Ausgewintert oder nicht?

Aktuelle Situation nach der Frostperiode

Derzeit häufen sich die Anfragen nach den Kulturen, vor allem mit Blick auf den zurückliegenden Witterungsabschnitt von zwei bis drei Wochen mit Tiefsttemperaturen von bis zu -20 °C. Der Kälteeinbruch im Februar 2012 kam mit aller Wucht und eisigen Temperaturen. Die Temperaturen fielen für mehrere Tage hintereinander in fast allen Teilen Deutschlands auf Werte von -15 bis -20°C, verbreitet auch noch darunter.

Ob die geschädigten Bestände regenerationsfähig sind, ist noch nicht abzusehen.

Foto: agrarfoto

Vielerorts lag keine oder nur eine sehr dünne schützende Schneedecke. Nach dem zu Wochenbeginn die Periode mit den extrem starken Frösten zu Ende gegangen ist und durch die tagsüber herrschenden Plusgrade zeigen sich in den Beständen nun erste Auswirkungen. Wobei sich zum jetzigen Zeitpunkt noch keine abschließende Beurteilung abgeben lässt, in wie weit dieser Witterungsabschnitt die Kulturen nachhaltig geschädigt hat.

Keine abschließende Beurteilung möglich

Sicherlich zeichnet sich in den meis­ten Raps- und Gerste-Schlägen zum jetzigen Zeitpunkt ein relativ starker Blattverlust ab, wie sich anhand der deutlichen Vergilbungserscheinungen ablesen lässt, aber zu größeren Pflanzenverlusten dürfte es bislang nur in Einzelfällen gekommen sein.

Die Winterhärte von Winterraps wird mit -15 bis -20°C angegeben, die von Winterweizen sowie Winter-Trititicale mit ebenfalls -15 bis -20 °C, die von Winterroggen mit -18 bis -25 °C und die von Wintergerste mit -12 bis -15 °C – bei ausreichender Abhärtung. Winterhafer und Winterdurum weisen eine noch geringere Winterfestigkeit als Wintergerste auf. Diese Unterschiede zwischen den Getreidearten beinhalten jedoch noch nicht sortenbedingte Differenzierungen in der Winterfestigkeit, die ebenfalls noch zu berücksichtigen sind. Es stellt sich also die Frage, wie die Bestände diese Frostperiode überstanden haben und mit welchen Konsequenzen wir noch rechnen müssen.

Mehrere Faktoren entscheiden über die Winterhärte der Pflanzen Hierbei stellt sich damit zunächst einmal die Frage nach den Faktoren, welche die maximale Winterhärte der Winterkulturen bestimmen. Einfluss haben die Pflanzenentwicklung, Abhärtungsphasen, Ernährungszustand sowie die Stärke und Dauer der Stressphase.

Pflanzenentwicklung: Die beste Winterhärte weisen Pflanzen beim Winterraps mit 8 bis 12 Laubblättern, einem Wurzelhalsdurchmesser von 1 bis 1,5 cm sowie flach anliegender Blattrosette und tief liegendem Vegetationskegel auf. Beim Getreide besteht die beste Winterhärte zwischen den Wachstumsstadien 21 und 29 bei ensprechend ausreichend ausgebildetem jedoch nicht überwachsenem Blattwerk. Je stärker die Pflanze beziehungsweise der Bestand von diesem Optimum abweicht, desto gefährdeter ist er. Dabei sind zu kleine Pflanzen ebenso auswinterungsgefährdet wie zu große. Denn während zu dünne Pflanzen zu schwach sind, können zu dicke Pflanzen vom Frost regelrecht gesprengt werden. Hochgradig gefährdet sind Bestände, die bereits vor Winter zu weit in ihrer Entwicklung vorangeschritten sind (z.B. bereits aufgestängelter Winterraps). Das war im letzten Herbst zum Glück überwiegend nicht der Fall.

Abhärtungsphase: Damit eine Pflanze einen maximalen Abhärtungsgrad erreicht, muss sie sich langsam an die kälteren Temperaturen adaptieren. So kommt es nach erster Frosteinwirkung zur Bildung und Anreicherung von Phospholipiden in den Pflanzenzellen. Sie wirken wie ein Frostschutzmittel. Im letzten Schritt der Abhärtung erfolgt ein Wasserentzug aus den Pflanzenzellen, damit steigt die Konzentration des Frostschutzmittels in der Zelle an. Optimal abgehärtete Pflanzen können so bis -25 °C überstehen. In der ersten Hälfte des Winters hatten wir eine längere, teilweise bis in den Januar reichende Wachstumsphase. Hier bleibt nur abzuwarten, ob die kurzen Frostphasen Anfang und Mitte Dezember sowie Mitte Januar dennoch den Impuls für eine ausreichende Abhärtung ausgelöst hat.

Ernährungszustand: Nur eine richtig ernährte Pflanze ist in der Lage eine gute Winterhärte auszubilden. So fördert zum Beispiel eine gute Bor-Versorgung beim Winterraps im Herbst die Winterhärte, ebenso spielt Kali eine wichtige Rolle. Bezüglich Stickstoff sollte die Pflanze einerseits nicht unterernährt sein, andererseits kann aber eine N-Überversorgung zu einer übermäßigen Nitratversorgung der Pflanze führen, was immer auch eine Wasseraufnahme der Pflanzenzellen mit sich bringt. Wachstumsreglermaßnahmen im Herbst beim Winterraps zum Beispiel fördern hingegen die Entwässerung und damit die Erhöhung der Zellsaftkonzentration.

Stärke und Dauer der Stressphase: Ob es zu Frostschäden kommt, hängt natürlich auch im Besonderen davon ab, wie tief die Temperaturen fallen. Die größte Gefahr der harten Frostperiode besteht wahrscheinlich eher in ihrer Dauer als in der Temperatur der kältes­ten Nacht. Eine gute Schneedecke ist der beste Schutz, doch darauf mussten die meisten Bestände verzichten. Vielerorts lag lange Zeit überhaupt kein Schnee und erst zum Ende der Frostperiode stellte sich lediglich eine sehr dünne Schneedecke von weniger als 1 cm ein. Selbst das kann aber schon hilfreich gewesen sein, und wenn auch nur als Windbremse zum Schutz des Vegetationskegels vor Austrocknung. In blattreichen Beständen bieten selbst abgefrorene Blätter einen Wind- und Sonnenschutz für den Vegetationskegel. Hohe Sonneneinstrahlung tagsüber und ein zeitweise unangenehmer Wind entziehen den Pflanzen Wasser, diese drohen allein durch die Länge der Dauerfrostperiode zu vertrocknen. Die Situation ist aber bisher nicht mit der Lage im Winter/Frühjahr 2009/2010 vergleichbar.

Abgefrorene Blätter bilden einen Schutz für den Vegetationskegel

Winterraps: Zwar ist der Blattapparat teils stärker zurückgefroren, jedoch ist ein überwiegender Teil des Blattapparates und vor allem der Vegetationskegel (Zone der Zellteilung und damit des Wachstums) in den meisten Fällen intakt. In Einzelfällen kann zwar eine gewisse Bestandsausdünung feststellen, aber insgesamt sind noch ausreichende Bestandesdichten geben, die einen erfolgreichen Rapsanbau gewährleisten. Entscheidend wird sein, wie es mit der Witterungsentwicklung weitergeht und ob es möglichst bald zu einem nachhaltigen Witterungswechsel kommt.

Winterweizen: Bei den Winterweizenbeständen sieht es durchaus überwiegend derzeit noch positiv aus. Zwar ist es auch hier in Einzelfällen zu einer gewissen Bestandsausdünnung gekommen, aber der überwiegende Teil der Bestände ist, abgesehen von Blatterfrierungen, noch fast vollständig vorhanden. Nur Spätsaatflächen, die in ihrer Entwicklung noch deutlich zurück waren, und Flächen mit extrem spätem Aussaatermin, welche zum Teil noch gar nicht vollständig aufgelaufen waren, präsentieren sich momentan in einem etwas kritischen Zustand. Hier ist der geringe vorhandene Blattapparat deutlich vom Frost geschädigt und zurückgefroren. Auch hier bleibt die weitere Entwicklung ab zu warten. Zwar liegt hier bereits ein etwas größeres Ausmaß an Schädigungen vor, aber auch in diesen Schlägen sind bislang noch die meis­ten Pflanze im Bereich der Zellteilungszone intakt und damit am Leben.

Die weitere Entwicklung abwarten

Wintergerste: Die Wintergerste hingegen zeigt vielerorts vor allem von der Optik her schon starke Folgeerscheinungen der zurückliegenden Frostperiode. Es handelt sich hier aber vor allem um direkte Frostschäden in Form von zerstörten Zellschichten im Blattapparat durch die äußerst niedrigen Temperaturen und zum Teil ein Vertrocknen der oberirdisch angetauten Pflanzen durch Wasserverduns­tung infolge der tagsüber herrschenden Strahlungsintensität während der Frostphase. Das zeigt sich durch die schlagartige Gelbverfärbung mit dem Nachlassen der Frostperiode und dem Eintritt von über dem Gefrierpunkt liegenden Temperaturen. Aber bislang beschränkt sich der Schaden auf zerstörte Zellschichten im Blattbereich. Auch bei den Wintergerstebeständen sind die Zellteilungszonen noch Intakt.

Winterroggen und Triticale: In den Winterroggen und Triticalebeständen, sind offensichtlich im Wesentlichen noch keine Auswinterungserscheinungen fest zustellen.

Erste Nmin-Ergebnisse zeigen keine Auffälligkeiten

Trotz der schwierigen Witterungsbedingungen und den damit verbunden erschwerten Bedingungen beim Ziehen von Nmin-Proben, liegen derzeit bereits ein Teil der Ergebnisse der offiziellen Proben vor. Nach einer ersten vorläufigen Auswertung der Untersuchungsergebnisse aus dem so genannten Referenzflächen- und Nmin-Testflächen Programm (derzeit liegen etwa von 30 Prozent der Probenflächen Ergebnisse vor) liegen die Werte zurzeit tendenziell leicht unter den langjährig ermittelten Werten. Hierbei weisen die Proben eine ausgewogene Verteilung über die 90 cm Beprobungstiefe auf. Sicherlich reicht die Anzahl der Proben noch nicht völlig aus um endgültig abgesicherte Empfehlungen daraus ab zuleiten. Aber gewisse Tendenzen lassen sich durchaus hieraus bereits erkennen.

Die Getreidebestände sind dabei in diesem Jahr von der Entwicklung und der Bestandesdichte her gesehen überwiegend im Normbereich, obwohl vor allem in Weizenbeständen vielerorts auch Bestände anzutreffen sind, die in Entwicklung und Bestandesdichte noch deutlich zurück sind. Es sind – im Gegensatz zu den letzten Jahren – im Allgemeinen keine überwachsenen und übermäßig bestockten Getreidebestände anzutreffen. Die Spätsaaten hängen entsprechend ihres Aussaattermins in der Entwicklung überwiegend sogar deutlich zurück.

Daher empfiehlt sich, aus jetziger Sicht, in diesem Frühjahr eine betriebsübliche durchschnittliche, eventuell leicht erhöhte erste N-Gabe, entsprechend der langjährigen Erfahrungswerte, der Standortgüte und gegeben falls eingesetzten organischen Düngern zu den einzelnen Kulturen. Mehr lässt sich anhand der vorliegenden Werte zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht ausführen. Weitere Auswertungen folgen in den nächsten Tagen.

Bestände weiter beobachten

Als Fazit kann zum jetzigen Zeitpunkt festgehalten werden: Aktuell lässt es sich nicht zweifelsfrei beantworten, ob und wie stark die Flächen ausgewintert sind. Es scheint, dass die Winterungsbestände überwiegend noch intakt sind.

Wie die Situation sich weiterentwickelt, kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht eingeschätzt werden. Dies wird stark davon abhängen, welche Gesamtwetterlage sich in nächster Zeit einstellt. Wichtig ist, dass die Bestände intensiv beobachtet und kontrolliert werden müssen.Über die weitere Entwicklung wird an dieser Stelle aktuell berichtet werden.Cloos

 
LLH-Beratungs-Info, Rainer Cloos