Artgerechte Tierhaltung und Tierwohl im Fokus

Podiumsdiskussion beim Tag der offenen Tür auf Eichhof

Anlässlich des im Turnus von fünf Jahren durchgeführten Tages der offenen Tür im zum Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen gehörenden Landwirtschaftszentrum Eichhof fand am vergangenen Sonntag eine Podiumsdiskussion zum Thema „Artgerechte Tierhaltung und Tierwohl“ statt. Dr. Ernst-August Hildebrandt, LLH, berichtet.

Diskutierten auf dem Podium über Artgerechte Tierhaltung: (v.l.) Der Hersfelder Sternekoch Patrick Spieß, Beratungsunternehmer Dr. Dirk Hesse, die hessische Tierschutzbeauftragte Dr. Madeleine Martin, HR-Redakteur Dietmar Pötter, LLH-Berater Dr. Hans-Joachim Herrmann und Ferkelerzeuger Udo Kornmann.

Foto: Wend

Einführend erläuterte Landwirtschafts- und Umweltstaatssekretär Mark Weinmeister, dass dieses Thema seit Jahren immer stärker in die Debatte um Fragen zur fachgerechten Landwirtshaft drängt und die Verbraucher wie auch die Landwirte zunehmend verunsichert. Durch die zunehmende Entfremdung zwischen Landwirtschaft und Gesellschaft komme es vermehrt zu Missverständnissen und unterschiedlichen Vorstellungen über tiergemäße Haltungsformen. Den Tag der offenen Tür wolle man deshalb nutzen, um in einer Podiumsdiskussion die Konflikte anzusprechen und sachlich, aber auch kontrovers zu diskutieren und so zu einem klärenden Dialog zwischen Landwirtschaft und Gesellschaft beizutragen.

Dietmar Pötter, Redakteur beim Hessischen Rundfunk moderierte die Diskussion zu der er als Teilnehmer die hessische Tierschutzbeauftragte Dr. Madeleine Martin, Dr. Dirk Hesse, Leiter eines eigenen landwirtschaftlichen Beratungsunternehmens, den Hersfelder SternekochPatrick Spieß, Dr. Hans-Joachim Herrmann, Tierproduktionsexperte vom LLH und Udo Kornmann, praktischer Landwirt aus Romrod, begrüßte, und in seine Fragen zur tiergerechten Haltung aus den verschiedensten Blickwinkeln des Verbraucherinteresses einbezog.

Definition von Tierwohl

Zur Frage, wie denn wohl „Tierwohl“ zu definieren sei, stellte Dr. Herrmann fest, dass ein Halten von Tieren immer mit Einschränkungen für die Tiere einhergehe. Aber auch das Leben eines Wildschweins in der freien Natur berge Gefahren für Leib und Leben. Es gehe darum, dass eine Haltungsumwelt den Ansprüchen des Tieres entgegen komme. Frau Dr. Martin erläutert, dass es allerdings Kriterien gebe, an denen Tierwohl zu bestimmen sei. Dabei seien die Grenzen fließend. Es gehe zum Beispiel darum, ob die Tiere oft erkrankt seien oder ob regelmäßig Antibiotika zur Gesunderhaltung eingesetzt werden müssen.

Ein weiteres Kriterium seien offensichtliche Verhaltensstörungen wie zum Beispiel Aggressionen zu Artgenossen bei zu dichten Belegungsstärken. Dinge, die der Mensch beeinflussen könne. Martin ruft dazu auf, den Weg zu Haltungsformen mit verbesserter Tiergerechtheit gemeinsam zu gehen, wie es in den Niederlanden und Belgien gelungen sei, wo Landwirtschaftsverbände und Tierschutzverbände sich gemeinsam über Maßnahmen für verbesserte Haltungsformen verständigen würden.

Verbrauchern Einblick in die Sauenhaltung geben

Udo Kornmann stellte seinen landwirtschaftlichen Betrieb vor ,auf dem 500 Zuchtsauen in einem modernen Stall gehalten werden. Als besondere Maßnahme zur Verbraucherinformation bietet der Betrieb seit kurzem mittels einer Hoftafel und einem darauf befindlichen QR-Code einen Einblick in die Haltung. Per Handy können Verbraucher den Code von der am Stall befindlichen Hoftafel abscannen auf so über eine Website Einblick in die Ferkelerzeugung erhalten (siehe LW 24, Seite 8). Der Betrieb trage damit dazu bei, Verbraucher über die artgerechte Haltung von Zuchtschweinen zu informieren und ihnen zu zeigen, dass die Ferkelerzeugung tiergerecht betrieben werde.

Einzelne Negativbeispiele nicht hervorheben

Kornmann bricht hier auch eine Lanze für seine Berufskollegen, die zu 99,8 Prozent ähnlich wirtschaften würden. Eine negative Berichterstattung wäre auf einen kleinen Teil von Haltern zurückzuführen, die bei den Haltungsbedingungen aus dem Rahmen fielen. Die bisherigen Erfahrungen mit der Veröffentlichung der Haltungsbedingungen via Internet seien durchaus positiv. Dass für den wirtschaftlichen Erfolg 500 Zuchtsauen notwendig seien, liege an der geringen Gewinnmarge für Absatzferkel.

Dr. Dirk Hesse stellt nach Ergebnissen aus eigenen Untersuchen fest, dass Schweine bei freier Wahl ihrer Liegebuchten Betonböden gegenüber Einstreu bevorzugen, weil gerade im Sommer kühle Stallbereiche bevorzugt würden. Nach mensch­lichem Ermessen werde vermutet, dass die Tiere eine Stroheinstreu eher annehmen. Dem sei in der Praxis aber nicht so. Insofern seien gesetzliche Vorgaben, die eine Einstreu fordern, zu überprüfen und korrigieren. Zudem hätte die Qualitätsorientierung der deutschen Schweinezucht nicht den erwarteten Erfolg gebracht. Derzeit würden große ausländische Schweinepartien auf den heimischen Markt drängen und die Preise für Schlachtschweine unter Druck setzen.

Hesse stellte fest, dass in Hessen über 50 Prozent der Halter in jüngster Vergangenheit die Sauenhaltung und Ferkelerzeugung aufgegeben haben. Wenn auch geänderte rechtliche Auflagen einen Teil der Betriebe zur Aufgabe bewogen hätten ist sich Hesse darin sicher, dass häufig auch die Diskussion um Massentierhaltung und unberechtigter- weise das Anprangern von Tierhaltern als Tierquäler Anlass zur Aufgabe der Tierhaltung sei.

Sternekoch Patrick Spieß sieht in höheren Fleischpreisen für die von ihm vertretene Gourmet­gastronomie keine Probleme, die aber durchaus die Restaurants treffen würde, die über ihre Kundschaft zu günstigen Preisen gezwungen seien. Aus seiner Sicht muss bei der Auswahl von Nahrungsgrundstoffen auf höchste Qualität geachtet werden, weshalb er bei der Produktbeschaffung Händler seines Vertrauens bevorzuge und Fleisch ausschließlich bei einem befreundeten Metzger beziehe

 – LW 27/2013