Anbausysteme mit und ohne Mais
Tagung Energiepflanzen für Biogas in Zeiten des Klimawandels
In einer Gemeinschaftsveranstaltung des LLH, dem Kuratorium für die landwirtschaftliche Beratung und dem Fachgebiet Grünlandwirtschaft und nachwachsende Rohstoffe der Universität Kassel und unter der Schirmherrschaft des Klimaanpassungsnetzwerks für die Modellregion Nordhessen KLIMZUG (Klimawandel zukunftsfähig gestalten) fand vor zwei Wochen in Homberg-Mardorf ein kombinierter Vortrags- und Feldtag statt.
Das von Regierungspräsidium Kassel und dem Schwalm-Eder-Kreis getragene Projekt KLIMZUG-Nordhessen hatte auf dem Versuchsstandort Homberg-Mardorf mit LLH und der Uni Kassel ein Demonstrationsvorhaben gestartet, in dem Anbausysteme mit und ohne Mais sowie alternative Energiepflanzen vorgestellt werden. Damit sollen Strategien und Konzepte des Energiepflanzenanbaus vor dem Hintergrund veränderter KlimaÂbedingungen entwickelt werden, die Beispiele für einen in die Zukunft gerichteten Anbau geben sollen.
LLH-Abteilungsleiterin Elke Schelle wies darauf hin, dass nach Trockenheits- und Feuchteschäden in den vergangenen Jahren in diesem Jahr mit erheblichen durch Frost bedingten Auswinterungsschäden zu kämpfen sei. Hessen sei hierdurch mit über 40 Prozent am stärksten betroffen. Das Projektnetzwerk KLIMZUG gebe wichtige Impulse, stellte Schelle weiter fest. Die neuen Erkenntnisse aus den Versuchen des Projekts wolle man sehr schnell an die Praxis weiter geben und aus diesem Grund im Herbst einen Arbeitskreis für Energiepflanzenanbauer einrichten, der sich mit diesen speziellen Fragestellungen befasst.
Dr. Rüdiger Graß, Leiter des Fachgebiets Grünlandwirtschaft und nachwachsende Rohstoffe der Universität Kassel und Koordinator des KLIMZUG-Projekts beleuchtete im Anschluss den Energiepflanzenanbau für Biogasanlagen im Zeichen des Klimawandels. Beim Vergleich von Klimadaten werde deutlich, dass bereits erhebliche Veränderungen stattgefunden haben und die klimatische Entwicklung zu kürzeren und wärmeren Wintern mit höheren Niederschlägen und trockeneren und heißeren Sommern voran schreitet. Graß zeigt anhand hessischer beobachteter Klimadaten, dass sich die phänologische Uhr deutlich verschoben hat.
Die Winter sind kürzer geworden
Während vor 1990 die winterliche Vegetationsruhe von Anfang November bis Ende Februar noch 124 Tage betragen habe, seien im Zeitraum von 1990 bis 2000 nur noch 116 Tage gemessen worden. Das Frühjahr beginne seit dem 14 Tage früher, ein Phänomen, dass für die Landwirtschaft eigentlich positiv bewertet werden müsse, ziehe der Klimawandel nicht gleichzeitig zunehmende Probleme mit Pflanzenkrankheiten und Schädlingen nach sich. Außerdem seien zunehmend Starkniederschlagsereignisse mit regional sehr heftigen Schäden festzustellen, die sich in Bodenerosion, Überschwemmungen und Nährstoffausträgen zeigten.
Ferner mussten die hessischen Landwirte im Frühjahr 2012 verheerende Auswinterungsschäden in Kauf nehmen, die in vielen Fällen zum Totalausfall bei Wintergetreide führten. Insgesamt nehmen die Unsicherheiten durch Witterungsextreme zu und erhöhen die Risiken für Ertragsausfälle und Umweltschäden durch Bodenerosion und Nährstoffauswaschung. Graß sieht hier die Notwendigkeit entsprechende Anpassungsstrategien zu entwerfen, wobei aus Sicht des Pflanzenbaus die Robustheit (Resilienz) von Anbausystemen verbessert und Risiken abgefedert werden sollen.
Oberstes Ziel dabei sei, die Klimaanpassung und den Klimaschutz zusammenzuführen. Bezüglich der Energiepflanze Mais sei gerade in Regionen mit großer Anzahl von Biogasanlagen eine enorme Anbauausweitung festzustellen. Maisanbau in Monokultur oder engen Fruchtfolgen würden die Gefahr von zunehmender Bodenerosion, Nitratauswaschung, Krankheiten und Schädlingen wie auch einen zunehmenden Pestizideinsatz bergen.
Vorteile für den Maisanbau
Vorteile für den Maisanbau sieht der Referent demgegenüber in den hohen Energiegehalten und entsprechend hohen Methanausbeuten, der guten Vergärbarkeit, dem starken züchterischen Fortschritt in der Vergangenheit und bekannten, sicheren Anbauverfahren. Andererseits reagiere Mais empfindlich auf Trockenstress und führe bei Monomaisvergärung in der Biogasanlage zu Defiziten bei einer Reihe von Spurenelementen, die für den optimalen Gärverlauf und Methanausbeute essentiell seien. In der Praxis habe sich gezeigt, dass dem durch eine Mischfütterung der Anlagen mit weiteren vergärbaren Subtraten abgeholfen werden kann. Durch einen Mischanbau könnten weitere Risiken, wie Bodenerosion und Nährstoffausträge gemindert werden. Graß stellt ein Zweinutzungssystem vor, dass gegenüber dem alleinigen Maisanbau eine Vornut-zung der Flächen durch Ganzpflanzensilagen aus Getreide, Wintererbsen und anderen Früchten anstrebt und eine folgende Hauptnutzung durch Mais oder auch Hirse, Sonnenblumen und verschiedenen Gräsern ermöglicht. Hierbei könnte nicht nur die Gesamtenergieausbeute gesteigert werden, sondern auch wirksame Maßnahmen gegen Bodenerosion und Nährstoffverlusten gesetzt werden. Darüber hinaus dürfte durch ein vielfältigeres Landschaftsbild auch wieder mehr Akzeptanz bei den Verbrauchern zu erreichen sein. In einem Beispiel erläutert Graß, welche Kulturpflanzen in diesem Zweinutzungssystem zum Anbau kommen könnten. Dies sind zur Erstkultur: Weizen, Roggen, Triticale, Winterhafer, Raps, Rübsen, Weidelgras, Wintererbsen, Inkarnatklee und WinÂterwicken.
Als Folge- oder Zweitkultur kommen in Frage: Mais, Sonnenblumen, Zuckerhirse, Sudangras, Hanf, Senf, Phacelia, Ölrettich, Wicken und Erbsen. Weitere Alternativen bestehen im Anbau von Untersaaten, wie Kleegras in Getreide, mehrjährigen Wildpflanzen oder Dauerkulturen. Als Exoten gelten derzeit noch Pflanzen wie die durchwachsene Silphie, Sida, Rumex(Ampfer) oder Szarvasi – Riesenweizengras (Hirschgras). Gute Aussichten sieht Graß auch für einen Mischanbau verschiedener Kulturen wie zum Beispiel Mais mit Stangenbohnen.
Zur Entwicklung von Praxisempfehlungen sei im KLIMZUG-Projekt zwischen dem Schwalm-Eder-Kreis mit seinen Fachbereichen „Landwirtschaft und Landentwicklung“ und dem Fachbereich „Untere Naturschutzbe-hörde“ der Universität Kassel und dem Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen ein Um-setzungsverbund Landwirtschaft gebildet worden, der in Mardorf ein Demonstrationsvorhaben mit ein- und mehrjährigen Kulturen für den Energiepflanzenanbau etabliert hat.
Getreide-GPS für Biogasanlagen
Christina Schmidt vom LLH Beratungsteam Pflanzenbau ging der Frage nach, inwieweit Sommergetreide für den ZweitfruchtÂbau nach Getreide-GPS für die Versorgung von Biogasanlagen geeignet seien. An vier Standorten in Niedersachsen, Nordrheinwestfalen und Schleswig-Holstein wurden Sommergerste, Sommerhafer, Sommerroggen, Sommertriticale, Sommerweizen, Wechselweizen und Hafer-Gerstengemenge geprüft.
Beurteilt wurden der Methanhektarertrag, die Silierfähigkeit sowie die pflanzenbaulichen Vor- und Nachteile. Sowohl beim spezifischen Methanertrag pro Pflanzenart als auch beim Methanhektarertrag lag in allen Versuchsgliedern der Sommertriticale mit circa 1 700 m³ Methangas/ha gefolgt von Hafer, Gersten-Hafer-Gemenge und Wechselweizen (jeweils etwa 1 400 bis 1 450 m³/ha) vorn. Sommerroggen bildete mit einem Methanhektarertrag von 820 bis 930 m³ das Schlusslicht.
Schmidt sieht für diese enorÂmen Ertragsunterschiede als eine Hauptursache den unterschiedlichen Krankheitsbefall durch Rostkrankheiten. Während Hafer und Roggen deutlichen Befall aufwiesen blieb Sommertriticale gesund. Zudem stellte sich bei Gerste Hafer und Triticale ein starker Einfluss des Saattermins auf den Trockenmasseertrag heraus, der mit zunehmender Saatverzögerung bis Mitte Juli zunahm. Sie sieht hier die Ursache im Einfluss der Belichtungsdauer durch abnehmende Tageslängen und leitet aus diesen Ergebnissen die Empfehlung ab, Sommergetreide als Zweitkultur nicht vor dem 15. Juli auszusäen.
In einem ökonomischen Vergleich stellte Schmidt fest, dass der Anbau von Getreidezweitkulturen bei durchschnittlichen Produktionskosten von 600 Eu-ro/ha und einem unterstellten Erlös von 75 Cent pro m³ Methangas kostendeckend ist. Die festzustelÂlenden Erzeugungskosten für Gärsubstrat lagen im Versuchsjahr 2010 im Vergleich zu Silomais (35,40 Euro/t) bei Sommergerste um 33,30 Euro/t, bei Hafer um 30,50 und 34,80 Euro/t und bei Sommertriticale um 28 und 33,10 Euro/t.
Eine Bewertung nach TM-Erträgen, der Silierfähigkeit und der KrankÂheitsanfälligkeit führt zum Fazit, dass Sommergetreide durchaus als Substrat für Biogasanlagen geeignet ist, abhängig vom Standort das größte Anbaurisiko vom Wetter ausgeht (Trockenheit oder Nässe), ein kostendeckender Anbau möglich ist und der optimale Aussaattermin Mitte Juli liegt.
Für die geprüften Standorte empfiehlt die Referentin für das Rheinland bei Vorfrucht Wintergerste als Zweitkultur Sommergerste und/oder Hafer, für das südliche Niedersachsen nach GPS-Getreide Sommertriticale und für das südliche Schleswig-Holstein nach GPS-Getreide Hafer als Zweitkultur. Hierdurch entstehe eine bessere Ausnutzung der Vegetationszeit, eine höhere Flächeneffizienz, eine fast ganzjährige Bodenbedeckung mit Vorteilen bei der Erosionsvermeidung, der geringeren Nitratauswaschung und einem geminderten Unkrautdruck. Ferner entstehe eine erweiterte Einsatzspanne für organische Dünger, Arbeitsspitzen werden entzerrt und der Siloraum könne besser ausgenutzt werden. Für Sommergetreide als ZweitÂfrucht spräche außerdem die einfache und bekannte Produktionstechnik, dass die gleiche Fläche im Jahr sowohl für Nahrungsmittelerzeugung als auch für Energiepflanzenproduktion genutzt werden könne und damit zum Silomaisanbau ein Imagegewinn erzielt werde sowie auch durch den Substratmix eine bessere Prozessbiologie im Biogas-Fermenter erreicht werden könne, so die LLH-Beraterin.
Risiken eines Zweitfruchtanbaus sieht Schmidt dann, wenn die Saaten durch Wetterextreme geschädigt werden oder zur Erntezeit nicht genügend Trockenmassegehalte erzielt werden, ein Anwelken nicht möglich ist und durch Zeitverzögerung negative Auswirkungen auf die Folgefrucht entstehen. Unter Umständen könnten auch zusätzlich erforderliche Überfahrten Probleme für die Bodenstruktur bedeuten.
Fruchtfolgen und Grünbrücken
Engere Getreidefruchtfolgen und Grünbrücken durch den Zweitfruchtanbau könnten langfristig außerdem Auswirkungen auf den Krankheits- und Schädlingsbefall haben und zusätzliche MaßÂnahmen beim Pflanzenschutz erfordern. Insofern besteht noch in vielen Aspekten weiterer Forschungsbedarf, um Chancen und Nachteile detaillierter einschätzen zu können, auch hierfür steht das KLIMZUG-Projekt als Mittler zwischen Forschung und Praxis, um geeignete Wege für sich ändernde Klimabedingungen zu gehen.
Pflanzenbauberater Friedrich Göge vom LLH Korbach informierte über die beabsichtigte Neugründung eines ArbeitskreiÂses zur „nachhalÂtigen Biomasseproduktion zur Verwertung in Biogasanlagen“. In jährlich vier VeranÂstalÂtungen sollen Betriebsleiter, die Gärsubstrate für Biogasanlagen erzeugen, über die neuesten Entwicklungen informiert werden und vom gegenseitigen Dialog profitieren. Ziel des neuen Arbeitskreises sei es, eine OpÂtimierung der anzubauenden Nutzpflanzen zur Biogaserzeugung unter den Aspekten der Umweltverträglichkeit zu erreichen.
Göge hob hervor, dass man in diesem Kontext eine optimale Produktionstechnik anstrebe, Alternativen zu Mais aufzeigen wolle, Zweitnutzungssysteme durchleuchten wolle und Augenmerk für den Bodenschutz habe durch die Förderung des Zwischenfruchtanbaus und durch Bearbeitungssysteme, die die Gefahr der Bodenerosion eindämme. Zu Fachinformationen und Vorträgen werde ein Schwerpunkt der Arbeitskreisarbeit auch in Feldbegehungen und Exkursionen zu nachahmenswerten Beispielen liegen. Die Gründungsveranstaltung soll im Herbst 2012 stattfinden, Termin und Ort würden im Wochenblatt bekannt gegeben.
Am Nachmittag stellten ferner LLH-Berater Frank Hahn und Dr. Rüdiger Grass auf den Flächen in Homberg-Mardorf Anbauvarianten bei Energiepflanzen vor. Hahn führte durch das Sortiment der einjährigen Versuchsglieder, während Dr. Grass einen Standort erläuterte, der über mehrere Jahre als StilÂleÂgungsÂfläche fungierte und auf dem Dauerkulturen als Energiepflanzen getestet und für die Substratgewinnung für Biogasanlagen geprüft werden. hierunter auch bisher noch seltene PflanÂzenarten wie Durchwachsene Silphie, Sida, Rumex und Miscanthus.
Dr. Ernst-August Hildebrandt, LLH