Bauernverband mit Kritik an Aigners Charta-Prozess

Born: Land- und Ernährungswirtschaft unterrepräsentiert

Der von Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner initiierte Prozess einer „Charta für Landwirtschaft und Verbraucher“ trifft beim Deutschen Bauernverband (DBV) auf Vorbehalte. „Uns erschließt sich noch nicht vollständig der Sinn der Veranstaltung“, sagte DBV-Generalsekretär Dr. Helmut Born vergangene Woche dem Pressedienst Agra-Europe. Irritiert zeigte sich Born über die Zusammensetzung der teilnehmenden Organisationen an der gewünschten breiten gesellschaftlichen Diskussion.

Sieht die Agrarwirtschaft in der Diskussion um eine Charta für Landwirtschaft unterrepräsentiert: DBV-Generalsekretär Dr. Helmut Born.

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Seiner Einschätzung nach ist die Land- und Ernährungswirtschaft „eindeutig unterrepräsentiert“. Daher sehe er die große Gefahr einer Debatte, „in der die Belange der Betroffenen zu kurz kommen“, warnte der DBV-Generalsekretär. Die Landwirtschaft sei bereit, sich der Diskussion zu stellen. Diese dürfe jedoch nicht losgelöst von der Realität und den Erfordernissen des Marktes geführt werden.

Unklar ist für Born die Handhabe der zu erwartenden Ergebnisse aus den vorgesehenen Veranstaltungen. Er gehe jedoch davon aus, „dass sich die schwarz-gelbe Koalition eine politische Wertung vorbehält und etwaige gesetzgeberische Konsequenzen sorgfältig abwägt“. Der DBV wird sich nach den Worten seines Generalsekretärs trotz der Vorbehalte aktiv in die Charta-Diskussion einbringen. An der Auftaktveranstaltung will Born nach eigenen Angaben „intensiv und engagiert“ selbst teilnehmen.

Sonnleitner fürchtet Agitation gegen moderne Landwirtschaft

Unterdessen machte Verbandspräsident Gerd Sonnleitner seine Bedenken in einem Offenen Brief deutlich. Darin gibt Sonnleitner seiner Befürchtung Ausdruck, dass in dem Charta-Prozess gegen eine moderne, arbeitsteilige und effiziente Landwirtschaft agitiert werde, die auf naturwissenschaftlicher Grundlage arbeite.

Das Bundeslandwirtschaftsministerium hat insgesamt fünf Workshops angesetzt (siehe LW Nr. 10) . Den Auftakt bildete das Thema Umwelt am 15. März. Nach diesem ersten Aufschlag soll es am 7. April einen Workshop zum Thema „Tierhaltung“ geben. Am 20. Mai folgt „Ernährungssicherung und Weltagrarhandel“, am 20. Mai und am 7. Juni ist das Thema „Lebensmittel“ an der Reihe. Einen Abschlussworkshop soll es am 25. Oktober dieses Jahres geben.

Geladen sind 42 Verbände und Organisationen, darunter Agrarverbände, Umweltgruppierungen, die im Bundestag vertretenen Fraktionen, die Kirchen, Gewerkschaften, der Deutsche Lehrerverband, der Deutsche Volkshochschul-Verband sowie als Medienvertreter Die Zeit und die Frankfurter Allgemeine. Interessierte können sich parallel dazu im Internet mit Beiträgen beteiligen. Die Beiträge sollen in einer Charta für Landwirtschaft und Verbraucher münden. Gegebenenfalls sollen daraus gesetzgeberische Initiativen abgeleitet werden, wie etwa eine Novelle des Landwirtschaftsgesetzes.

Landwirtschaft braucht Akzeptanz

„Die Landwirtschaft braucht Anerkennung für ihre Leistungen, um weiterhin in der Mitte der Gesellschaft verankert zu sein“, erklärte Aigner. Gleichzeitig benötigten Verbraucher Vertrauen in Sicherheit, Transparenz und Qualität der Lebensmittel. Beides seien „zwei Seiten einer Medaille“. Die Ministerin will nach eigenen Angaben eine Politik gestalten, „die der Landwirtschaft Akzeptanz gibt und von der Gesellschaft getragen wird“.

Zweifel an realistischer Debatte

DBV-Präsident Sonnleitner äußert sich in dem Offenen Brief besorgt, „dass im Rahmen des Charta-Prozesses tatsächlich eine realistische Debatte geführt wird“. Sonnleitner verweist dabei auf die Erfahrungen der vergangenen Monate, zuletzt im Zusammenhang mit dem Dioxinfall: „Hier hat sich ein Zeitgeist mit Begrifflichkeiten und Wahrnehmungen entwickelt, der unterstellt, die Bauern würden ihre Werte und ihre Verantwortung über Bord werfen“. Nichts davon sei richtig. Die deutsche Landwirtschaft werde auch künftig großen Wert auf eine Verankerung in der Gesellschaft legen, betont der DBV-Präsident.

„Wir müssen als bäuerliche Unternehmer darauf bestehen, dass Forderungen nach mehr Umweltschutz und Tierschutz mit den Realitäten in offenen Märkten abgeglichen werden“, so der Verbandspräsident. Wer dies nicht akzeptiere, verdränge die deutschen Bauern aus dem Markt.

Die Agrar- und Ernährungspolitik habe auch eine wichtige soziale Dimension. Sonnleitner: „Es geht nicht nur um die Qualität unserer Ernährung.“ Vielmehr hätten auch die Preise für breite gesellschaftliche Schichten eine hohe Bedeutung. Voraussetzung dafür sei jedoch eine moderne, arbeitsteilige und effiziente Landwirtschaft. Kaum jemand spreche derzeit über die Kosten von vermeintlichen Alternativen. Deshalb wolle der DBV genau diese Frage bei der Charta-Diskussion geklärt wissen: „Sollen die deutschen Landwirte Nahrungsmittel vorrangig für eine kaufkräftige Elite produzieren oder für alle Bürgerinnen und Bürger?“ age


Beiträge können auf der Internetseite www.bmelv.de eingesehen werden. Der Bauernverband ruft die Landwirte dazu auf, sich an dieser Diskussion zu beteiligt, damit die genannten Themen nicht nur aus Sicht der Verbraucher, sondern von Land­wirtsseite gesetzt werden.