Beitragssenkung bei Berufsgenossenschaft in Sicht

LW: Herr Kins, die Abfindungsaktion für Kleinrenten in der Unfallversicherung ist wegen des großen Zuspruchs durch die Rentenbezieher fest abgeschlossen. Wie bewerten Sie das bisherige Ergebnis?

Wilhelm Kins

Foto: lsv

Kins: Ich bin zunächst sehr froh, dass bei uns in der Verwaltung, auch durch viele Wochenenddienste, alles planmäßig gelaufen ist. Wir sind ja ein Versicherungsträger mit einer sehr hohen Antragszahl. Ende Januar konnten wir bereits allen Antragstellern einen Bescheid zukommen lassen. Von 4 746 Anträgen auf Abfindung der Rente wurden 4 322 bewilligt und bereits ausgezahlt, und zwar insgesamt 65,9 Mio. Euro, davon 40,6 Mio. Euro Bundesmittel, im Schnitt also etwa 15 400 Euro pro Abfindung. Es gab nur 179 Ablehnungen, 16 Anträge wurden zurückgezogen und 229 sind noch in der Bearbeitung. Seit dem 1. Februar sind noch 51 Anträge hinzugekommen. Die Abfindungsaktion war ja ursprünglich auf zwei Jahre angelegt, und jetzt sind die Mittel bereits fast ausgeschöpft. Daraus ergibt sich der negative Effekt, dass wir als Träger die Gelder, die der Bund erst für den Haushalt 2009 eingeplant hat, vorfinanzieren müssen. Wenn es schlecht kommt, haben wir einen Zinsaufwand von 1,2 Mio. Euro. Allerdings steht dem ein eingespartes Unfallrentenvolumen von 8,8 Mio. Euro pro Jahr gegenüber. Wir haben also eine Netto Ersparnis von 7,6 Mio. Euro. Das ist eine ordentliche Rendite.


LW: Zweck der Aktion war es ja, die Beiträge in der Unfallversicherung stabil zu halten oder sogar zu senken. Inwieweit werden die Versicherten in Hessen und Rheinland-Pfalz nach Ihrer Einschätzung entlastet?
Kins: Wir hatten vor der Aktion etwa 21 000 Unfallrenten-Bezieher. Wenn davon rund 4 400 dauerhaft wegfallen, wird das natürlich auf die Beiträge durchschlagen, und zwar vor allem im nächsten Jahr, wenn der Bund seinen Anteil voll auszahlt und wir als Träger keine Zinsaufwendungen haben für die Zwischenfinanzierung. Wir werden dann eine Entlastung haben von rund 9 Mio. Euro.

LW: Hinzu kommt auch, dass Unfallrenten nach dem im vergangenen Jahr beschlossenen LSV-Modernisierungsgesetz bei landwirtschaftlichen Unternehmern und deren Ehegatten erst dann gewährt werden, wenn eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 Prozent vorliegt, anstelle von bislang 20 Prozent.
Kins: Genau. Wir hatten in unserem Zuständigkeitsbereich bisher immer zwischen 500 und 600 Zugänge an Unfallrenten pro Jahr. Davon betrafen zwei Drittel bis drei Viertel eine Erwerbsminderung von 20 Prozent. Zwei Drittel davon sind wiederum landwirtschaftliche Unternehmer oder Ehegatten. Landwirtschaftliche Arbeitnehmer haben weiterhin einen Anspruch auf Unfallrente bei 20 Prozent Erwerbsminderung. Wir haben also insgesamt eine geringere alte Last und weniger Rentenneuzugänge. Das bringt ebenfalls eine Beitragsentlastung. Allerdings stellt sich hier die Frage, ob beide Faktoren so viel ausmachen, dass der Bund sich aus der Finanzierung zurückziehen kann, wie es sich Bundesminister Seehofer erhofft. Ich gehe davon aus, dass unser System weiter auf Bundesmittel angewiesen sein wird. Alles andere wäre eine Überforderung der aktiven Beitragszahler.

LW: Und was bringt der bundesweite Lastenausgleich zwischen den Berufsgenossenschaften, der ebenfalls im vergangenen Jahr beschlossen wurde?
Kins: Der Berufsgenossenschaft Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland wird er Geld bringen. Wie viel das sein wird, lässt sich im Moment nicht sagen, weil die gerade zu Ende gehende Abfindungsaktion dabei eine Rolle spielt. Der Lastenausgleich funktioniert in der Schlussphase so: Jede Berufsgenossenschaft trägt jährlich Rentenlasten in Höhe des Zweifachen ihrer Neurenten. Ist der Auszahlungsbetrag durch die hohe Anzahl alter Renten höher, wird die Differenz von den Berufsgenossenschaften im Verhältnis der beitragsbelastbaren Flächenwerte untereinander gemeinsam getragen. Das heißt je größer die sogenannte alte Last, umso mehr Lastenausgleich würden wir bekommen. Die Abfindungsaktion hat die alte Last allerdings verringert. Die Erhöhung der Schwelle für eine Unfallrente auf eine Erwerbsminderung von 30 Prozent verringert auf der anderen Seite die Zahl der Neurenten.

LW: Insgesamt werden sich die Versicherten also auf eine Beitragssenkung freuen können?
Kins: Ja. Das eine oder andere Mitglied wird allerdings nichts von der Entlastung merken, weil wir in den nächsten Jahren ein anderes, durch den Gesetzgeber vorgegebenes Beitragssystem haben werden und im kommenden Jahr mit der Umstellung bereits beginnen. Künftig sind für die Beitragshöhe der Arbeitsbedarf und das Unfallrisiko maßgebend und nicht mehr wie bisher der Flächen wert.

LW; Nach der Neuregelung müssen die Berufsgenossenschaften ihre jährlichen Verwaltungskosten bis zum Jahr 2014 um 20 Prozent gegenüber dem Jahr 2007 vermindern. Schaffen Sie das?
Kins: Über diese Einsparvorgaben mache ich mir keine Sorgen. Seit 2002 haben uns viele Mitarbeiter altersbedingt verlassen, und in den nächsten Jahren wird eine dreistellige Zahl von Mitarbeitern ausscheiden. Kombiniert mit einem rigiden Einstellungsstopp wird dies zu entsprechenden Einspareffekten führen.

Das Gespräch führte Cornelius Mohr