Bestäubung von Obstbäumen
Hummeln und Wildbienen für die Bestäubung von Obstanlagen nutzen
Egal ob Apfel, Süßkirsche oder Erdbeere, fast alle bei uns angebauten Obstarten sind für einen wirtschaftlichen Fruchtansatz auf Bestäubung der Blüten angewiesen. Zum einen ist die Bestäubung die Basis für einen Fruchtansatz, zum anderen spielt sie für die Fruchtqualität eine bedeutende Rolle.

Foto: M. Herrmann
Bei Strauchbeerenobst wie Johannisbeere oder Heidelbeere ist der direkte Zusammenhang zwischen Anzahl der Samen in der Frucht und deren Größe bekannt.
Bei Zwetschen konnte gezeigt werden, dass beim Fruchtfall während des Wachstums verstärkt Früchte abgeÂstoßen werden, die auf eine Befruchtung mit eigenem Pollen zurückgehen.
Bei Apfel oder Süßkirsche ist eine Fruchtbildung nach Bestäubung mit eigenem Pollen genetisch ausgeschlossen. Diese sind bis auf ganz wenige neuere Sorten (bei Kirsche die Sorte Sweetheart) auf fremden Pollen für einen Fruchtansatz angewiesen.
Rein technisch ist die Bestäubung die Übertragung der Pollen (männliche Erbinformation) auf die Empfangsorgane (Narbe) der Blüte. Geeigneter Pollen keimt dort aus und transportiert die Erbinformation zur Eizelle im Fruchtknoten. Nach deren Verschmelzung kann sich der Embryo und in dessen weiterer Entwicklung der Samen bilden. Die Entwicklung des Samens ist bei unseren Obstgehölzen die Voraussetzung für die Fruchtbildung.
Insekten übernehmen Transport von Pollen
Bis auf wenige Ausnahmen wie Wal- oder Haselnüsse sind unsere Obstarten auf einen Pollentransport durch Tiere eingerichtet. So sind die Blüten nicht nur auffallend gestaltet, sondern bieten für die Blütenbesucher auch Nahrung in Form von Nektar und Pollen im Ãœberfluss. So werden in einer ZwetschenÂblüte bis zu 40 000 Pollen gebildet, aber theoretisch nur einer für eine Befruchtung benötigt. Insekten wie Hautflügler oder Käfer besuchen die Blüten, um Nahrung zu sammeln. Ganz nebenbei bleibt ein wenig Pollen am Körper haften, der beim nächsten Blütenbesuch wieder teilweise abgegeben und auch auf die Narbe aufgebracht wird. Wenn dies nun der richtige Pollen war, kann dieser auskeimen, einen Pollenschlauch durch den Griffel bilden und so die Erbinformation transportieren.
Bei Arten, die auf eine Fremdbestäubung angewiesen sind, muss Pollen oft über mehrere Meter transportiert werden. Selbst in Intensivanlagen sind zwölf Meter (drei Reihen Abstand) keine Seltenheit. Solche Entfernungen können nur von fliegenden Insekten überwunden werden. Da die Effektivität mit zunehmenÂder Entfernung abnimmt, sollten in Obstanlagen je nach Obstart bis zu 30 Prozent Bestäuberbäume eingestreut werden.
Wir machen uns diese Sammeleigenschaft der Insekten zunutze, indem wir gezielt Insekten im Blühzeitraum der Obstart zur Bestäubung in die Obstanlage bringen und so die natürliche InsekÂtendichte erhöhen. Dies geht am einfachsten mit staatenbildenden Arten wie Honigbiene und Hummel, ist aber auch über konsequenten Populationsaufbau von solitär lebenden Wildbienen wie Mauer- oder Holzbiene möglich.
Geeignete Bestäuber in der Obstanlage
Da die Zahl der Imker und der BienenÂvölker in den letzten Jahren kontiÂnuier-Âlich sinkt, könnte die Bereitstellung von Bienenvölkern schwieriger werden. So nennt der Deutsche Imkerverband für das Jahr 2006 eine Zahl von 80 000 Imkern mit 700 000 Bienenvölkern in Deutschland, im Mittel sind das neun Völker/Imker. Wenn es früher üblich war, dass der Imker nach einem Stellplatz fragte, muss sich heute der Obstbauer um Bienen zur Bestäubung kümmern. Örtliche Imker, zu denen meist eine langjährige Verbindung besteht, spielen eine wichtige Rolle.

Foto: M. Herrmann
Seit wenigen Jahren werden Bestäubungsimker ausgebildet, die sich in die kulturtechnischen HintergrünÂde der Obstart einarbeiten, um eine der jeweiliÂgen Kultur angepasste Volkgröße, Aufstellung und Betreuung der Völker zu gewährleisten. Dies gewinnt mit zunehmender Intensivierung wie Folienanbau oder Ãœberdachung von Obstpflanzungen einen immer größeren Raum. Gerade bei Kernobst, wo ein Fruchtansatz von fünf bis zehn Prozent der Blüten für einen Vollertrag ausreicht, sehen viele Erzeuger den Einsatz von Bienen als weniger nötig oder sogar eher kritisch an. Hier kann die Diskussion um mögliche, aber nicht immer vermeidbare Rückstände im Honig ein Grund sein, alternative Bestäuber in der Blüte zu bevorzugen. Während durch die Zucht von Hummeln mittlerweile auch kurzfristig ausreichende Mengen an Bestäubungsvölkern zur Verfügung stehen und deren Handhabung in der mitgelieferten Broschüre sehr gut beschrieben ist, befindet sich die Zucht von Solitärbienen noch in der Startphase. Durch ein Angebot an Nistmöglichkeiten, sogenannten Insektenhotels, kann sich jeder Obstbauer eine eigene Solitärbienenpopulation aufbauen, die in Dauerkulturen wie Apfel oder Kirsche zur Bestäubung beiträgt. Im Unterschied zu den Bienen, die vom Imker betreut und nach dem Einsatz entfernt werden, bleiben die Hummelvölker im Besitz des Käufers und können in der Plantage stehen oder werÂden zur Bestäubung in eine andere Kultur gebracht. Die für die Bestäubung im Freiland bestimmten Völker sind gegen Nässe und Kälte zu schützen.
Der Verbleib beim Obstbauern ist akzeptabel, da ein gezüchtetes HummelÂvolk in der Obstanlage eine LebenserwarÂtung von sechs bis acht Wochen hat und als Volk grundsätzlich nicht dauerhaft ist. Während der Blüte entwickelt sich das einzelne Volk bis zu einer IndividuenÂzahl von 300 bis 400 Tieren und wird sehr viel effektiver, wie Abbildung 1 zeigt. In einer bestimmten Entwicklungsphase entstehen mehrere Jungköniginnen, die individuell überwinÂtern und im kommenden Jahr versuchen, ein eigenes Volk zu gründen. Der erworbeÂne Karton ist verlassen und sollte entsorgt werden, um Parasiten keine Nahrung zu bieten. Um für die Befruchtung des Obstes möglichst starke Völker zu haben, können diese schon wenige Tage vor der Hauptblüte der Kultur in die AnÂlage gebracht werden. Die in jeder AnlaÂge blühenden Wildkräuter reichen für den Pollenbedarf der Tiere in den ersten Tagen aus. Sobald sich die Obstblüte öffnet, wird diese beflogen, da sie alleine durch ihre Masse attraktiv ist.
Je nach örtlicher Gegebenheit und möglichen Saumstrukturen kann sich in Obstanlagen schon eine große PopuÂlation von Wildinsekten aufgebaut haben. Auch diese nutzen das Nektar- und Pollenangebot der Obstblüte als Nahrung gerne und bestäuben „ganz nebenÂbei“ die Blüten. Als besonders effektiv haben sich die Rote Mauerbiene (Osmia rufa) und die Gehörnte Mauerbiene (Osmia cornuta) herausgestellt. Hier laufen erste Bestrebungen, diese züchterisch zu vermehren und als „Starterpopulation“ für einen eigenen BestandsÂaufbau in der Obstanlage zu vertreiben. Während die Gehörnte Mauerbiene schon sehr zeitig fliegt, kommt die Rote Mauerbiene ab Mitte April und steht dann in der Apfelblüte zur Verfügung.
Wildbienen in der Anlage halten
Bei diesen solitär lebenden Wildbienen macht es Sinn, sie durch das Angebot von geeigneten Nistmöglichkeiten in der Anlage zu halten. Selbst aktiv werden kann man durch die Produktion von angebohrten trockenen Hartholzblöcken oder Holzscheiben (Eiche, Buche, Robinie, Obstbaumholz). Aber auch andere Materialien, die röhrenförÂmige Hohlräume bieten, werden angenommen. So werden auch offene Schilfstängel, Tonkinstäbe, mitunter sogar Papier - oder Kunststoffröhrchen genutzt, um Nahrung und Eier für die nächste Generation, also für die Bestäuber der nächsten Obstblüte, abzulegen.
Foto: M. Herrmann
Käuflich können diverse NistmöglichÂkeiten erworben werden. Es finden sich im Internet zahlreiche Anbieter für den Hobbybereich. Für den professionellen Bereich sind dem Autor zwei Fachleute bekannt, die Osmia vermehren und im Winter Kokons vertreiben. Nach AnfraÂge liefern diese auch funktionierende Systeme für den Populationsaufbau.
Während Kokons der Mauerbiene von den Züchtern direkt vertrieben werden, laufen Bestellungen von Hummelvölkern häufig über den regionalen Landhandel, diverse Nützlingsanbieter oder direkt beim Züchter. Der Versand erfolgt, je nach Menge und Anbieter, direkt vom Züchter innerhalb kürzester Zeit. Eine frühzeitige Bestellung mit Nennung des ungefähren Liefertermins erleichÂtert die Logistik und ermöglicht oft günstigere Preise. Die Anzahl der benöÂtigten Völker ist von der Kultur, der Anbautechnik sowie der zusätzlichen Verwendung anderer Bestäuber abhängig und sollte individuell angepasst werden. Für Fragen steht der Autor zur Verfügung. Dr. Jürgen Lorenz, DLR Rheinpfalz – Kompetenzzentrum Gartenbau Ahrweiler
Anbieter von Bienen und Hummeln
Mauerbienen können erworben werden bei www.mauerbienen.com (für diese Saison nur noch Nisthilfen) oder bei www.bioresearch-schubert.de (noch wenige Tage gekühlter Expressversand von Osmia rufa). Hummeln werden angeboten von den Züchtern www.koppert.com und www.biobest.be (die VertriebsÂpartner sind jeweils auf den Homepages benannt) bzw. von www.stb-control.de (vertreibt selbst).