Braugerste braucht mehr Freunde in der Region

Ministerin lobt Initiative von Landwirten, MGH und Pfungstädter

Landwirtschaftsministerin Silke Lautenschläger hat vorigen Freitag in Pfungstadt über die diesjährige Ernte der Braugerste gesprochen. Ihr Anbau ist in Hessen mit circa 16 000 ha auf ein historisches Tief gesunken. Um die Erzeugung von Braugerste im Lande wieder auf Kurs zu bringen, braucht es ein großes Bündnis gemeinsamer Marktstrategien von Landwirten, Mälzereien und Brauereien. Das verdeutlichte die Ministerin mit dem Vorsitzen­den der Marketinggesellschaft MGH Gutes aus Hessen, Walter Schütz und Ulrich Schumacher von der Pfungstädter Brauerei.

Die Pfungstädter Brauerei ist mit einem Produktions­ausstoß von 400 000 Hektolitern Hessens größte Privatbrauerei. Bis heute ist das fast 180 Jahre alte Unternehmen im Besitz der Gründer­fa­milie Hildebrand um Gesellschafterin und Landwir­tin Dr. med. vet. Gisela Crößmann (l.).

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An einem solchen Konzept arbeitet die Pfungstädter Brau­­e­rei mit. Mit rund 160 Mitarbeitern werden in diesem mittelstän­dischen Unter­nehmen rund 400 000 Hektoliter Bier gebraut. Dabei setzt das Unternehmen auf eine regionale Vermarktung von Bier. Seit vier Jahren ist es für das Siegel ,,Geprüfte Qua­­lität – Hessen“ zertifiziert. Zur Firma gehört auch eine Toch­ter­ge­sell­schaft, die Köthener Brau­erei in Sachsen-Anhalt, welche nach der Wende gekauft wurde.

Die Pfungstädter Brauerei bezieht ihr Malz von drei Mälzerei­en aus der Region. Die Brau­ger­ste stammt ausschließlich von hessi­schen Landwirtschaftsbetrieben, wie Geschäftsführer Schumacher berichtete, der das Ver­mark­tungs­konzept der Pfung­städ­ter Brauerei erläuterte. Dazu liefern 50 Land­wirte aus Südhessen circa 3 500 t Braugerste im Jahr. Das Bier wird unter dem Gütesiegel „Geprüfte Qualität – Hessen“ gebraut, beworben und ver­marktet. Das Produkt wird neuerdings zu­sammen mit dem typi­schen Huf­eisen-Logo von Pfungstädter auf den Flaschenetiketten gedruckt. Die gesamte Verar­beitungsmenge der Brauerei beläuft sich auf etwa 7 000 t Braugerste. Schumacher wies darauf hin, dass wei­tere Landwirte aus Hessen als Braugerstelieferanten gesucht werden. Im Unternehmen setze man auf langfristige Beziehungen zwischen Anbauern, Verarbeitern und Brauwirtschaft.

Anbau in Hessen sinkt auf 16 000 ha bei 3 500 Erzeugern

Und doch sei der Anbau von Brau­gerste innerhalb der letzten Jahre stark zurückgegangen, so Mi­nis­­te­rin Lauten­schlä­ger. Auch wenn die Flächen­erträge mit etwa 50 dt je ha auf Vorjahresniveau lägen, werde dennoch die gesamte Erntemenge in diesem Jahr bei der Braugerste mit rund 80 000 t deutlich niedriger ausfallen als im Vor­jahr mit über 90 000 t. „Wurden in den Jahren zwischen 2003 und 2008 etwa 28 000 ha in Hessen mit Brauger­ste bestellt, so bauen hier zur Ern­te 2010 rund 3 500 Land­wir­te Braugerste auf nur noch 16 000 ha an.“ Das sei ge­genüber dem Vorjahr nochmals ein Rückgang um etwa 2 500 ha, verdeutlichte Lauten­schläger.

Feste Größe für die Bauern nötig

(v.l.n.r.) Ulrich Schumacher, Geschäftsführer Pfungstädter Brauerei, Staatsministerin Silke Lautenschläger, MGH-Aufsichtsratsvorsitzender Walter Schütz und Ortslandwirt Werner Wenz nahmen Stellung zur Braugerstenernte 2010 in Hessen.

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Gründe sieht sie in mangelnden Marktanreizen für die landwirtschaftlichen Betriebe wegen der niedrigen Erzeu­gerpreise. Wichtig sei, dass Braugerste aus Hessen auch hier verarbeitet werde und so „eine feste Größe für die Bauern“ werde. Um die Erzeugung in Hessen anzukurbeln, müsse die regio­nale Abnahme gestärkt werden. Dies unterstütze die Lan­des­re­gier­ung. Auch, um den viel­fäl­ti­­gen Nut­­zen hiesiger Er­zeug­nisse für Verbraucher her­auszu­stellen, so Lautenschläger zum gemein­sa­men Vermarktungskonzept der Marketinggesellschaft Gutes aus Hessen und der Pfung­städter Brau­e­rei.

Regionale Abnahme ist Beitrag zum Klimaschutz

Die Res­sort­chefin meinte, dem Konsumen­ten müsse beim Kauf von Erzeug­nissen aus der Region erkennbar werden, dass durch seine Kaufent­scheidung – außer, dass er ein frisches, hochwertiges Produkt erhal­te – gleichzeitig Er­zeu­gung, Abnahme und Vermark­tung vor Ort gestärkt werden und klima­schäd­liches Kohlendioxid gegenüber den weit transpor­tierten Erzeug­nissen vermieden werde. Regi­onale Abnahme sei das zentrale Argument der Landwirte für den Klima­schut­z, beton­te Lautenschläger. Dazu müssten die Landwirtschaftsbetriebe, die auf­neh­men­den und verarbeiten­den sowie vermarktenden Berie­be aber stärker als bisher „Hand in Hand“ arbeiten. Dass es mit Erfolg funktionieren könne, zeige das Konzept aus Südhessen.

Wirtschaftspolitik der kurzen Wege nötig

Der Aufsichtsratsvorsitzende der Marketinggesellschaft Gutes aus Hessen und Vor­sitzende des Regionalbau­ernverbandes Starkenburg, Walter Schütz, betonte, Ziel der Bemühungen von Braugerstenanbauern und der Brau­wirt­schaft müsse sein, mehr Wertschöpfung für die Landwirt­schaft zu erwirtschaften. Eine „Wirt­schafts­politik der kurzen Wege“ ermögliche, dass sich künf­tig die Erzeugung von Braugerste wieder lohne. Regionale Kreisläufe mit Produkten auf Grundlage einer nach­voll­zieh­ba­ren Herkunft wie beim System der Quali­tätsmarke „Geprüfte Qualität – Hessen“ des Pfung­städter Bieres sollten als in­no­va­tive Pfade für die Bau­ern­familien genutzt werden, so Schütz. Moe