Carina Konrad: „Enkeltauglichkeit ist längst da“

Wettbewerbsfähigkeit erfordert weltoffene Landwirte

„Die Stimmung bei den Bauern ist nicht erst seit einem Jahr schlecht“, stellte Carina Konrad (FDP), stellvertretende Vorsitzende des Bundestags-Agrarausschusses in einer Diskussionsrunde fest. „Es ist ein deutliches Alarmzeichen, wenn junge, gut ausgebildete Bauern aussteigen, obwohl ihre Freude an der Landwirtschaft groß ist“, machte sie deutlich. An die Adresse von Staatsministerin Priska Hinz richtete sie den Vorwurf, politische Richtungsentscheidungen aus der Vergangenheit nicht zu hinterfragen.

Dank und Anerkennung für 25 Jahre als Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Landwirtschhaftliche Woche Südhessen sprach HBV-Präsident Karsten Schmal dem Vorsitzenden des RBV-Starkenburg, Dr. Willi Billau (Foto), aus. Dieser leitete gewohnt souverän die dieses Jahr zum ersten Mal in digitaler Form durchgeführte Eröffnungsveranstaltung.

Foto: Dietz

Wie ein roter Faden zog sich durch Konrads umfangreiche Äußerungen die Sorge darum, wieviel Freiheit die Politik den Bauern zugestehen wolle oder besser müsse. Konrad bewirtschaftet im Hunsrück gemeinsam mit ihrem Mann einen landwirtschaftlichen Betrieb. „Unternehmerische Freiheit ist eine unabdingbare Voraussetzung dafür, dass Landwirte ihre Chancen im Wettbewerb mit Kollegen aus anderen Ländern auch wirklich nutzen können. Wenn über die Hälfte des bäuerlichen Einkommens aus staatlichen Töpfen kommt, wächst die Abhängigkeit, nicht die Freiheit“, stellte sie fest.

Eier aus dem Ausland mit weniger Tierwohl

Auf den Prüfstand seitens der Bundes- und Landesregierungen müssten alle die Produktion verteuernden Maßnahmen. Wenn das Ziel „mehr Tierwohl“ am Ende bedeute, dass Produktion aus Deutschland abwandere in Länder ohne Kontrolle des Tierwohls, sei das nur ein vermeintlicher Erfolg. Der Export der Legehennenkäfige lasse grüßen. Der Selbstversorgungsgrad sei deutlich abgesunken. Die in Deutschland verzehrten Eier würden jetzt mit weniger Tierwohl als zuvor produziert.

Wissenschaftlichen Diskurs befördern

Leidenschaftlich plädierte Konrad für eine positive Neubewertung von Wissenschaftlichkeit. „Wenn der Spiegel Virologen, die eine unbequeme, sachlich fundierte Meinung äußern, gefährlicher als Corona-Leugner einstuft, dann trägt das zur Lagerbildung, zur Wagenburg-Mentalität bei. Journalisten entscheiden, was Wissenschaft ist oder nicht. Das darf nicht Grundlage für politische Entscheidungen werden“, brach Konrad eine Lanze für die Anerkennung wissenschaftlicher Argumente in der politischen Diskussion.

Abkopplung vom Weltmarkt nicht zielführend

„Wenn wir Forschung oder Produktion ins Ausland verlagern, koppeln wir uns von den Weltmärkten ab. Das kann sich eine zukunftsfähige Landwirtschaft gar nicht leisten“, bekräftigte sie die Bedeutung einer weltoffenen Landwirtschaft. Warum nicht die m-RNA (wie aktuell gegen Covid-19) als Methode dazu nutzen, gegen pflanzenfeindliche Viren vorzugehen, stellte sie in den Raum. Einfach nur chemische Wirkstoffe zu verbieten und gleichzeitig mögliche Alternativen auch, sei nicht zielführend.

Tierwohl gefordert – kleine Schlachthöfe verhindert

In der Kombination von massivem Preisdruck durch den Lebensmitteleinzelhandel auf der einen Seite und ständig zusätzliche Auflagen durch die Politik auf der anderen werde in vielen Betrieben der Punkt erreicht, dass keine Gewinne mehr zu erzielen seien. Wenn gleichzeitig höhere Standards zum Tierwohl verlangt würden, zugleich aber der Bau von kleinen Schlachthöfen be- oder gar verhindert werde, stünde das Gros der Nutztierhaltung zur Disposition.

Sich selbst ehrenamtlich in der Politik engagieren

An die Landwirte und ihre Familien gerichtet stellte Konrad fest, dass die Kämpfer für die Landwirtschaft weniger würden.Aus den Reihen der verbleibenden Bauern müssten sich daher mehr als bisher dazu entscheiden, in einem ersten Schritt ehrenamtlich auf kommunaler Ebene tätig zu werden. „Das passt jetzt gut zur anstehenden Kommunalwahl in Hessen. Bauern müssen selber in noch viel größerer Anzahl auf den Listen für die Kreistage und örtlichen Parlamente kandidieren. Und alle sollten die Möglichkeit der Persönlichkeitswahl gezielt dazu nutzen, die Anzahl der von Bauern gewonnenen Mandate zu erhöhen“, schrieb sie ihren Berufskollegen ins Stammbuch. „Und aus solchen kommunalen Mandaten wachsen mit der Zeit Bewerber um aussichtsreiche Listenplätze der Parteien für Landtags- oder Bundestagswahlen. Auch ich habe ehrenamtlich angefangen“, machte sie Mut zum Engagement.

Dz – LW 4/2021