Beizschutz unter veränderten Vorzeichen

Pflanzenbauliche Maßnahmen zum Schutz des Winterrapses

Seit dem 1. Dezember 2013 gilt ein vorerst zweijähriges Anwendungsverbot für insektizide Wirkstoffe aus der Gruppe der bienengefährlichen Neonicotinoide (Clothianidin, Imidacloprid, Thiamethoxam) zur Saatgut-Behandlung von Winterraps. Überlagertes Rapssaatgut, das mit den genannten Beizwirkstoffen ausgestattet wurde, darf nicht mehr ausgesät werden. Mit welchen pflanzenbaulichen Maßnahmen dem Insektenbefall und pilzlichen Krankheitserregern in der Jugendentwicklung der Rapspflanzen begegnet werden kann, erläutert Dr. Stefan Weimar vom DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück.

Entscheidend für eine intakte Überwinterung sind robust konstituierte Raps-Einzelpflanzen aus der Kombination eines optimalen Aussaattermins und einer angepassten Aussaatstärke sowie eine ausgewogene Pflanzenernährung.

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Nach dem aktuellen Sachstand stehen für die Rapsaussaat 2014 und 2015 keine zugelassenen oder gegebenenfalls neuen Insektizide für eine Saatgutbehandlung zur Verfügung. In umfangreichen Versuchsprogrammen werden derzeit gemeinsam mit den Züchtern und dem amtlichen Dienst Beizapplikationen mit neuen insektiziden Wirkstoffen, wie zum Beispiel Cyazypyr (Cyantraniliprol), auf ihre Wirksamkeit gegenüber dem Befall durch Erdfloh-Arten, Kleine und Große Kohlfliege und Kohlrübenblattwespe geprüft. Selbst bei sehr vorsichtiger Einschätzung ist jedoch frühestens ab der Herbstaussaat 2016 eine Zulassung zu erwarten. Diese kann gegebenenfalls kurzfristig als Zulassung für Notfallsituationen für eine begrenzte und kontrollierte Verwendung sowie zeitlicher Befristung gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 erteilt werden.

Mit zunehmendem Befall durch den Rapserdfloh ist zu rechnen

Ohne den bisher üblichen insektiziden Beizschutz ist insbesondere bei günstiger Herbstwitterung mit einem zunehmenden Befall durch den Rapserdfloh zu rechnen. In der für die Bestandsetablierung relevanten Phase vom Auflaufen bis zum 4-Blatt-Stadium wären weder der Reifungsfraß der Käfer noch der Bohr- und Minierfraß der Larven in den Blattstielen auf systemischem Weg wirkungsvoll zu reduzieren. Bei uneinheitlichem Feldaufgang der Herbstsaaten und unkontrolliertem Altraps-Durchwuchs könnte sich das Befallsszenario zeitlich entsprechend verlängern. Ältere Untersuchungen belegen bei der Mulch- und Direktsaat einen vergleichsweise geringeren Erdflohlarven-Befall gegenüber der Pflugsaat.

Ohne den bisher üblichen insektiziden Beizschutz ist insbesondere bei günstiger Herbstwitterung mit einem zunehmenden Befall durch den Rapserdfloh zu rechnen. Das zwischen 3 und 5 mm große Insekt erscheint ab Anfang September in den auflaufenden Winterrapsbeständen.

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Der zwischen 3 und 5 mm große Rapserdfloh erscheint ab Anfang September in den auflaufenden Winterrapsbeständen. Bei kühler Witterung sind die Käfer auch im Oberboden unter gröberen Erdkluten anzutreffen.

Das Schadbild des adulten Käfers dokumentiert sich in einem typischen Loch- und Fensterfraß an den Kotyledonen und jungen Laubblättern. Spätestens zwei Wochen nach der Besiedelung der Bestände beginnen die weiblichen Tiere mit der Eiablage in etwa 1 bis 2 cm Bodentiefe neben den Rapspflanzen. Die schlüpfenden Junglarven dringen in die Blattstiele der basalen Blätter ein und verursachen dort einen typischen Bohr- und Minierfraß. Bei milder Winterwitterung können die bis zu 7 mm langen Larven, erkennbar an der dunklen Kopfkapsel und den drei Beinpaaren, durchaus auch den Vegetationskegel der Rapspflanzen schädigen.

Die Fraßstellen der Adulten und Larven bilden auch die Eintrittspforten für pilzliche Schaderreger, wie zum Beispiel der Wurzelhals- und Stängelfäule oder auch Verticillium-Rapswelke. Darüber hinaus wird die Winterhärte und Regenerationsfähigkeit der Rapspflanzen beeinträchtigt. Vergleichbare Schadsymptome werden auch bei einem Befall der Jungpflanzen durch die verschiedenen Kohlerdfloh-Arten der Gattung Phyllotreta berichtet.

Die Larven der Kleinen Kohlfliege

Insgesamt kritischer ist die fehlende Insektizidbeizung zur Abwehr der Fraßschäden durch die Larven der Kleinen Kohlfliege einzuschätzen. Ab Ende August erscheint die dritte Generation der Kleinen Kohlfliege in den jungen Rapsbeständen und platziert ihre Eigelege am Wurzelhals der Jungpflanzen.

Nach Untersuchungen durch die UFOP besiedelt die Kleine Kohlfliege die Rapsbestände gesteuert von der optischen Attraktivität der Blattrosetten wie auch bestimmten Geruchsreizen. Die innerhalb einer Woche schlüpfenden, später bis zu 8 mm großen Maden befallen den Wurzelhals sowie die Haupt- und Seitenwurzeln der Jungpflanzen und dringen in die Wurzelrinde ein.

In den typischen Fraßgängen der befallenen Pfahlwurzeln können sich Gewebewucherungen oder auch Fäulnis­herde entwickeln. Optisch reagieren die befallenen Pflanzen mit rötlich-blauen Blattverfärbungen, Kümmerwuchs und auch Welkeerscheinungen. Die vom Herbstbefall der Kleinen Kohlfliege ausgelösten Gewebedefekte können je nach Sortenanfälligkeit und Höhe des Bodeninokulums die Schadsymptome und -wirkung der Verticillium-Rapswelke (Verticillium longisporium) verstärken. Größere Pflanzen können den Befall durch eine intensivere Seitenwurzelbildung besser ausgleichen.

Zwar wäre der Zuflug an adulten Erdflöhen mit den zugelassenen Pyrethroid-haltigen Insektiziden über Blatt­appli­kationen grundsätzlich kontrollierbar, diese liefern jedoch keine ausreichende Wirksamkeit beim Befall mit der Kleinen Kohlfliege. Zudem verweilt diese nur relativ kurzzeitig zur Eiablage in den Beständen.

Aus der geringen systemischen Wirkung und begrenzten Wirkungsdauer könnte zwangsläufig eine relativ enge Behandlungsfolge gegen den Erdfloh-Befall resultieren, die den bisherigen Vermeidungs-Strategien von Pyrethroid-Resistenzen grundsätzlich zuwider laufen würde. Zwischenzeitlich belegen Befunde aus Mecklenburg-Vorpommern sowie den östlichen Regionen in Schleswig-Holstein und Hessen ohnehin eine nachlassende Pyrethroid-Sensitivität von Raps- und Kohlerdfloh-Arten.

Die als unkritisch geltende Inkrustierung des Raps-Saatgutes mit dem fungiziden Wirkstoff Thiram (TMTD) kann dem Befall mit zahlreichen samen- (Alternaria, Phoma) und bodenbürtigen Schadpilzen (Aphanomyces spp., Pythium spp., Rhizoctonia) bis zum 4-Blatt-Stadium vorbeugen. Die zusätzliche Beizung mit dem Wirkstoff Dimethomorph (DMM) wirkt dem Befall durch den Erreger des Falschen Mehltaus entgegen und empfiehlt sich vor Allem bei Spätsaaten. Nach den vorliegenden Produktinformationen wird das Rapssaatgut zur Aussaat 2014 standardmäßig mit dem Wirkstoff Thiram ausgestattet sein, die Kombination mit DMM als fungizider Vollschutz ist gegen Aufpreis grundsätzlich möglich. Einige Züchterhäuser favorisieren bereits in der Basis-Ausstattung die Kombination beider Wirkstoffe.

Pflanzenbauliche Maßnahmen zur Senkung des Befallsrisikos

Zur Senkung des Befallsrisikos durch Erdfloh-Arten und die Larven der Kleinen Kohlfliege sind zur Herbstaussaat 2014 verschiedene pflanzenbauliche Maßnahmen sorgfältig abzuwägen:

Eine sorgfältige Saatbettbereitung und präzise Saatgutablage schafft innerhalb des optimalen Aussaatzeitfensters im Zeitraum der dritten Augustdekade bis spätestens Anfang September, je nach Anbauregion und Sorte, bei einer durchschnittlichen Aussaatstärke von 40 bis 50 keimfähigen Körnern/m2 das Fundament für robuste Einzelpflanzen.

Diese sollten bis zur Vegetationsruhe eine eng am Boden anliegende Blattrosette aus mindestens acht bis zehn Laubblättern und maximal 20 mm Sprosslänge ausgebildet haben. Eine kräftig entwickelte, mindestens 15 bis 20 cm lange Pfahlwurzel mit einem Wurzelhalsdurchmesser von etwa 10 bis 12 mm schafft die Voraussetzung für eine sichere Überwinterung der Pflanzen. Eine insgesamt angepasste Aussaatstärke fördert ein zügiges Längenwachstum des Wurzelsystems, dass photoperiodisch unter den bis Ende September herrschenden Langtagsbedingungen induziert wird und eine gute Bodenerwärmung voraussetzt.

Eine letztlich moderate Erhöhung der Aussaatstärke um maximal fünf Körner/m2 kann auf der Basis geringer Aussaatstärken in Erwägung gezogen werden, um etwas verzögerte Aussaattermine oder mögliche parasitäre Pflanzenverluste ertraglich besser kompensieren zu können.

Extreme Frühsaaten sind attraktiv für die Kleine Kohlfliege

Strategie-Tipp

Die Minderung beziehungsweise Kompensation des Befalls durch Erdfloh-Arten und die Kleine Kohlfliege verlangt teilweise gegenläufige pflanzenbauliche Strategien. Entscheidend für eine intakte Überwinterung sind robust konstituierte Einzelpflanzen aus der Kombination eines optimalen Aussaattermins und einer angepassten Aussaatstärke sowie eine ausgewogene Pflanzenernährung. Die Flächen-, beziehungsweise Blattbehandlung der Erdfloh-Arten verlangt eine sorgfältige Befallsüberwachung und gezielte Terminfindung, um die Wirkungsreserven der zugelassenen Insektizide optimal nutzen zu können.

Extreme Frühsaaten, wie sie häufig zu beobachten sind, sollten vermieden werden, da sich mit dem Entwicklungsvorsprung der Bestände deren Attraktivität für die Kleine Kohlfliege deutlich erhöht.

Nach wissenschaftlichen Untersuchungen ernähren sich die Erdfloh-Larven bei kräftigen Einzelpflanzen hingegen eher vom Blattstiel-Gewebe und dringen seltener bis zum Vegetationskegel vor. Erfahrungsgemäß treten damit insgesamt geringere Pflanzenverluste über Winter auf.

Eine ausgewogene Versorgung mit Grundnährstoffen einschließlich eines geregelten Kalkhaushaltes fördert die Konstitution der Jungpflanzen, von einer übermäßigen N-Versorgung im Herbst ist jedoch abzusehen. Die Frost-verträglichkeit der Rapspflanzen sollte durch eine optimale Bor-Versorgung begleitend zu den Pflanzenschutzmaßnahmen im Herbst abgesichert werden.

Ein umfassender fungizider Beizschutz, bestehend aus den Fungiziden TMTD plus DMM, schützt defektes Pflanzengewebe besser gegen eine Sekundärbesiedlung durch die Erreger der Wurzelhals- und Stängelfäule oder auch der Verticillium-Rapswelke.

Frühzeitige Einkürzung könnte Angriffsfläche verringern

Eine frühzeitige Einkürzung der Rapsbestände mit Azol-Fungiziden ab dem 2- bis 3-Blatt-Stadium wird aktuell diskutiert, da eine eng am Boden anliegende Blattrosette der Jungpflanzen die Exposition des Wurzelhalses für die Eiablage der Kleinen Kohlfliege bisweilen verringern kann. Bei reinen Azol-Produkten kann die Aufwandmenge mit 0,1 l/ha pro entwickeltem Blatt bemessen werden. Wüchsige Sorten verlangen gegebenenfalls eine Fun­gizid-Nachlage im 5- bis 6-Blatt-stadium.

Eine zielgerichtete Einsatzlenkung von Insektiziden als Flächenapplikation gegen Erdfloh-Arten setzt eine regelmäßige Befallskontrolle der Bestände mittels Gelbschalen sowie regelmäßige Blatt-Bonituren auf Fraßschäden voraus. Die Bekämpfungsschwelle ist erreicht, wenn vom Auflaufen bis zum 4-Blatt-Stadium 10 Prozent der Keim- beziehungsweise Laubblattfläche den symptomatischen Lochfraß aufweisen oder vom 4- bis zum 6-Blatt-Stadium in der Gelbschale mehr als 50 Käfer innerhalb von drei Wochen beobachtet werden.

Die Bestände sollten bereits im empfindlichen Keimblattstadium auf einen möglichen Erdfloh-Befall bonitiert werden. Um die Flugaktivität der Insekten gezielt zu überwachen, sollten mehrere Gelbschalen im Abstand von etwa 25 m in einem Rapsbestand platziert und das Wasser regelmäßig gewechselt werden.

Begleitend zur Bestandsbeobachtung bilden EDV-gestützte Entscheidungshilfen, wie zum Beispiel das proPlant-Schädlingsprognosemodul (www.rapool.de), den Zuflug sowie die Eiablage und Larvenentwicklung des Rapserdflohs für definierte Wetterstationen ab. Ein hoher Erdfloh-Besatz im diesjährigen Erntegut kann ebenfalls als ein weiteres Indiz für den zu erwartenden Befallsdruck bei den folgenden Herbstsaaten gelten.

Wirkstoffresistenzen entgegenwirken

Innerhalb des genannten Beobachtungszeitraums ist auch dem Zuflug des Schwarzen Kohltriebrüsslers verstärkte Aufmerksamkeit zu schenken und bei der Bekämpfungsentscheidung zu berücksichtigen. Eine Pyrethroid-Behandlung sollte konsequenterweise erst erfolgen, wenn die Bekämpfungsschwelle eindeutig erreicht beziehungsweise überschritten ist. Zu Vermeidung von Minderwirkungen beziehungsweise Wirkstoffresistenzen ist auf jede unnötige Anwendung zu verzichten, die den Selektionsdruck unnötig erhöht. Dies schont zudem die Nutzathropoden, die wiederum zur natürlichen Abwehr der Kleinen Kohlfliege beitragen.

Neben der Einhaltung von ausreichenden Anbauabständen innerhalb der Fruchtfolge ist auf eine sorgfältige Bekämpfung der kruziferen Unkrautarten und des Altraps-Durchwuchses zu achten.

Altraps-Flächen erfordern zudem ein gezieltes Stoppelmanagement, um eine Besiedelung der Herbstsaaten mit der Kleinen Kohlfliege durch die Nachkommen der Sommergeneration (zweite Generation) zu minimieren. Die Puppenruhe der Kleinen Kohlfliege findet überwiegend in einer Bodentiefe von bis zu 5 cm statt, so dass sich deren Weiterentwicklung zur Herbstgeneration in gewissem Ausmaß mit einer Bodenbearbeitung mechanisch unterdrücken lässt.

 – LW 33/2014