Brot wächst nicht auf Beton

Landwirtschaftliche Flächen für Produktion erhalten

Bei der ordentlichen Vertreterversammlung des Kreisverbands Alzey-Worms im Bauern- und Winzerverband Rheinland-Pfalz Süd, war der Flächenverbrauch Schwerpunkt der Diskussion. Steffen Pingen vom Deutschen Bauernverband und Dr. Michael Hofmann, der Leiter der Abteilung Naturschutz, vom Umweltministerium in Mainz sprachen.

Realität und Gesetzestexte klaffen weit auseinander, wenn es um den Schutz landwirtschaftlicher Flächen geht. Oft liegt das auch an den behördlichen Strukturen.

Foto: Setzepfand

Die Zahlen, die Steffen Pingen vom Referat Umweltpolitik des Deutschen Bauernverbandes, nach Alzey in die Stadthalle mitbrachte, zeigten nichts Gutes: Pro Tag geht das Produktionspotenzial für den jährlichen Brotbedarf von 10 000 Menschen verloren, 90 ha/Tag, seit 1992 bis heute eine Fläche von 820 000 ha, das ist die Fläche von Rheinland-Pfalz und dem Saarland zusammen, die in den vergangenen 20 Jahren dauerhaft für die Landwirtschaft verloren ging. „Oder anders ausgedrückt, wir verlieren alle zehn Jahre eine komplette Getreideernte von rund 6 Mio. t“, betonte Pingen. Hauptursache seien der Flächenverbrauch von Siedlung und Verkehr, auch der Wald nehme stetig zu sowie die Naturschutzgebiete.

„Zukünftig müssen wir intelligenter mit den Flächen umgehen. Auch die Naturschutzgebiete haben ihre Berechtigung, doch auch sie sollten mehrere Funktionen gleichzeitig erfüllen“, bemerkte Pingen. Der stetige Verlust von landwirtschaftlicher Fläche stelle in Bezug auf die wachsende Weltbevölkerung und die steigende Nachfrage nach Bioenergie eine große Herausforderung dar. Holger Pfannebecker, der Kreisvorsitzende von Alzey-Worms, fragte in seiner Einleitung, ob es überhaupt Sinn mache, nun auch noch ökologische Vorrangflächen auf 7 Prozent der Betriebsfläche einzurichten, bei diesen Herausforderungen. „Das Bewusstsein für die knappe Ressource Fläche fehlt, denn die Flächenschonung bei Siedlung und Verkehr verursacht einen höheren Aufwand. Auf der grünen Wiese zu bauen ist leichter als im bereits bestehenden Dorf.

Zuerst Entsiegelung betrachten

Auch die Bewertungssysteme bei Eingriffsregelungen benachteiligen die Entsiegelung. Die Entsiegelung wäre der beste Ausgleich zur Versiegelung. Wir haben hier das neue Bundesnaturschutzgesetz begrüßt“, sagte Pingen. „Es ist noch zu früh, das neue BNatSchG zu kritisieren“, entgegnete Dr. Hofmann. „Der Flächenverlust wird auch vom Naturschutz beklagt, hier können wir an einem Strang ziehen.

Ein Prozent der landwirtschaftlichen Flächen werden für Kompensationsmaßnahmen verwendet, meist sind dies Flächen, die für die Landwirtschaft uninteressant sind“, argumentierte Hofmann. „In der Realität werden gerne die besten Böden als Ausgleich genommen, da deren ökologische Wertigkeit hoch eingestuft wird“, hielt Pingen dagegen. Er stellte eine Umfrage in der Bevölkerung des Deutschen Bauernverbandes vor. Demnach stimmten 84 Prozent der Befragten für die Sanierung alter leer stehender Industriegebiete oder Gewerbebrachen, zwei Drittel sprachen sich für weniger Neubaugebiete auf der grünen Wiese und die Nutzung von Flächen in den Orten aus, fast zwei Drittel sprachen sich dafür aus, dass fruchtbare Äcker und Wiesen gesetzlich vor Bebauung geschützt werden sollen und ebenso viele wollen, dass neue Naturschutzmaßnahmen und Biotope auf Äckern und Wiesen so gestaltet werden, dass sie weiter landwirtschaftlich genutzt werden können.

Der Schutz der landwirtschaftlichen Flächen ist im Baugesetzbuch und im Bundesnaturschutzgesetz verankert. Es steht da bereits geschrieben, dass bei Bebauung erst die Innenentwicklung Vorrang habe, dass bei Kompensationsmaßnahmen vorrangig die Entsiegelung zu prüfen sei. „Selbst in Grün regierten Ländern werden die Paragrafen zum Schutz der landwirtschaftlichen Flächen nicht umgesetzt“, bemerkte Pingen. Da habe sich einiges eingebürgert, was nicht sinnvoll ist.

Landfraß Thema im Bundestag

Daher habe der Deutsche Bauernverband das Thema beim Bauerntag in Koblenz zum Hauptthema gemacht und die Unterschriftenaktion gestartet „Stoppt Landfraß“. „Wir wollen eine eigene Schutzklausel schaffen für landwirtschaftliche Flächen. Wir wollen ein Landwirtschaftsgesetz oder ein Gesetz zum Schutz landwirtschaftlicher Flächen, um die landwirtschaftlichen Flächen in den Status des Waldes zu bringen“, schloss Pingen. Der Erhalt landwirtschaftlicher Flächen müsse staatlich anerkanntes Ziel werden. Pingen zeigte, dass es auch anders gehe, nämlich mit nutzungsintegrierten Maßnahmen als Ausgleich, wie dies die Kulturlandstiftung Rheinland-Pfalz realisiere. Pingen forderte, dass die Ziele des Umwelt-, Klima- und Gewässerschutzes auf nachhaltige, hocheffiziente, innovative und produktive Landbewirtschaftung ausgerichtet sein müsse. Der DBV hat bereits 150 000 Unterschriften bei der Aktion Stoppt Landfrass gesammelt. Diese werde man zum Petitionsausschuss geben. „Damit haben wir die politische Diskussion angestoßen“, bemerkte Pingen.

Dr. Hofmann versicherte, dass die Landesregierung bei der Novellierung des Landesnaturschutzgesetzes die nutzungsintegrierten Ausgleichsmaßnahmen anerkennen wolle. Um das Landschaftsbild beim Bau von Windkraftanlagen auszugleichen, sicherte Hofmann zu, dass hier auch Trockenmauern erhalten werden können, wenn eine Planung vorliege. Ludwig Schmitt, der Kreisvorsitzende von Mainz-Bingen sagte: „Warum brauchen wir für die saubere Windenergie überhaupt einen Ausgleich? Zwei Drittel aller Ausgleichsflächen verbuschen und tragen so nichts mehr zur Artenvielfalt bei. Ganz anders auf unseren Obstplantagen, da ist die Vielfalt höher als auf mancher Ausgleichsfläche.“

Das ist geplant

Und in Zukunft: Weiter so, wie bisher? Derzeit stehen im Landkreis Alzey-Worms 74 genehmigte und errichtete Windenergieanlagen (WEA) mit einer Leistung von 78 100 kW. Es sind weitere 48 WEA vor allem in der VG Wörrstadt und VG Alzey-Land geplant. Außerdem eine 10 ha PV-Anlage der EWR entlang der A 61 bei Worms auf hochwertigem Ackerland. Nicht vollständig. Quelle: opal


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