Bezirksversammlung der Vereinigten Hagelversicherung

Erneut hohe Entschädigungsleistungen auszugleichen

Für die Vereinigte Hagelversicherung war 2024 ein turbulentes Jahr. Sie feierte ihr 200-jähriges Bestehen und der Vorstand wurde neu aufgestellt. Wie für die Versicherung das noch laufende Geschäftsjahr 2024 ablief, war Thema bei der Bezirksversammlung des Bezirksvereines Gießen in Wölfersheim-Berstadt.

Prof. Rainer Langosch stellte Unternehmensstrategien vor.

Foto: Schön

Nach der Begrüßung und dem Bericht über die 31. ordentliche Mitgliederversammlung des Geschäftsjahres 2023 am 14. Mai in Gießen durch den Vorsitzenden des Gießener Bezirksvereines, Michael Schneller, berichtete Jürgen Schuldig-Fritsch über das vorläufige Ergebniss des Geschäftsjahres 2024. Inklusive der Nachbarstaaten musste die Vereinigte Hagelversicherung zudem erneut Schadenssummen von mehr als 300 Mio. Euro begleichen. Die Gesamtschadenquote von 91 Prozent ist wie auch im Vorjahr hoch. Das so entstandene Defizit ist durch die Rückversicherer und Schwankungsrückstellung ausgeglichen worden.

Hohe Entschädigungen bringen hohe Beiträge

Neben den hohen Entschädigungsleistungen war in Deutschland auch ein Rückgang der versicherten Fläche um 1,2 Prozent auf 4,8 Mio. ha zu verzeichnen. Bedingt sei dieser Flächenschwund durch Stilllegungen, Freiflächen-Photovoltaikanlagen oder Baumaßnahmen. Im Ausland hingegen konnte ein Flächenzuwachs von 17 Prozent auf 1,5 Mio. ha erreicht werden, weshalb bei der versicherten Fläche insgesamt ein Zuwachs von 2,6 Prozent auf 6,3 Mio. ha zu verzeichnen war. Bei den Beiträgen beschrieb Schuldig-Fritsch die Entwicklung als durchaus positiv, gerade im Ausland stiegen diese um ganze 9,9 Prozent. Zusammen mit dem leichten Rückgang bei den Beiträgen im Inland ergab sich eine gesamte Beitragssumme von 329,6 Mio. Euro. Er machte zudem deutlich, dass die Steigerungen der Beiträge hauptsächlich auf das starke Wachstum bei der Mehrgefahrenversicherung zurückgehen. Die Beiträge für die Hagelversicherung bewegen sich seit langem allerdings auf einem gleichbleibenden Niveau.

In der Bezirksdirektion Gießen zeichne sich insgesamt ein ähnliches Bild ab. Auch hier gab es einen Flächenzuwachs bei der Mehrgefahrenversicherung. Diese wird, so der Bezirksdirektor, immer relevanter. Die Spätfröste Ende April haben Erdbeeren, Weinreben und Obst­bestände im gesamten Einzugsgebiet der Bezirksdirektion Gießen getroffen und sie empfindlich geschädigt. Ende Mai fiel zudem regional noch einmal Schnee während der Vollblüte beim Raps und drückte diesen teilweise auf 40 cm runter. Diese Bestände haben sich nach der Schmelze nicht wieder aufgestellt und konnten nur schwer geerntet werden. Der Bezirksdirektor machte deutlich, dass mit Frostschäden im Zuge der Klimaerwärmung und dem verfrühten Vegetationsbeginn in Zukunft noch häufiger gerechnet werden müsse. Auch seien es meist nicht nur Frost, Sturm oder Starkregen, sondern Kombinationen aus den extremen Wetterlagen. Es werde immer relevanter eine Kombination von Schäden zu versichern und nicht nur Einzelne. Die Sachverständigen werden bereits bei den Gemeinschaftstaxen verstärkt geschult, solche kombinierten Schäden sicher zu beurteilen.

Förderung der Mehrgefahrenversicherung

In Hessen wird eine Mehrgefahrenversicherung bisher nicht seitens des Landes gefördert. Das sei jedoch enorm wichtig, wenn man die Entwicklung des Klimas und die bereits jetzt auftretenden daraus resultierenden Schäden betrachte. Eine Förderung der Mehrgefahrenversicherung sei ein wichtiges Mittel, um der hessischen Landwirtschaft unter die Arme zu greifen. Die Vereinigte Hagelversicherung erachte dabei eine frei aus Bausteinen wählbare Versicherung als sinnvoll. So sei es möglich sich individuell zu versichern. Unnötige Versicherungen würden damit vermieden, so Schuldig-Fritsch. Wann und ob eine solche Förderung komme, sei jedoch bislang unklar. Im Anschluss an den Geschäftsbericht wurde Philipp Schupp, Brechen, von den Anwesenden als neuer Sachverständiger gewählt.

Unternehmerisches Risiko richtig einschätzen

Im Anschluss an die Versammlung hielt Prof. Rainer Langosch von der Hochschule Neubrandenburg einen Vortrag mit dem Thema „Stürmische Zeiten? Kluge Entscheidungen!“, in dem er darauf einging, wie Landwirte in Zeiten der Unsicherheit mit unternehmerischen Risiken umgehen sollten. Klar sei: Die Menschheit braucht die Landwirtschaft. Die Agrarproduktion habe sich in den letzten Jahrzehnten stark intensiviert und sei immer produktiver geworden. Ein Landwirt versorgt dank der hohen Produktivität laut Langosch heute etwa 145 Menschen.

Zum heutigen Punkt sei es nicht mehr möglich, starke Innovationen durch einen neuen Traktor oder eine größere Arbeitsbreite zu schaffen. Eine Effizienzsteigerung sei das Einzige, was der Landwirtschaft auf lange Sicht noch möglich sei. Und diese ist laut Langosch pers­pektivisch nur durch Digitalisierung und Zusammenarbeit auf mehreren Ebenen erreichbar. Deshalb werde die globale Vernetzung immer weiter vorangetrieben. Aber auch regionale Netzwerke seien von immenser Bedeutung.

Der Professor der Hochschule Neubrandenburg erklärte, es gebe bei den Unternehmern nur zwei Typen: den Differenzierer und den Kostenführer. Miteinander vereinbar sind diese beiden Unternehmerstrategien nicht. Wer Kostenführer sein wolle, müsse billig produzieren, um Gewinne zu erzielen. Diese Strategie habe für viele deutsche Landwirte lange funktioniert. Mit den veränderten gesellschaftlichen Anforderungen an die Nahrungsmittelproduktion sei es allerdings zunehmend attraktiv sich auf die Diversifizierung des Betriebs und der eigenen Produkte zu fokussieren. Gerade in Regionen oder Städten mit hohen durchschnittlichen Einkommen, wie beispielsweise dem Rhein-Main-Gebiet oder Frankfurt am Main, könne man über Produkte mit Alleinstellungsmerkmal Kundengruppen gewinnen, die nicht das billigste Produkt, sondern Qualität suchen. Auch das Anbieten von Dienstleistungen könne attraktiv sein. Lohnenswert sei auch der Blick auf Trends im Ernährungs- und Lifestyle-Bereich. So könne man für den Betrieb neue und lukrative Produkte identifizieren und etablieren. Wer so sein unternehmerisches Risiko geschickt streue und den Betrieb führe, sei gut für die Zukunft aufgestellt.

AS – LW 49/2024