Berglandkräuter aus Hessen

Tagung von Naturland Hessen und Bioland in Lich

Der Anbau von Kräutern kann ein interessantes zusätzliches Standbein für biologisch wirtschaftende Ackerbaubetriebe sein. Wie soll man einsteigen, wer hilft bei der Vermarktung? Das war kürzlich das Thema des Gemeinsamen Stammtischs von Naturland Hessen und Bioland in Lich-Eberstadt.

Für den Kümmelanbau sollten wie bei allen Spezialkulturen unkrautarme Flächen bevorzugt werden. Durch seine tiefe Pfahlwurzel ist Kümmel gut im Boden verankert und Unkraut kann mechanisch mittels Hacken und Striegeln beseitigt werden.

Foto: Michael Schlag

Zu den Pionieren des Anbaus von Biokräutern in Hessen gehört Detlev Zernikow-Kayßer vom Tannenhof in Bebra-Solz. Der Vollerwerbsbetrieb bewirtschaftet 57 Hektar, davon 52 ha Acker und fünf ha Grünland. Der Biolandhof begann im Jahr 1988 mit dem Anbau von Kräutern und fand bei den Geschäften offene Türen für die Idee, wie sich Zernikow-Kayßer erinnert: „Damals gab es kaum Biokräuter und aus Deutschland schon gar nicht.“ Mittlerweile hat der Betrieb Erfahrungen mit 40 bis 50 verschiedenen Kräutern gesammelt, darunter Brennnessel, Drachen­kopf, Pfefferminze, Salbei, Schabzigerklee, Zitronenmelisse. Mit Kräutern könne man auf relativ geringer Fläche einen hohen Deckungsbeitrag pro Hektar erreichen, sagt Zernikow-Kayßer, „aber Vorsicht, Getreide liefert eine viel bessere Stundenentlohnung.“

Blattkräuter brächten pro Arbeitskraftstunde (Akh) sogar den geringsten Deckungsbeitrag aller Kulturen, aber „man schafft mit Kräutern unbedingt Ar­beitsplätze.“ Die Ernte wird im Betrieb getrocknet und „es ist mein Bestreben, ein reines Kraut abliefern, dafür treiben wir sehr viel Aufwand,“ denn Unkräuter sollen nicht in Gewürze und Tee gelangen.

Zum Hacken der Reihen setzt der Betrieb eine Sternhacke ein, auf der Fläche eine zapfwellengetriebene Hackbürste, außerdem ein Abflammgerät. Löwen­zahn indes wird im Frühjahr vor der Ausblüte von Hand gestochen, denn „mit der Fruchtfolge allein wird man ihn nicht los.“

Ernte erfolgt maschinell

Geerntet wird mit einem kleinen, für die Blatternte umgebauten älteren Mähdrescher. Die Handernte von Kräutern schaffe nicht unbedingt eine bessere Qualität, denn man brauche dafür viel länger als bei der Maschinenernte. Die Kräuter müssten aber zum Erhalt ihrer Qualität nach dem Schnitt so schnell es geht in die Trocknung, die Blätter sollten vorher nicht schon anfangen zu welken. Einsteigern riet Zernikow-Kayßer, man solle „nie Kräuter anbauen, ohne sich vorher Gedanken zu machen über die Vermarktung“.

Am besten sei ein Vertrag mit einem Abnehmer, mindestens aber eine mündliche Vereinbarung, denn „es gab schon genug Leute, die auf ihrer Ware sitzen geblieben sind“ (www.tannenhof-imshausen.de). Auch in der Absicht, sich stärker mit Kollegen zusammenzutun, gründete der Tannenhof 1995 das Handelsunternehmen „Berglandkräuter aus Hessen“ im benachbarten Bebra-Braunhausen.

Heute wird es von Monika Gre­be-Schuchhard und Ute Kern geführt. Sie beliefern Hofläden, Teeläden, Biokostläden, auch der Direktvertrieb an Endkunden über das Internet hat sich mittlerweile etabliert. Wachsend sei auch die Nachfrage von Metz­gern und Bäckern, ein Teil geht an Lebensmitteleinzelhändler. „Wir sind in keinem Großhandel gelistet, sondern vermark­ten direkt“, so Grebe-Schuchhard, man lege Wert auf persönliche Kontakte zu den Kunden und sei auch regelmäßig präsent auf Di­rektvermarkter-Messen. „Wir sind ein Manufakturbetrieb,“ sagt Grebe-Schuchhard. Die getrockneten Kräuter werden nach eigenen Rezepturen gemischt und von Hand abgefüllt. Die sorgfältige Handarbeit verhindere Blattbruch und Aromaverlust und erhalte die Qualität der Kräuter.

Das Wichtig­ste ist die Qualität

Die einfachen Papiertüten, in denen die Berglandkräuter angeboten werden, sind Prinzip: „Wir definieren uns nicht über die Verpackung“, sagt Grebe-Schuchhard, ökologische Kräuter wolle man eben nicht in Kunststoff oder Mischverpackungen abfüllen.

Christian Matthes.

Foto: Michael Schlag

Detlev Zernikow-Kayßer.

Foto: Michael Schlag

Monika Grebe-Schuchhard.

Foto: Michael Schlag

Die einfache Verpackung müsse man den Abnehmern bisweilen erklären, aber „das Wichtig­ste ist die Qualität – und die ist nicht zu toppen.“ Jeder Lebensmittelskandal in den Medien bringe im Ãœbrigen mehr Kunden und „je kritischer der Verbraucher, um so besser für uns.“ Bis heute umfasst das Angebot der Berglandkräuter „vorrangig hessische Bioware,“ Hauptlieferanten sind der Tannenhof und andere Bio-Betriebe in Nordhessen, ergänzt durch Ware aus den benachbarten Bundesländern, was dann auf der Packung vermerkt wird. Einzelne Tees, etwa Rooibos oder Gewürze wie Muskatnuss und Pfeffer können nicht in Deutschland produziert werden, man erwartet sie aber im An­gebot eines Tee- und Kräuterhandels. Und wichtig für die Kunden sei auch „immer wieder was Neues im Sortiment“. Zum Beispiel als Besonderheit „Ananas-Salbei“, den man sonst nirgends bekomme (www.berglandkraeuter.de).

Erzeugergemeinschaft Agrimed

Christian Matthes berichtete von der Erzeugergemeinschaft Agrimed Hessen mit Sitz im südhessischen Trebur. 1987 gegründet, firmiert sie seit 1996 als Wirtschaftliche Vereinigung für Anbau, Veredlung und Vermarktung von Medizinalpflanzen (sie machen etwa 60 Prozent aus), und von Küchenkräutern und Gewürzen für die Lebensmittelindustrie. Die Arbeit von Agrimed beginnt mit der Anbauplanung: Wie hoch ist die Nach­frage, wie viele Tonnen müs­sen erzeugt werden, wie viele Hektar werden gebraucht, wer kann sie bereitstellen? Daneben handelt Agrimed auch mit Pflanzen „um Lücken zu füllen“, und das Produktspektrum zu ergänzen. Agrimed Hessen hat heute 52 Mitglieder in Hessen und den Nachbarländern. 22 sind Bio-Er­zeuger, darunter einige, die auch nach dem amerikanischen NOP (National Organic Program) zertifiziert sind. Damit besteht die Möglichkeit, Bio auch auf dem amerikanischen Markt zu verkaufen. Die bewirtschaftete Fläche der Mitgliedsbetriebe umfasst etwa 1000 ha, davon ein Viertel Biofläche. „Im Grunde genommen wird alles angebaut, was in Europa wächst“, sagt Matthes, das sind über 80 verschiedene Kulturen „von Artischocke bis Zitronenmelisse“. Agrimed beschäftigt zehn Mitarbeiter, der Umsatz beträgt 5,5 Mio. Euro.

Für den Fenchelanbau eignen sich insbesondere Regionen mit humosen und tiefgründigen Böden wie in der Wetterau. In der Küche wird das junge Kraut zu Salaten und zum Garnieren, den reifen Samen nimmt man bei Hühner- und Fleischbrühen.

Foto: Michael Schlag

Christian Weber, Bioland-Betrieb in der Wetterau, baut für Agrimed Fenchel, Senf und Küm­mel an. Wer sich für Gewürz- und Medizinalpflanzenbau interessiert, solle sich „der Sache nicht nur über das Geld nähern“, rät Weber, sondern auch ein Gefühl dafür entwickeln: „Man muss es wollen – das ist nicht wie Weizen säen.“ Und „man muss immer wissen, dass es ein Nischenprodukt ist“, ergänzt Christian Matthes von Agrimed. Eine geringere Ernte, als mit den Abnehmern vereinbart, kann die Er­zeugergemeinschaft dazu bringen, dass sie Deckungskäufe tätigen muss, um ihre Lieferverpflichtungen zu erfüllen. Bei unerwartet hohen Erträgen könne man dagegen überlagern, anstatt die ganze Menge auf den Markt zu schütten und den Preis auf Jahre zu ruinieren, sagt Christian Weber: „Die Akteure auf dem kleinen Markt kennen sich fast alle persönlich, da lässt sich vieles direkt klären.“

Zentraler Produktionsstandort

Agrimed investiert derzeit in einen zentralen Produktionsstandort in Groß-Gerau – Wallerstädten. Eine Trocknungsanlage besteht dort bereits, die mit der Abwärme einer benachbarten Biogasanlage betrieben wird. Im Frühjahr 2012 – Agrimed besteht dann 25 Jahre – soll die neue Zentrale den Betrieb aufnehmen und mehr Effizienz in die bislang zersplitterte Organisation der Erzeugergemeinschaft bringen. „Das verbessert auch die Zertifizierungsmöglichkeiten“, sagt Christian Matthes, und damit die Aussicht, höhere Produktstandards und bessere Preise für die Anbieter zu erreichen. Auch das Anbauvolumen soll sich vergrößern, Agrimed sucht zusätzliche Flächen und Erzeuger, die Rohware liefern können (Näheres im Internet unter www.agrimed.de). Gerade bei den Küchenkräutern Petersilie und Dill sind Bio-Anbauer gesucht, denn „2011 hätten wir mehr verkaufen können, als wir geerntet haben.“

Michael Schlag