Angusrind passt zur Rhön

Züchterversammlung mit Betriebsbesichtigung in Osthessen

Die alljährlich während der Weidesaison durchgeführte Züchterversammlung ist für die Züchter und Halter der Rasse Angus in Hessen jedes Jahr ein Termin, bei dem alle wichtigen Fragen zur Weiterentwicklung der Rasse ausgiebig besprochen werden. Dieses Jahr wurde dazu auf dem Heufelder Hof von Karina und Claus Knacker in Wüstensachsen eingeladen.

Die Angusherde von Karina und Claus Knacker gab auf den Naturschutzflächen in der Nähe der Wasserkuppe ein hervorragendes Bild ab.

Foto: Jost Grünhaupt

Im Vordergrund stand dabei der Austausch über die aktuelle Entwicklung der Ergebnisse der Leistungsprüfung, bei dem die hessischen Betriebe seit Jahren auch bundesweit im Vorderfeld platziert sind. Speziell die Teilnahme am Fleischrindertag ist dabei von besonderer Bedeutung, wo es dieses Jahr gelang, eine Bullenkollektion vorzustellen, die offensichtlich den Anforderungen des Marktes entsprach. Das Potenzial, unterstrichen durch eine gute Vorselektion beim Exterieur und eine Vielzahl an Bullen interessanter Abstammungskombinationen führten dazu, dass eine große Zahl an Jungvererbern nicht nur in hessi­sche Zuchtbetriebe ging, sondern auch Interessenten von außerhalb am Markt waren.

Das Angebot an Spitzengenetik ist auch auf der weiblichen Seite unabdingbar für eine positive Außendarstellung. Die beim Fleischrindertag angebotenen Kühe entsprachen hohen Anforderungen und bei „Best of“ in Groß Kreutz gelang es dieses Jahr das Siegerrind zu stellen. Sehr groß war die Nachfrage nach Angusgenetik auch am Exportmarkt, offensichtlich haben mehrere Länder aus Osteuropa und Vorderasien festgestellt, dass die Rasse für ihre Bedingungen der Rindfleischerzeugung hervorragend passt und nennenswerte Stückzahlen auch aus Hessen erworben.

Der Bedarf an diesen Märkten konnte mit Sicherheit nicht gedeckt werden. Für den weiteren aktiven Verkauf in diesen Regionen sind zuerst die Gesundheitsbedingungen von absoluter Wichtigkeit (das Schmallenberg-Virus hat zu erheblichen Beeinträchtigungen geführt). Gleichzeitig ist es nötig, gute Qualität in entsprechenden Stückzahlen anbieten zu können, da aufgrund der weiten Entfernung mit größeren Transportzahlen zu rechnen ist. Absolut hilfreich sind für solche Exporte natürlich erstklassige Ergebnisse auf großen Schauen wie Schwarz-Rot-Gold 2011, wo alle Siegertiere aus hessischen Zuchtbetrieben stammten. Auch diese Spitzenresultate haben in der Außendarstellung ihre Wirkung nicht verfehlt. In der Diskussion wurde auch darauf hingewiesen, welche Vorteile die nachgewiesene Fruchtbarkeit und Frühreife der Rasse mit sich bringt. Wenn eine Anguskuh mit zweijähriger Abkalbung nach 10 Jahren eine vielfach höhere Nachkommenzahl hat wie eine Kuh, die dreijährig ihr erstes Kalb bringt, so unterstreicht eine solche Vergleichszahl die Wichtigkeit der in Hessen festgesetzten Regelung zum Erstkalbealter bei der Rasse. Die erkennbare Nachfrage nach Angusbullen für qualitätsorientierte Programme in der Rindermast lässt erwarten, dass die Konkurrenzfähigkeit der Absetzer mittelfristig ansteigen wird. Die nachgewiesene Leistungsfähigkeit der Bullen in der Rindermast und die bekannt hohen Qualitätsstufen der Schlachtkörper haben hier offensichtlich das Interesse einer speziellen Vermarktungsschiene geweckt. Dieser Absatzweg ist vor allem für Betriebe wichtig, bei denen der Verkauf der männlichen Absetzer in die Rindermast als Verwertungsweg gegeben ist.

Rinder auf Naturschutzflächen

Die Entwicklung ihres Betriebes, die Claus und Karina Knacker den Kollegen vorstellte, weicht deutlich von dem ab, was vielfach im Lande vorzufinden ist. Bei Betriebsübernahme wurde der Heufelder Hof im Nebenerwerb bewirtschaftet, für einen reinen Grünlandbetrieb in der Hochrhön ohne Milchkontingent keine Perspektive für die Zukunft.

Die erste Anguskuh wurde damals erworben und diese hat die Herde enorm geprägt, da sie in 21 Lebensjahren 19 Kälber hinterlassen hat. Die Angusherde des damals reinen Haltungsbetriebes wurde Zug um Zug aufgestockt. Die Wichtigkeit leistungsgeprüfter Herdenbullen erkannte Claus Knacker schon früh, er erwarb seine Zuchtbullen konsequent aus Herdbuchbetrieben, mehrere kamen von der Familie Heinz in Wehrda. Zwischenzeitlich erfolgte die Zertifizierung als Biobetrieb und die Vermarktung der Absetzer direkt an die Endverbraucher wurde Zug um Zug ausgeweitet.

Das zweite Standbein des Heu­felder Hofs, das Vermieten von Ferienwohnungen, hat sich dabei als gute Kombination zur Direktvermarktung erwiesen; in gewisser Weise ist es eine Win-Win Situation, da Direktvermarktungskunden inzwischen auch Feriengäste geworden sind und andersherum genauso. Die Fleischpakete werden je nach Kundenwunsch von Karina und Claus Knacker zusammengestellt und tiefkühltruhenfertig an die meist in den Ballungsgebieten Rhein-Main, Köln oder auch im Großraum Nürnberg wohnhaften Kunden ausgeliefert.

Ausgeprägte Grünlandregion

Die Verfügbarkeit von Grünland in der Hochrhön führte zur Aufstockung der Herde auf 40 Kühe und der Heufelder Hof wird heute als Vollerwerbsbetrieb bewirtschaftet, eine Entwicklung, die sich Familie Knacker vor 20 Jahren kaum hätte träumen lassen.

Den größten Teil des Sommerhalbjahres verbringt die Herde auf Naturschutzflächen, die in den zurückliegenden Jahren im Auftrag der Forstverwaltung abgeholzt wurden. Hier soll sich das Birkhuhn, zu dessen wenigen natürlichen Lebensräumen in Mitteleuropa die Hochrhön zählt, auf diesen ehemali­gen Waldflächen wieder ansiedeln. Im Laufe der Jahre hat sich das natürliche Grünland wieder ohne jegliche Ansaat entwickelt. Die Abstufungen je nach Zeitpunkt der Abholzung waren bei der Weidebesichtigung gut zu erkennen.

Beweidung bis September

Die ursprünglich vorhandene Skepsis, mit Angusrindern diese Fläche zu bewirtschaften, legte sich bei den Verantwortlichen des Biosphärenreservats Rhön relativ schnell, als sie erkannten, wie gut die Angus-Mutterkuhherde der Familie Knacker die sensiblen Flächen pflegt. Es handelt sich dabei um sehr hoch gelegene Standorte (mehrfach über 800 m über NN), die ohne jegliches Beeinflussen wie Nachsaat und Abschleppen meist bis September zur Beweidung genutzt werden. Der hervorragende Zustand der auf diesen absoluten Grenzstandorten stehenden Tiere hinterließ bei den Züchterkollegen einen nachhaltigen Eindruck und unterstreicht die enorme Anpassungsfähigkeit, die die Rasse Angus auf diesem Standort sehr deutlich zum Ausdruck bringt.

Die Weiterentwicklung einer Herde im züchterisch gut selektierten Herdbuchbestand erfolgte parallel, die Mehrzahl der Kühe führt einen Game Black-Sohn im Pedigree. Die gut entwickelten Rinder stammen überwiegend von dem aktuellen Herdenbullen Winnetou (Walnut mal Cord) ab, außerdem ist seit diesem Jahr der Nachwuchsbulle Abberton Patrol im Einsatz und über die künstliche Besamung hat Claus Knacker in den letzten Jahren Vererber wie Mighty Prince, Mogeely Joe oder Rawburn Edge genutzt. Bei der Besichtigung war es für die Züchter bestens nachvollziehbar, dass inzwischen auch Zuchtvieh aus dem Betrieb Knacker an verschiedene Interessenten verkauft werden konnte, unter anderem wurden für den Herdenaufbau auf der Staatsdomäne Beberbeck mehrere tragende Rinder und Kühe geliefert. Die Vorstellung des Betriebes unter diesen relativ extremen Standortbedingungen und das über Jahre hinweg konsequent weiterentwickelte Konzept von Karina und Claus Knacker hinterließ einen sehr guten Eindruck, auch die züchterische Weiterentwicklung konnte deutlich nachvollzogen werden.

Grünhaupt, LLH Kassel