Bauernverband Gießen/Wetzlar/Dill tagte

„Man kann nicht alles mit Geld ausgleichen“

Neben dem Geschäftsbericht und Ehrungen standen Themen wie Flächenverluste, Betriebsaufgaben, Umweltauflagen, Beiträge und Öffentlichkeitsarbeit im Mittelpunkt der Diskussionen anlässlich der Mitglieder-offenen Vertreterversammlung des Verbandes. Erstmals stellte sich im Bürgerhaus Hüttenberg der Geschäftsführer des Landwirtschaftsverlages Hessen, Josef Benner, auch als neuer stellvertretender HBV-Generalsekretär mit einem Vortrag zur aktuellen Situation der Landwirtschaft und des Verbandes vor.

Josef Benner (links) und Manfred Paul ehrten Karl-Heinz Eller (Mitte) aus Lich-Bettenhausen für 43 Jahre als Ortsvorsitzender.

Foto: Becker

Vorsitzender Manfred Paul ließ zunächst das arbeitsreiche Jahr 2019 Revue passieren. Aus landwirtschaftlicher Sicht habe das Jahr mit Schäden durch späte Fröste begonnen. „Damit können wir umgehen, wir arbeiten seit jeher in und mit der Natur.“ Aufgrund der Trockenheit habe es eine verhaltene Ernte gegeben, vor allem der Wald habe unter dem zweiten Dürrejahr in Folge sehr gelitten. Schwieriger sei der Umgang mit den „80 Millionen Fachleuten, die uns erklären wollen, wie wir unsere Arbeit zu machen haben“, so der Betriebsleiter aus Hungen-Villingen.

Verbandsvertreter leisten hohes Pensum ab

„Die Landwirtschaft ist heute hochspannend“, stellte Paul fest und konnte dies anhand der zahlreichen Termine, die er und seine Vorstandskollegen besucht hatten, belegen. Besonders hob er die Gespräche mit Behörden zu den Themen Biodiversität, Flächenverbrauch und Regionalität hervor. Zur Düngeverordnung sei man unter anderem im Landtag zu Gesprächen gewesen und zum Thema Wolf habe man erst kürzlich in Grünberg die Positionen der Landwirte deutlich gemacht: „Der Wolf gehört nicht in unsere dicht besiedelte Region und eine Herde, die einmal einem Wolfsangriff ausgesetzt war, ist praktisch nicht mehr im Freiland zu führen“, so der Verbandsvorsitzende. Entschädigungen seien hier genauso wenig hilfreich wie die „Bauernmilliarde“ im Zusammenhang mit dem neuesten Agrarpaket. „Man kann mit Geld nicht alles ausgleichen“, resümierte Paul die schwierige Lage.

Die aktuellen Demonstrationen, die vor allem von jungen Bäuerinnen und Bauern über die sozialen Medien organisiert werden, bewertet der Verbandsvorsitzende positiv. „Diese Aktionen sind top. 10 000 Schlepper in Berlin zeigen, dass wir uns nicht alles gefallen lassen.“ Es habe sich auch gezeigt, dass viele junge Leute, die sich in der organisatorisch unabhängigen Bewegung „Land schafft Verbindung“ (LSV) zusammengefunden haben, zur Mitarbeit im Bauernverband motivieren lassen.

Dies sei ein positives Signal, denn die Herausforderungen für die Branche seien enorm: Auflagen, Landverluste, Betriebsaufgaben und Öffentlichkeitsarbeit verlangten den Vertretern viel ab. „Wir müssen als Bauernschaft zusammenstehen“, betonte der Verbandsvorsitzende.

Vorstandswahlen und Ehrungen

Der von Geschäftsführer Hans-Martin Sames vorgestellte Jahresabschluss 2019 wurde einstimmig genehmigt und dem Vorstand und Geschäftsführung einstimmig Entlastung erteilt. Die Haushaltsvoranschläge 2020 und 2021 wurden ebenfalls bei einer Enthaltung genehmigt.

Ein Mitglied wurde wegen dauerhaften Fehlverhaltens bei der Tierhaltung und damit verbandsschädigendem Verhalten einstimmig ausgeschlossen.

Vorstandswahlen: Turnusgemäß ausgeschieden und wiedergewählt wurden Mathias Fritz, Lollar, Peter Fay, Pohlheim; Vertreterin der Landfrauen: Anneliese Jung, Pohlheim; Vertreter der Landjugend: Daniel Seipp, Lich.

Zu Landesvertretern für den HBV wurden einstimmig gewählt: Jonas Gebauer, Sebastian Balser-Kutt, Gerd Reichert, Sven Görlach, Ottmar Müller, Manfred Balser, André Linker, Anneliese Jung, Daniel Seipp, Simon Thiel und Felix Meyer.

Karl Heinz Eller wurde mit der Silbernen Ehrennadel des Hessischen Bauernverbandes ausgezeichnet.

Auflagen treffen vor allem die kleineren Betriebe

Über die aktuelle Situation der Landwirtschaft und des Hessischen Bauernverbandes (HBV)referierte Josef Benner, Geschäftsführer des Landwirtschaftsverlages Hessen und seit Jahresbeginn stellvertretender HBV-Generalsekretär. Angesichts der Probleme durch die Ausbreitung des Corona-Virus wies er auf die Bedeutung einer regionalen Versorgung mit Lebensmitteln hin, die nur durch die heimischen Landwirte sichergestellt werden könne.

Allerdings hätten gerade diese bäuerlichen Familienbetriebe heute mit immer größeren Problemen zu kämpfen, die bis hin zu Betriebsaufgaben führten: Gesetzliche Beschränkungen bei Düngung und Pflanzenschutz sowie Auflagen zur Tierhaltung führten dazu, dass vor allem die Tierhaltung in Hessen weiter zurückgehe und damit auch der Selbstversorgungsgrad. Diesen Herausforderungen müsse sich der Verband stellen.

Der HBV habe beispielsweise aktuell ein hydrologisches Gutachten in Auftrag gegeben, um das Nitrat-Messstellennetz auf seine Aussagekraft hin zu überprüfen. „Wo es Nitrat-Probleme durch die landwirtschaftliche Produktion gibt, stellen wir uns der Verantwortung und werden dem entgegenwirken; wo aber andere Ursachen zugrunde liegen, müssen diese identifiziert werden. Wir denken, dass dadurch etliche Gebiete nicht mehr unter die strengen Düngeauflagen fallen würden“, so Benner.

Ein Schwerpunkt der Zukunfts-Strategie des HBV liege im Ausbau der Social-Media-Aktivitäten. „Wir müssen hier auf Augenhöhe mit den NGOs agieren können und investieren auch personell in diesen Bereich“, betonte der Referent.

Althergebrachte Strukturen auf den Prüfstand stellen

In der Aussprache kritisierte Dr. Dietmar Schmidt, Buseck-Beuern, neben der seiner Meinung nach fehlenden Transparenz in der Verbandsarbeit die Ämteranhäufung vieler Funktionäre: „Wenn ein Bauernverbandsvertreter im Aufsichtsrat einer Molkerei sitzt, ist er dieser verpflichtet und muss auch in deren Sinne gegen die Interessen der zuliefernden Bauern stimmen. Solche Verflechtungen waren früher durchaus von Vorteil, sollten heute aber überdacht werden“, forderte der Betriebsleiter.

Außerdem sprach er sich für eine Professionalisierung des Ehrenamtes aus. „Verbandsvorsitzende haben heute dermaßen viel zu leisten, dass sie dafür künftig besser entschädigt werden sollten, zum Beispiel um davon einen Betriebshelfer während ihrer Abwesenheit bezahlen zu können“, regte Schmidt an

KB – LW 12/2020