Branchenverband versus Dialogplattform

„Milchstrukturgespräch“ bei Minister Schmidt

In die zuletzt festgefahrene Diskussion über die Einrichtung eines Branchendialogs Milch kommt Bewegung. Bei einem sogenannten „Milchstrukturgespräch“, zu dem Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt Spitzenvertreter des Deutschen Raiffeisenverbandes (DRV), des Milchindustrie-Verbandes (MIV), des Verbandes der Privaten Milchwirtschaft (VBPM) sowie des Deutschen Bauernverbandes (DBV) vergangene Woche eingeladen hatte, haben fünf große genossenschaftliche Molkereien aus dem nordwestdeutschen Raum ihre Bereitschaft zur Bildung einer Dialogplattform signalisiert.

Risikoverteilung wäre gut: Die Bauern tragen das Marktrisiko in der Wertschöpfungskette nach wie vor zum großen Teil alleine.

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Die Initiative sei dabei vom Ehrenamt der Molkereien ausgegangen, die rund die Hälfte des Milchaufkommens in Deutschland abdeckten, hieß es nach dem Treffen. Die Plattform, die nach dem Willen der Molkereien lose organisiert und ausdrücklich kein Branchenverband nach europäischem Recht sein soll, soll sich insbesondere mit Fragen der gemeinsamen Absatzförderung und des Exports, aber auch mit Instrumenten zur Risikoabsicherung befassen.

Lieferbeziehungen modernisieren

Abzuwarten bleibt, ob und in welcher Form die Lieferbeziehungen zwischen Molkereien und Milcherzeugern thematisiert werden. Allgemeinverbindliche Vorgaben lehnen die Molkereien strikt ab. Schmidt zeigte sich nach dem Treffen zufrieden. Man sei in der Frage eines Branchendialoges „ein konkretes Stück vorangekommen“, sagte der Minister. Schmidt begrüßte die Bereitschaft der Beteiligten, gemeinsame Wege bei der Vermarktung im In- und Ausland, bei der Markenbildung und der Kommunikation sowie bei Strukturfragen zu gehen. Bis zur nächsten Sitzung im November seien einige „Hausaufgaben“ zu erledigen. Dazu zählte der Minister ausdrücklich auch Vorschläge zur Vertragsgestaltung zwischen Erzeugern und Molkereien.

Eine Absage erteilte der CSU-Politiker einem „staatlichen Regulatorium über Mengen und Preise“. Dies müsse sich vielmehr „aus dem Markt heraus und von den Marktteilnehmern“ entwickeln. Unerlässlich sei allerdings eine faire Risikoverteilung entlang der Wertschöpfungskette. Es sei nicht akzeptabel, dass die Bauern weiterhin das Marktrisiko de facto in großen Teilen alleine tragen.

Bedeutende Akteure des deutschen Milchsektors hätten sich bereiterklärt, einen Branchendialog zwischen den großen Genossenschaftsmolkereien und den Landwirten zu etablieren, um eine verbesserte Abstimmung untereinander zu ermöglichen, erklärte der neue „Milchpräsident“ des Deutschen Bauernverbandes, Karsten Schmal, im Nachgang des Treffens beim Bundesminister. Man teile die Auffassung dieser Molkereien, dass die Bereiche Absatz- und Innovationsförderung ganz oben auf der Agenda stehen sollten.

Instrumente der Risikoabsicherung

Schmal geht davon aus, dass der vorgesehene Austausch über Instrumente der Risikoabsicherung für kommende Krisen nur förderlich sein kann. Deutlich geworden ist für ihn in dem Gespräch allerdings auch, dass modernere Instrumente in den Lieferbeziehungen zwischen Landwirten und Molkereien erforderlich seien. Ablehnend äußerte sich Schmal gegen allgemeinverbindliche Vorgaben von Seiten der Politik. Sie könnten bei der Gestaltung der Lieferbeziehungen aufgrund der großen strukturellen Unterschiede keine Lösung sein.

Bauernverband für, MIV gegen Branchenverband

Im Vorfeld des Milchstrukturgesprächs hatte sich das DBV-Präsidium für die Gründung eines anerkannten Branchenverbandes Milch ausgesprochen. Dies sei „ein unverzichtbarer Schritt, um endlich die offenkundigen Probleme im Molkereisektor in Angriff zu nehmen und die brachliegenden Potenziale zu heben“. Der Milchindustrie-Verband (MIV) erteilte den Plänen zur Gründung eines Branchenverbandes nach europäischem Recht eine Absage. „Wir haben genug Verbände und Organisationen in Deutschland“, erklärte MIV-Präsident Peter Stahl. Diese Verbände seien für die geforderten Aufgaben bestens aufgestellt. Zurückhaltend ist der MIV auch gegenüber dem Thema „Lieferbeziehungen“. Bereits seit langem stünden die Molkereien dazu in einem intensiven Austausch mit ihren Milcherzeugern. Es habe sich bewährt, „dass die Wirtschaftsbeteiligten untereinander Verträge regeln“.

age – LW 38/2016