Bauern im Gespräch mit Politikern und Behördenchef

Mahnwachen gegen Insektenschutzpaket und Rote Gebiete

Unter dem Motto „Insekten- und Gewässerschutz MIT der Landwirtschaft“ haben der Hessische Bauernverband (HBV), Land schafft Verbindung Hessen (LsV) und die Hessische Landjugend (HLJ) ihre Mahnwachen in dieser Woche vor der Hessischen Staatskanzlei in Wiesbaden fortgesetzt. In der vergangenen Woche haben Bäuerinnen und Bauern ihre Kritik an der geplanten Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes und der Landes-Düngeverordnung bereits vor dem Hessischen Landwirtschaftsministerium (LW Nr. 7) und im Anschluss vor dem Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie sowie dem Hessischen Landtag kundgetan.

Vor dem Hessischen Landtag fanden intensive Gespräche mit den Abgeordneten statt. Links HBV-Präsident Karsten Schmal und LsV-Vertreter Johannes Wagenbach sowie Torben Eppstein von der Landjugend mit der CDU-Fraktionsvorsitzenden Ines Claus.

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Vor dem Landtag gab es intensive Gespräche mit Vertretern der Landtagsfraktionen. HBV-Präsident Karsten Schmal und die LsV-Vertreter Olaf Pöhlmann und Johannes Wagenbach sowie Torben Eppstein von der Landjugend beklagten beim Gespräch mit der CDU-Fraktionsvorsitzenden, Ines Claus, dass die Union die Landwirtschaft vernachlässige. Dies führe zu Enttäuschungen, die Landwirte fühlten sich im Stich gelassen. Bei der Düngeverordnung habe es keine echte Einbindung des Berufsstandes gegeben, so Schmal. Dies dürfe sich beim Insektenschutzprogramm nicht wiederholen. Die Landwirtschaft stehe bereit für einen Vertragsnaturschutz mit frischem Geld. Vorbild könne der niedersächsische Wege sein.

Insektenschutz soll Chefsache werden

Ines Claus sagte, dass die CDU für den konstruktiven Dialog mit der Landwirtschaft und dem Berufsstand stehe. Beim Beschluss im Bundeskabinett zum Insektenschutzpaket habe die Union im Vorfeld einiges verhindert. Und beim Insektenschutzpaket gebe es durchaus Gestaltungsmöglichkeiten. Claus kündigte an, dass Ministerpräsident Volker Bouffier den Insektenschutz zur Chefsache machen und es einen runden Tisch geben werde. Dazu werde sich der Ministerpräsident in dieser Woche äußern. Sie verwies ebenfalls auf die Modelle der Kooperation in Niedersachsen und Baden-Württemberg.

Die agrarpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion Wiebke Knell mit Tobias Gipper von LsV, HBV-Vizepräsident Volker Lein und die RBV-Vorsitzende Andrea Rahn-Farr.

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„Bundesumweltministerin Schulze will die Bauern beim Insektenschutz nicht mitnehmen“, hielt HBV-Präsident Schmal dem agrarpolitischen Sprecher der SPD-Landtagsfraktion Heinz Lotz vor. Selbst die niedersächsische SPD mit Ministerpräsident Stephan Weil und Umweltminister Olaf Lies kritisierten das geplante Insektenschutzpaket der SPD-Ministerin, so Schmal. Lotz sagte, dass auch er für den niedersächsischen Weg für Hessen plädiere. „Wir wollen die Landwirtschaft mitnehmen.“ Die hessische SPD habe Druck auf Ministerin Schulze gemacht, versicherte Lotz. Für den Insektenschutz müsse man zusätzliche Mittel wie in Niedersachsen in die Hand nehmen, so der Politiker.

Auf die agrarpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Wiebke Nell, trafen HBV-Vizepräsident Volker Lein, die Vorsitzende des RBV Wetterau-Frankfurt, Andrea Rahn-Farr, Tobias Gipper von LsV und der Jesberger Landwirt Andreas Kröschel. Knell hatte in einer Pressemitteilung die Beschlüsse des Kabinetts kritisiert und Hessens Umweltministerin Priska Hinz dazu aufgefordert, sich im Bundesrat gegen die Änderung der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung zu stellen. Die beschlossenen Maßnahmen entzögen zahlreichen hessischen Landwirten die Betriebsgrundlage. Die Entwertung der Flächen komme einer Enteignung gleich. Es sei bedauerlich, dass die Union diese landwirtschaftsfeindliche Politik der SPD-Ministerin nicht verhindern konnte, so die FDP-Politikerin. Andrea Rahn-Farr hofft darauf, dass sich Hessen bei der Abstimmung über das Insektenschutzpaket im Bundesrat enthält. Zwar habe jedes Land nun die Möglichkeit, über die Länderöffnungsklausel selbst zu entscheiden, wie die Vogelschutzgebiete behandelt werden. Die Landwirtin sieht ebenso wie HBV-Vize Lein die Gefahr, dass Landwirtschaftsministerin Hinz die Vogelschutzgebiete dem Bundesnaturschutzgesetz unterstellt und damit freiwillige Maßnahmen und Kooperationen zwischen Landwirten und Naturschutzverbänden die Basis nimmt.

Die Plakatwände veranschaulichten die Flächen, die von einem Pflanzenschutzanwendungsverbot, gemäß dem Kabinettsbeschluss, betroffen wären.

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Für eine Entschädigung der Bewirtschafter für die Ertragsverluste durch die Auflagen durch das Insektenschutzpaket sprach sich im anschließenden Gespräch der Landtagsabgeordnete der Grünen, Hans-Jürgen Müller, aus. Das Verbot des Düngens bei Frost, das ebenfalls von den Landwirten bemängelt wurde, sieht auch er kritisch. Damit ist unter Umständen eine frühe Versorgung der Pflanzen mit Stickstoff gefährdet. Doch Hoffnung auf eine Änderung der Verordnungslage sieht Müller nicht, Die EU werde keine andere Regelung akzeptieren. Er versprach, mit den Vertretern des HBV und LsV weiter den Dialog zu suchen. Er bekannte, dass es schwierig sei, in den Fraktionen das Thema Landwirtschaft fachgerecht zu diskutieren.

Vor dem Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) in Wiesbaden fand, begleitet von einem hupenden Schlepperkorso, eine Diskussion mit HLNUG-Präsident Professor Dr. Thomas Schmid statt. Das Landesamt war von der Landesregierung mit der Ausweisung der Roten und Gelben Gebiete betraut worden. HBV-Vizepräsident Thomas Kunz monierte, dass die vom Bauernverband angeforderten Daten zum hessischen Messstellennetz nach wie vor nicht vorlägen. „Unser Problem ist, dass die Ausweisung der Roten Gebiete oft nicht nachvollziehbar ist und Vorschläge des Berufsstandes nicht berücksichtigt wurden“, so Kunz.

Tobias Gipper, LsV, und HBV-Vizepräsident Volker Lein übergeben dem Grünen-Landtagsabgeordneten Hans Jürgen Müller die gemeinsamen Positionspapiere.

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„Wir haben die Daten in dem Umfang, wie sie von Ihnen angefordert wurden, nicht in der Hosentasche“, erklärte Schmidt, Sie müssten erst in der Behörde zusammengestellt werden. Ein Teil sei dem Verband bereits zugegangen, und der Rest werde spätestens zum Monatsende zur Verfügung stehen, entgegnete der Behördenchef.

Bei dem Gespräch schilderten Landwirte einige Beispiel von Ungereimtheiten. „Wir wirtschaften direkt an der Grenze zu Nordrhein-Westfalen und teilen uns mit den Kollegen dort denselben Grundwasserkörper. Jenseits der Grenze ist kein Rotes Gebiet, diesseits aber schon. Und das obwohl bei 139 Quellen nur zwei den Grenzwert von 50 mg Nitrat überschreiten. Wie kann das sein?“, fragte Johannes Bauer von der Domäne Ober Gembeck im nordhessischen Twistetal. „Das Wasserwerk, in dessen Einzugsbereich wir arbeiten, attestiert uns Jahr für Jahr, dass die Wasserqualität absolut einwandfrei ist“, erläuterte Markus Rühl aus Heusenstamm. Für die eine Messstelle, die erhöhte Wert aufweise, lägen Gutachten vor, die zeigten, dass das Wasser aus einer andere Richtung komme. Dennoch werden die Fläche als Rotes Gebiet eingestuft. Die geltenden Auflagen zur Düngung würden dazu führen, dass Kartoffeln oder Salat nicht mehr verkauft werden könnten, weil sie nicht mehr den Anforderungen des Marktes entsprächen.

HBV-Vizepräsident Thomas Kunz im Diskurs mit HLNUG-Präsident Prof. Dr. Thomas Schmid.

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Insgesamt beklagten die Bauern, dass die Vorgaben praktisch oft nicht umsetzbar seien, beispielsweis der vorgeschriebene Anbau von Zwischenfrüchten, die unter trockenen Bedingungen nicht etabliert werden könnten oder zu Lasten der Nachfrucht gingen. Um von dieser Vorgabe befreit zu werden, müsse man in einem anerkannten Trockengebiet liegen. Dies würde aber auf Grundlage der Niederschläge in den letzten 30 Jahren ausgewiesen, was angesichts des fortschreitenden Klimawandels nicht sachgerecht sei. Zu Einzelfällen wie dem gemeinsamen Grundwasserkörper könne er nichts sagen, so Schmid. Er wolle der Sache aber nachgehen. „Reichen Sie konkrete Fragen ein, und das wird geklärt werden.“ Der HLNUG-Präsident stellte in Aussicht, dass bei unzutreffender Datenlage die Zuschnitte der Roten Gebiete durchaus noch verändert werden können.

Insgesamt habe man sich streng an die Vorgaben des Bundes halten müssen. Sein Haus habe sogar dafür plädiert, Wasserschutz-Kooperationen aus den Maßnahmen herauszunehmen, was aber nicht gelungen sei. Er betonte, dass nach der Ãœberarbeitung der Roten Gebiete nur noch etwas mehr als die Hälfte übriggeblieben sei. „Ich denke, da haben wir auch im Sinne der Landwirtschaft gearbeitet.“

LW – LW 8/2021