Berglandkräuter aus Hessen
Tagung von Naturland Hessen und Bioland in Lich
Der Anbau von Kräutern kann ein interessantes zusätzliches Standbein für biologisch wirtschaftende Ackerbaubetriebe sein. Wie soll man einsteigen, wer hilft bei der Vermarktung? Das war kürzlich das Thema des Gemeinsamen Stammtischs von Naturland Hessen und Bioland in Lich-Eberstadt.

Foto: Michael Schlag
Blattkräuter brächten pro Arbeitskraftstunde (Akh) sogar den geringsten Deckungsbeitrag aller Kulturen, aber „man schafft mit Kräutern unbedingt ArÂbeitsplätze.“ Die Ernte wird im Betrieb getrocknet und „es ist mein Bestreben, ein reines Kraut abliefern, dafür treiben wir sehr viel Aufwand,“ denn Unkräuter sollen nicht in Gewürze und Tee gelangen.
Zum Hacken der Reihen setzt der Betrieb eine Sternhacke ein, auf der Fläche eine zapfwellengetriebene Hackbürste, außerdem ein Abflammgerät. LöwenÂzahn indes wird im Frühjahr vor der Ausblüte von Hand gestochen, denn „mit der Fruchtfolge allein wird man ihn nicht los.“
Ernte erfolgt maschinell
Geerntet wird mit einem kleinen, für die Blatternte umgebauten älteren Mähdrescher. Die Handernte von Kräutern schaffe nicht unbedingt eine bessere Qualität, denn man brauche dafür viel länger als bei der Maschinenernte. Die Kräuter müssten aber zum Erhalt ihrer Qualität nach dem Schnitt so schnell es geht in die Trocknung, die Blätter sollten vorher nicht schon anfangen zu welken. Einsteigern riet Zernikow-Kayßer, man solle „nie Kräuter anbauen, ohne sich vorher Gedanken zu machen über die Vermarktung“.
Am besten sei ein Vertrag mit einem Abnehmer, mindestens aber eine mündliche Vereinbarung, denn „es gab schon genug Leute, die auf ihrer Ware sitzen geblieben sind“ (www.tannenhof-imshausen.de). Auch in der Absicht, sich stärker mit Kollegen zusammenzutun, gründete der Tannenhof 1995 das Handelsunternehmen „Berglandkräuter aus Hessen“ im benachbarten Bebra-Braunhausen.
Heute wird es von Monika GreÂbe-Schuchhard und Ute Kern geführt. Sie beliefern Hofläden, Teeläden, Biokostläden, auch der Direktvertrieb an Endkunden über das Internet hat sich mittlerweile etabliert. Wachsend sei auch die Nachfrage von MetzÂgern und Bäckern, ein Teil geht an Lebensmitteleinzelhändler. „Wir sind in keinem Großhandel gelistet, sondern vermarkÂten direkt“, so Grebe-Schuchhard, man lege Wert auf persönliche Kontakte zu den Kunden und sei auch regelmäßig präsent auf DiÂrektvermarkter-Messen. „Wir sind ein Manufakturbetrieb,“ sagt Grebe-Schuchhard. Die getrockneten Kräuter werden nach eigenen Rezepturen gemischt und von Hand abgefüllt. Die sorgfältige Handarbeit verhindere Blattbruch und Aromaverlust und erhalte die Qualität der Kräuter.
Das WichtigÂste ist die Qualität
Die einfachen Papiertüten, in denen die Berglandkräuter angeboten werden, sind Prinzip: „Wir definieren uns nicht über die Verpackung“, sagt Grebe-Schuchhard, ökologische Kräuter wolle man eben nicht in Kunststoff oder Mischverpackungen abfüllen.
Christian Matthes.
Foto: Michael Schlag |
Detlev Zernikow-Kayßer.
Foto: Michael Schlag |
Monika Grebe-Schuchhard.
Foto: Michael Schlag |
Erzeugergemeinschaft Agrimed
Christian Matthes berichtete von der Erzeugergemeinschaft Agrimed Hessen mit Sitz im südhessischen Trebur. 1987 gegründet, firmiert sie seit 1996 als Wirtschaftliche Vereinigung für Anbau, Veredlung und Vermarktung von Medizinalpflanzen (sie machen etwa 60 Prozent aus), und von Küchenkräutern und Gewürzen für die Lebensmittelindustrie. Die Arbeit von Agrimed beginnt mit der Anbauplanung: Wie hoch ist die NachÂfrage, wie viele Tonnen müsÂsen erzeugt werden, wie viele Hektar werden gebraucht, wer kann sie bereitstellen? Daneben handelt Agrimed auch mit Pflanzen „um Lücken zu füllen“, und das Produktspektrum zu ergänzen. Agrimed Hessen hat heute 52 Mitglieder in Hessen und den Nachbarländern. 22 sind Bio-ErÂzeuger, darunter einige, die auch nach dem amerikanischen NOP (National Organic Program) zertifiziert sind. Damit besteht die Möglichkeit, Bio auch auf dem amerikanischen Markt zu verkaufen. Die bewirtschaftete Fläche der Mitgliedsbetriebe umfasst etwa 1000 ha, davon ein Viertel Biofläche. „Im Grunde genommen wird alles angebaut, was in Europa wächst“, sagt Matthes, das sind über 80 verschiedene Kulturen „von Artischocke bis Zitronenmelisse“. Agrimed beschäftigt zehn Mitarbeiter, der Umsatz beträgt 5,5 Mio. Euro.

Foto: Michael Schlag
Zentraler Produktionsstandort
Agrimed investiert derzeit in einen zentralen Produktionsstandort in Groß-Gerau – Wallerstädten. Eine Trocknungsanlage besteht dort bereits, die mit der Abwärme einer benachbarten Biogasanlage betrieben wird. Im Frühjahr 2012 – Agrimed besteht dann 25 Jahre – soll die neue Zentrale den Betrieb aufnehmen und mehr Effizienz in die bislang zersplitterte Organisation der Erzeugergemeinschaft bringen. „Das verbessert auch die Zertifizierungsmöglichkeiten“, sagt Christian Matthes, und damit die Aussicht, höhere Produktstandards und bessere Preise für die Anbieter zu erreichen. Auch das Anbauvolumen soll sich vergrößern, Agrimed sucht zusätzliche Flächen und Erzeuger, die Rohware liefern können (Näheres im Internet unter www.agrimed.de). Gerade bei den Küchenkräutern Petersilie und Dill sind Bio-Anbauer gesucht, denn „2011 hätten wir mehr verkaufen können, als wir geerntet haben.“
Michael Schlag