Büffelmilch, Bauernhofeis oder Erlebnisbauernhof?

Unternehmerseminar „Erwerbskombinationen“ in Friedrichsdorf

„Eis vom Bauernhof, Alternativen in der Tierhaltung oder Erlebnisbauernhof: Chancen und Risiken von Diversifizierungsmaßnahmen“, so lauteten einige Themen, die im Seminar der Landesvereinigung Milch Hessen „Erwerbskombinationen“, im Februar in Friedrichsdorf, diskutiert wurden. Sibylle Möcklinghoff-Wicke und Tanja Lotz vom Innovationsteam Milch berichten über zentrale Ergebnisse des Unternehmerseminars.

Landwirt Tino Bullmann beschrieb die Gründe für den Einstieg in die Büffelhaltung.

Foto: Sibylle Möcklinghoff-Wicke

Das Seminar zeigte auf, welche Möglichkeiten der Erwerbskombinationen sich insbesondere für Milchviehbetriebe bieten und es eröffnete betriebliche Perspektiven. Fachberater und Praktiker stellten Diversifi­zierungs­alter­na­tiven vor und diskutierten über die jeweiligen Chancen und Risiken für den eigenen Betrieb.

Beispiel: Milcherzeugung

Angesicht unsicherer Milchpreise und schwankender Märkte hat beispielsweise der ein oder andere Milcherzeuger schon einmal überlegt, ob ein Einstieg in die Direktvermarktung oder andere zusätzliche Einkommensideen dazu beitragen können, die wirtschaftliche Situation seines Betriebes zu verbessern. Zur Existenzsicherung ist ein zweites Standbein unter Umständen hilfreich, denn nicht alle Milch­erzeuger können oder wollen in der Milchviehhaltung wachsen.

Hilmar Gerdes von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen stellte typische strukturelle Entwicklungen vieler Milchviehbetriebe dar: In den 80iger Jahren war der Betrieb ein Gemischtbetrieb mit 18 Milchkühen sowie Sauen und Ackerbau, der ausschließlich mit Familienarbeitskräften bewirtschaftet wurde. Zehn Jahre später fand eine Vergrößerung bei der Fläche und der Anzahl Kühe (36 MK) statt, im Zuge der Spezialisierung wurden die Schweine abgeschafft. Weitere zehn Jahre später wurde der vorhandene Laufstall für die Kühe erweitert und der Bestand weiter aufgestockt (70 MK). Neben der Familienarbeitskraft ist inzwischen auch ein Auszubildender im Betrieb.

In der „Jetzt-Zeit“ hat der Betrieb einen neuen Laufstall gebaut und sich ausschließlich auf die Milchviehhaltung spezialisiert (150 MK). Der ausgeschiedene Altenteiler wurde durch einen Mitarbeiter „ersetzt“ und Milcherzeugung ist die Haupteinnahmequelle geworden.

Betriebswachstum erhöht Risiko

Parallel zu dieser exemplari­schen Entwicklung hat sich der Pachtflächenanteil sowie der Fremdkapitalanteil im Betrieb deutlich erhöht, denn Betriebswachstum findet immer mehr über fremde Produktionsfaktoren statt. Damit wird das Risiko für den Betrieb mit jedem weiteren Wachstumsschritt größer und zwingt zu Vollkosten deckender Erzeugung, da frem­de Produktionsfaktoren regelmäßig entlohnt werden müssen.

Hinzu kommt, dass der Betrieb durch die Spezialisierung stark von den volatilen Märkten beeinflusst wird: Schwankende Erlöse und Kosten wirken direkt auf den erzielbaren Betriebsgewinn. Insofern stellt sich für viele Betriebe die Frage, ob es bei der weiteren Betriebsentwicklung sinnvoll ist, sich ein weiteres Standbein aufzubauen, statt noch stärker in die Spezialisierung einzusteigen.

Wer über alternative Einkommensquellen nachdenkt, sollte von Beginn an steuerliche Begleitung in Anspruch nehmen, um den Fallstricken des Fiskus zu entgehen. So ist es nicht einfach, den Ãœberblick im Steuerdickicht zu behalten, wie der Vortrag von Dr. Wolfgang Kubens von der LBH-Steuerberatungsgesellschaft zum Thema „Steuerliche Aspekte von Diversifizierungsmaßnahmen“ zeigte.

Beispiele, wie es gelingen kann

Die bei der Fortbildung vorgestellten Möglichkeiten der Diversifizierung waren so vielfältig wie die Betriebsleiter und die Betriebsstandorte:

Für Michael Dörr aus Rossdorf bei Darmstadt stand beim „Erlebnisbauernhof“ weniger der wirtschaftliche Gedanke im Vor­dergrund, sondern mehr die Möglichkeit, Imagewerbung für moderne Milchproduktion zu betreiben. Die stadtnahe Lage zwang den Betrieb mit inzwischen über 200 Kühen früh zu Transparenz und Offenheit. Mit dem Konzept „Erlebnisbauernhof“ kommen nun jährlich fast 1 000 Schulkinder auf den Karlshof. Zusätzlich besuchen bis zu 30 Personen täglich den landwirtschaftlichen Be­trieb, um sich Milch(shakes) am Milchautoma­ten zu holen, Kühe aus der Nähe zu betrachten und dabei auch moderne Landwirtschaft hautnah zu erleben. Der Karlshofpfad ermöglicht die Entdeckung des Betriebs auf eigene Faust mithilfe einer Hofkarte und entsprechender Ausschilderung. Heute ist im Betrieb eine eigenständige Event­managerin eingebunden, die Führungen und Besuchergruppen organisiert, damit die Mitarbeiter und die Betriebsleiterfamilien hier nicht ständig gefordert sind. Dörr weiß, dass der Erlebnisbauernhof keinen zusätzlichen Gewinn abwirft, aber er trägt sich selbst. „Werbung kostet Geld – wir machen Imagewerbung durch die gezielte Öffentlichkeitsarbeit und bei uns bringt die Werbung sogar noch etwas Geld ein“, so Dörr.

Hofladen und eigene Käserei

Eine andere Form der Diversi­fizierung hat der Betrieb Eilte beschritten. Der Bioland-Betrieb in Ahlden-Eilte hält neben den 90 HF-Kühen eine kleine Büffelherde, deren Milch in der hofeigenen Käserei zu Mozzarella und Käsespezialitäten wie halbfester Frischkäse (Büffeta), halbfester Schnittkäse (Buffalo und Buffalino) und Weichkäse (Büffelcamembert) verarbeitet wird.

Gründe für Tino Bullmann und seinen GbR-Partner, in die Büffelhaltung einzusteigen, waren einfach: Durch die Büffel erhoffte man sich einen positiven Werbe- und Imageeffekt und eine bessere Auslastung der vorhandenen Kapazitäten und natürlich einen Mehrgewinn. Zudem war die Futtergrundlage vorhanden, die Haltungsbedingungen von Wasserbüffeln sind ähnlich wie bei Milchkühen und auch bei der Melktechnik war keine zusätzli­che Investition notwendig. Hauptinvestition war der Kauf weiblicher Tiere (circa 1 800 Euro/Tier). Bei der Arbeit rechnet er mit 0,5 AK für die 40 Wasserbüffel pro Jahr. Der Erlös einer Büffelkuh liegt bei rund 3 400 Euro (1,70 Euro/Liter x 2 000 Liter Jahresmilchmenge).

Auch Ziegen brauchen Spezialisten

Holger Berg vom Ziegenhof Grüne Hügel aus Ellershausen stellte sein Betriebskonzept mit 70 Milchziegen vor, auch wenn er nach eigenen Angaben eher zu den „Kleinen“ der Zunft gehört. Familienbetriebe haben heute Bestände von 180 bis 250 Milchziegen, um damit ein vollwerti­ges Familieneinkommen erwirtschaften zu können. Wer mit Milch­ziegen Geld verdienen will, muss eine entsprechende Milchleistung erzielen (900 bis 1 000 Liter/Ziege) und das „richtige Händchen“ für die kleinen Wiederkäuer haben.

Die Ziegenmilch wird an eine Hofkäserei geliefert, in der die Milch von insgesamt vier Betrieben verkäst wird (80 000 bis 90 000 Liter/Jahr Verarbeitung). Die Käserei kauft die Ziegenmilch von Holger Berg an, der den fertigen Käse später wieder zurückkauft. Seinen Gewinn erzielt er dann über den Verkauf des Käses an die Endkunden, was überwiegend über Wochenmärkte und Privatkunden geschieht. Eine weitere Einkommensquelle ist der Verkauf von vollständig zerlegtem/verarbeitetem Ziegenfleisch. Hier soll nach Aussage des Unternehmers noch viel Aufklärungsarbeit geleistet werden, denn der Markt für Ziegenfleisch „muss bereitet werden“.

Oft eher zufällig zum Erfolg

Eine sehr außergewöhnliche Form der Diversifizierung stellte Simone Möller aus Meinerzhagen mit dem „Kuhkuscheln“ vor.

Foto: Sibylle Möcklinghoff-Wicke

Dass man aus Milch köstliches Eis machen kann, weiß fast jeder, aber kann man mit der Eisproduktion auch einen Beitrag zum Familieneinkommen erzielen? Sven Görlach aus Lich-Eberstadt ist davon nach knapp zehn Jahren im Markt überzeugt. Anfangs mussten fürs Görlach-Eis viele Hürden überwunden (Auflagen bei der Verarbeitung, Veterinäramt), das richtige Know-how gefunden und Rezep­turen entwickelt werden, damit es den Kunden schmeckt. Und es musste ein Absatzmarkt für das selbstgemachte Eis aufgebaut werden. Heute liefert der Betrieb die insgesamt über 20 Geschmacksrichtungen in drei verschiedenen Gebindegrößen an viele Hofläden, Cafes, Geschäfte und Restaurants sowie einigen Rewe-Märkten in Mittelhessen und im Rhein Main Gebiet. Rückblickend stellt der Unternehmer fest, dass die erste Inves­tition in die Eismaschine eigentlich nur wegen der eigenen Be­­geisterung vom Produkt erfolgte, aber ein Absatzmarkt nicht vorhanden war. Weiterhin kritisch ist der Arbeitszeitbedarf für die Eisproduktion, denn die Familien GbR hält 120 Milchkühe, die nicht unter der Eisproduktion leiden dürfen. Die Eisherstellung ist das Aufgabengebiet von Ehefrau Arnhild, die damit ganzjährig, unterstützt von Aushilfen, beschäftigt ist. Heute ist bei rela­tiv gesichertem Absatz klar, dass sich die Familie immer wieder für die Eisproduktion entscheiden würde, wohlwissend, dass die Anfangsjahre schwierig sind.

Färsenaufzucht für andere

Dass man als Dienstleiter für spezialisierte Milchviehbetriebe mit der Färsenaufzucht einen Beitrag zum Familieneinkommen erzielen kann, stellte Chris­tian Siebald vor. Der Rettenhof in Sontra-Hübenthal, der vor 15 Jahren ein Betrieb mit 60 Kühen in Anbindehaltung und Ackerbau war, wurde auf einen Pensionspferdebetrieb umgestellt. Wegen der strukturellen Veränderungen in der Milchviehhaltung war dem Betriebsleiter klar, dass mit der Färsenaufzucht ein neuer Betriebszweig entwickelt werden kann. Das Know-how in der Milchviehhaltung war vorhanden. Die Stallungen konnten ohne große Investitio­nen für die Jungrinderhaltung umgebaut werden. Der Arbeitsablauf für den neuen Betriebszweig passte gut zur Pensionspferdehaltung und zum Ackerbau.

Eine der größten Herausforde­rungen war, liquide zu bleiben, da das Milchgeld als regelmäßige Einnahmequelle fehlte. Es wurden die ersten Kälber eines Milchviehbetriebs aus Thüringen eingestallt. Heute werden Färsen für einen Betrieb aus Nordhessen aufgezogen, die Nachfrage weiterer Milchbetriebe nach Färsenaufzuchtplätzen ist gegeben, so dass weitere Stallplätze geplant sind. Die wichtigsten Voraussetzungen sind die passende „Chemie“ zwischen den Vertragspartnern, da viele Dinge nicht vertraglich geregelt werden können, sondern von der Absprache und dem Vertrauen untereinander abhängen. Wichtig ist auch, dass die Haltungssysteme der Betrie­be zueinander passen (Liegebo­xen für Kühe heißt auch Liege­boxen für Jungvieh). Im vorgestellten Beispiel rechnen die Partnerbetriebe die festgelegte Tagespauschale monatlich ab.

Fürs Kuscheln bezahlen

Eine sehr ungewöhnliche Form der Diversifizierung stellte Simone Möller den Teilnehmern mit dem „Kuhkuscheln“ vor. Der Nebenerwerbsbetrieb aus Meinerzhagen im Sauerland hat 12 ha Grünland, das irgendwie genutzt werden sollte. Die Familie entschied sich, eine kleine Mutterkuhherde mit Hinterwäldern aufzubauen. Ãœber das Internet wurde Simone Möller auf das „cow hugging“ aus den Niederlanden aufmerksam, und damit war die Idee geboren.

Seminare zum Tierverhalten

Heute bietet der Betrieb Seminare für Interessierte an, in denen in mehreren Stunden Grundlagen des Tierverhaltens in Theorie und Praxis vermittelt werden. Dass, was zunächst als Kostenbeitrag zum Futtergeld geplant war, hat sich so entwickelt, dass das Futter der gesamten Mutterkuhherde damit finanziert werden kann und dass Simone Möller ihre angestellte Tätigkeit auf 20 Wochenstunden reduziert hat, um mehr Zeit für die Kuhherde und das Kuscheln. Kunden für das Kuhkuscheln sind Personen im Alter zwischen 20 und 55 Jahren, häufig Kleingruppen. Ãœber die Hälfte kommt aus dem Ruhrgebiet, der Rest aus der Region „zwischen Hannover und Frankfurt“. Die Gründe, warum das Kuhkuscheln so gut bei der Bevölkerung ankommt, ist nach Meinung von Simone Möller der allgemeine Wunsch der nichtlandwirtschaftlichen Bevölkerung, Kuhverhalten zu verstehen.