Bäuerinnen und Bauern machen Kommunalpolitik

Kandidaten berichten von ihren Erfahrungen

Nach wie vor engagieren sich viele Landwirtinnen und Landwirte in der Kommunalpolitik. Dies wird besonders deutlich beim Blick über die Liste der Kandidaten für die hessischen Kreistage. Die Bäuerinnen und Bauern bringen sich mit ihrem Fachwissen und ihren Erfahrungen in die Parlamente ein und können dazu beitragen, dass landwirtschaftliche Zusammenhänge erklärt, Verständnis für das Wirtschaften geweckt und Bedürfnisse der Betriebe berücksichtigt werden. Wir haben Kandidatinnen und Kandidaten über ihre Motivation und ihre Erfahrungen befragt.

Lisa Schäfer

Foto: cdu

Lisa Schäfer nimmt mit ihren 20 Jahren die erste Möglichkeit wahr, um sich um ein politisches Wahlamt zu bewerben. Die Vorsitzende der Jungen Union in Solms-Braunfels-Leun kandidiert für einen Sitz in der Stadtverordnetenversammlung ihrer Heimatstadt Solms und für ein Mandat im Kreistag des Lahn-Dill-Kreises. In der Union ist sie seit 2018 engagiert, seit vergangenem Jahr ist sie im Vorstand des CDU-Stadtverbandes Solms. Lisa Schäfer macht, nachdem sie die Abiturprüfung abgelegt hat, eine Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten in der Hessischen Staatskanzlei. Die Ausbildung wird sie in diesem Jahr abschließen.

Zu Hause auf dem elterlichen Landwirtschaftsbetrieb, dem Sonnenhof in Niederbiel mit Milchviehhaltung und Ackerbau, wurde immer auch über Politik debattiert. Ihr politisches Hauptthema ist die Landwirtschaft, die sie sehr engagiert in ihrer Partei vertritt. Im Kommunalwahlprogramm der CDU Solms hat sie insbesondere zum Thema Förderung und Unterstützung der Landwirtschaft sowie Anerkennung der Leistung für den Erhalt der Kulturlandschaft beigetragen. In der letzten Zeit treiben sie besonders die Themen Insektenschutzpaket und Düngeverordnung um. Sie war schon vor anderthalb Jahren nach dem ersten Kabinettsbeschluss auf der Straße und hat Kundgebungen mitorganisiert. „Die Beschlüsse sind ungerecht und fachlich nicht hinreichend begründet“, sagt sie und macht deutlich, dass sie in dieser Frage auch manchmal mit ihrer eigenen Partei hadert. Weitere Themen sind die Jagd, Ehrenamt und Vereine. Sie selbst ist bei der Tanzgarde, in der Burschen- und Mädchenschaft und im Verein Pro Polizei. Außerdem gehört sie der Landjugend und dem Regionalbauernverband Gießen/Wetzlar/Dill an.

Lisa Schäfer ist konservativ. „Darunter verstehe ich, Bewährtes zu erhalten und Neues zu gestalten. Ein Anliegen ist es mir auch, junge Leute für Demokratie und Politik zu begeistern“, sagt Schäfer. Zu ihren politischen Vorbildern gehören Friedrich Merz, die Agrarpolitikerin und Bundestagsabgeordnete Gitta Connemann, Wolfgang Bosbach und der heimische Bundestagsabgeordnete Hans-Jürgen Irmer.

Mit 16 war Lisa Schäfer Hessische Kartoffelkönigin. „Das war ein gutes Training, um repräsentieren zu lernen und sich in Themen einzuarbeiten“, sagt sie. Dass im Kommunalwahlkampf wegen der Pandemie auf die klassischen Infostände und auf direkte Gespräche verzichtet werden muss, bedauert sie sehr. Allerdings biete insbesondere die Junge Union alternativ viele Internet-Formate an, wie beispielsweise Talkrunden, demnächst mit Gitta Connemann.

Mark Trageser

Foto: kbv

Mark Trageser kandidiert erstmals für die Gemeindevertretung von Linsengericht im Main-Kinzig-Kreis und steht auf der Liste der Freien Wähler. Linsengericht hat rund 10 000 Einwohner und 27 Gemeindevertreter. In der Gemeinde gibt es noch vier Haupterwerbsbetriebe. Trageser ist seit 2017 Vorsitzender des Kreisbauernverbandes (KBV) und bewirtschaftet mit seiner Frau Julia einen Milchviehbetrieb mit 130 Kühen und Ackerbau. Sie haben zwei Kinder von 6 und 8 Jahren. Der 35-Jährige ist somit voll eingespannt in Familie, Betrieb und berufsständischer Arbeit, hält aber die Kommunalpolitik und die Vertretung der landwirtschaftlichen Belange für sehr wichtig. „Da muss man schauen, was realistisch ist. Ich fang deshalb erstmal auf Gemeindeebene an“, sagt Trageser.

Politisches und ehrenamtliches Engagement hat in seiner Familie Tradition. Sein Vater Rudolf Trageser war jahrzehntelang in der Gemeindevertretung. Mit mittlerweile 70 Jahren kandidiert er nicht mehr. Mark Tragesers Mutter Brigitte ist seit vielen Jahren Ortsvorsitzende. Bekannt ist sie auch als Bezirksvorsitzende der Landfrauen.

Parteipolitische Ambitionen hat Mark Trageser nicht, ihm geht es um die Sacharbeit. So kämpft er beispielsweise gegen ein Verbot des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln auf Gemeindeflächen. Das ist ein Thema auf der Tagesordnung in der Gemeinde. Trageser hatte Gelegenheit, als KBV-Vorsitzender im vergangenen November im Umweltausschuss zu sprechen und die Tragweite und die fachlichen Hintergründe zu erläutern. „Da ging es hart zur Sache. Trotzdem waren meine Argumente gut angekommen und hatten Wirkung.“ Ein weiteres Thema auf der Gemeindeebene ist die Instandhaltung von Feldwegen. Trageser hält es für noch effizienter, wenn man als Landwirt und gewählter Gemeindevertreter in den Gremien Rederecht und Einfluss hat. Er fragt sogar, ob es nicht gerade eine Pflicht sei, sich als berufsständischer Vertreter kommunalpolitisch zu engagieren.

„Wenn man sich engagiert, kann man etwas verändern“, sagt Trageser, der auch in der Hessischen Landjugend schon als stellvertretender Vorsitzender und Sprecher für Agrarpolitik jahrelang aktiv war. Seine politischen Themen sind wegen der Kinder auch Kindergarten und Schule. Außerdem ist er in der Feuerwehr und in Vereinen engagiert. Auch hier gilt es für ihn, deren Anliegen in der Gemeinde Gehör zu verschaffen.

Erich Schaumburg

Foto: privat

Erich Schaumburg (Jahrgang 1957) ist schon seit 1981 Mitglied der Gemeindevertretung von Niestetal und dort Fraktionsvorsteher der CDU. Seit 1989 sitzt der Vorsitzende des Kreisbauernverbandes Kassel im Kreistag. Er sieht seine Rolle ganz klar darin, die Interessen der Landwirtschaft zu vertreten. Jüngstes Beispiel ist der Kreistagsbeschluss von Dezember 2019, den Erich Schaumburg maßgeblich initiiert hat. Dem Antrag seiner Fraktion mit der Ãœberschrift „Unterstützung landwirtschaftlicher Betrieb im Landkreis“ wurde einstimmig zugestimmt, bei Enthaltung der Grünen. Mit der Verabschiedung bekennt sich der Kreis zur Landwirtschaft und zu den Betrieben und verspricht, sich mit den ihm zur Verfügung stehenden Instrumenten wie der Genehmigungspraxis und dem Förderrecht einzusetzen. Vor zwei Wochen wurde dieser Beschluss „Der Landkreis Kassel unterstützt in seinem Tun und Handeln die landwirtschaftlichen Betriebe im Kreisgebiet… auch als strategisches und mittelfristiges Ziel des Kreishaushaltes festgeschrieben, erzählt Schaumburg stolz. Der erfahrene Politiker und umweltpolitische Sprecher seiner Fraktion setzt viel auf Gespräche, auch mit anderen Fraktionen, um im Vorfeld Fronten abzubauen. „Es ist wichtig, dass im Kreistag Antworten auf landwirtschaftliche Probleme gegeben werden. Ich glaube, dass diese Expertise gewünscht ist. Und als KBV-Vorsitzender hat man da noch zusätzliche Autorität.“

Neben dem parlamentarischen Handeln sind für Schaumburg auch der Zugang zum Kreisausschuss, also zur Verwaltung wichtig. „Viele Probleme lassen sich in den direkten Gesprächen mit der Unteren Naturschutzbehörde, der Unteren Wasserbehörde, dem Landwirtschaftsamt oder auch schon mal direkt mit dem Landrat beiseite räumen“, sagt Schaumburg, dem dabei die Erfahrung und die langjährige Mitgliedschaft im Kreistag zugutekommen.

Gespräche gibt es beispielsweise auch mit der Straßenverwaltung, wenn es etwa um breite Erntemaschinen im Straßenverkehr geht. Die CDU-Fraktion hat Schaumburg zudem in die Regionalversammlung Nordhessen entsandt, in der unter anderem die Themen Windkraftanlagen, Solaranlagen auf Freiflächen und Gewerbeansiedlung beraten werden. Außerdem hat der Landwirt unter anderem als Vertreter des Kreistages einen Sitz im Zweckverband Tierkörperbeseitigung.

Schaumburg schätzt, dass er im Monat anderthalb bis zwei Arbeitstage für den Kreistag inklusive der alle zwei Monate stattfindenden Sitzungen aufbringt. „Das kann in der Erntezeit, die Sitzungen finden tagsüber statt, schon zu Stress führen“, räumt er ein.

Susanne Günther

Foto: fdp

Susanne Günther ist noch relativ neu in der Kommunalpolitik. Die 48-jährige Bäuerin ist vor gut anderthalb Jahren als Nachrückerin für die FDP in die Stadtverordnetenversammlung von Waldeck gekommen, nachdem ein Berufskollege das Mandat niedergelegt hatte. Bei dieser Kommunalwahl steht sie wieder zur Wahl und zusätzlich für den Kreistag von Waldeck-Frankenberg. Günther stammt aus dem Münsterland, hat Philosophie studiert und anschließend in der PR-Branche volontiert und gearbeitet. Die Mutter dreier Kinder hat sich ihr landwirtschaftliches Wissen in der Praxis erworben. Gemeinsam mit ihrem Mann Jörg Meyer bewirtschaftet sie den Putenhof Meyer mit 14 400 Mastplätzen, rund 200 Hektar Ackerbau und einer 250-KW-Biogasanlage. „Wir sind die einzigen Putenmäster hier in der Region“, sagt sie. Die Erfahrung in der Öffentlichkeitsarbeit kommt ihr zugute, weil die Tierhaltung, insbesondere die Geflügelhaltung, in der Bevölkerung bekanntermaßen kritisch gesehen wird. Susanne Günther betreibt Aufklärungsarbeit mit großem Engagement, regelmäßig werden Schulklassen, Lehrer und Politiker durch den Betrieb geführt. Dazu gehört auch eine informative Internetseite.

Mit der Öffentlichkeitsarbeit hat sie gute Erfahrungen gemacht. Es gebe einen großen Aha-Effekt bei den Menschen. Die Art und Weise, wie die Puten gehalten werden, entspräche so gar nicht deren Vorstellung einer „Massentierhaltung“. Dieser Lerneffekt wurde sogar wissenschaftlich anhand von Besuchern ihres Betriebs nachgewiesen. Der eigene Stall konnte 2014 ohne Widerstand gebaut werden, erzählt Günther. Jahre später, 2018, gab es gegen einen geplanten Hähnchenmaststall in Waldeck massive Widerstände in der Öffentlichkeit wie auch im Kreistag (insbesondere durch den Antrag der Grünen, den Bau zu verhindern), so dass der betroffene Landwirt aufgab. Das war auch für Günther, die sich damals unter anderem in einer Podiumsdiskussion für den Stallbau einsetzte, eine prägende Erfahrung.

Susanne Günther arbeitet sich gerne in Themen ein. Sie hält Vorträge über Tierhaltung, aber auch über Glyphosat. Und sie geht den Dingen auf den Grund. So ist der Betrieb Mitglied im Modell- und Demonstrationsvorhaben Tierschutz (MuD) zum Thema Schnabelbehandlung. Ihre landwirtschaftliche Expertise bringt sie auch in das Praktiker-Netzwerk des Bundeslandwirtschaftsministeriums ein, das vom damaligen Minister Christian Schmidt eingerichtet wurde. Hier beraten hundert Landwirte zweimal im Jahr unter anderem über eine Ackerbaustrategie oder die Agrarförderung.

In der Stadtverordnetenversammlung befasst sich Günther natürlich mit der ganzen thematischen Breite der Kommunalpolitik, unter anderem der Ortsentwicklung mit der Kernfrage, wie man die Kommune attraktiv für junge Familien hält. Ein wichtiger Aspekt des kommunalpolitischen Engagements für sie: „Ich habe das Gefühl, näher am Geschehen und besser informiert zu sein.“

CM – LW 8/2021