht der Sorte Aronia melanocarpa Nero ist etwa zwölf Millimeter dick und saftig. Sowohl die wachsartige Schale als auch das Fruchtfleisch haben die typisch dunkelblau-violette, fast schwarz anmutende Farbe, die im Übrigen sehr farbecht ist.

Frische Beeren schmecken kaum, sie sind trotz ihres hohen Zuckergehaltes sehr säuerlich-herb. Sie eignen sich ohnehin nicht zum Essen, weil sie Blausäure enthalten, die in größeren Mengen toxisch wirkt. Beim Saften und Kochen wird sie allerdings gänzlich abgebaut. Jensen